
Bier gilt als das Kultgetränk der Deutschen. Aber noch beliebter als der Gerstensaft oder schlichtes Mineralwasser ist der Kaffee. „Der Kaffeekonsum in Deutschland ist auf Rekordniveau“, „Konsum erreicht Rekordwert“ oder auch „Die Deutschen trinken 450 Tassen im Jahr“ sind Schlagzeilen, die man in letzter Zeit lesen konnte. Der französische Schriftsteller Honoré de Balzac (1799-1850) hätte darüber nur müde gelächelt. Schließlich stimulierte er seinen literarischen Schaffensdrang an nur neun Tagen mit der Menge des heißen Trunks, den sich die Deutschen im Durchschnitt pro Jahr durch die Kehlen fließen lassen. Sein früher Tod soll allerdings nicht unwesentlich damit zu tun gehabt haben, dass sich der Autor von „Die menschliche Komödie“ täglich mit 50 Tassen Kaffee auf Betriebstemperatur hielt.
Nun wird in Deutschland ja gern alles verboten oder zumindest dämonisiert, was Spaß macht und schmeckt. Das ist zurzeit vor allem bei der Berichterstattung über Alkohol zu erleben. Galt früher der Rotwein am Abend als gut fürs Herz und den Blutdruck, bezeichnen manche „Experten“ schon die geringste Dosis Alkohol als Gift, das es tunlichst zu meiden gelte.
Doch auch beim Kaffee ist es wie so oft im Leben: die Dosis macht das Gift. Es kommt auf das rechte Maß an. Was das rechte Maß ist, hängst natürlich von jedem Menschen selbst und dem Fassungsvermögen der eigenen Kaffeetasse ab. Wer gesund ist, kann aber sicher ohne Bedenken vier bis sechs Tassen über den Tag verteilt trinken: am besten Filterkaffee ohne Milch und Zucker. Für den Komponisten Ludwig van Beethoven waren anscheinend 60 Bohnen das rechte Maß. Schließlich zählte er diese Menge jeden Morgen exakt ab und braute sich daraus seinen Kaffee.
Am liebsten handgebrühten Filterkaffee
Laut aktuellen Studien ist Kaffee grundsätzlich gesund. Er soll die Aufmerksamkeit verbessern, kann das Risiko von Brust- und Prostatakrebs senken, vor Diabetes sowie Alzheimer und Demenz schützen und auch bei Depressionen helfen. Der Kaffeeforscher Professor Chahan Yeretzian, Leiter des Kompetenzzentrums für Kaffee an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, startet selbst gern mit einem Espresso in den Tag und trinkt dann am liebsten handgebrühten Filterkaffee. Das Teurere ist also auch hier nicht immer das Beste. Während man für einen Kaffeevollautomaten locker ein paar Hundert Euro hinlegen kann, um sich dann eher ungesunde Mischgetränke zu brauen, ist ein banaler Handfilter schon für ein paar Euro zu haben. Manchmal ist eben das Einfache auch das Beste. Im Gegensatz zum Kaffeevollautomaten sind Reinigung und Handhabung des Filters auch kinderleicht.
„Mir geht es gut, schließlich ist Kaffee sehr gesund“, sagte Professor Yeretzian gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ). Er verweist darauf, dass in der Kaffeebohne tausend Inhaltsstoffe stecken. Besonders wertvoll sind Antioxidantien wie Polyphenole, die die Körperzellen vor Schäden durch freie Radikale schützen. Wer allerdings über die Stränge schlägt und zu viele Tassen des köstlichen Heißgetränks konsumiert, riskiert Kopfschmerzen, Nervosität, Herzrasen, Zittern oder Schlafstörungen. Gegen einen gesunden Genuss ist also nichts einzuwenden, es sei denn, man startet nicht den Tag mit einer Zigarette und einer Kanne Kaffee auf nüchternen Magen.
Wer zu viel Kaffee trinkt, der leidet unter den Folgeschäden – und bekämpft diese oft mit der nächsten Tasse. Dies hat der deutsche Lyriker Eugen Roth (1895-1976) in seinem Gedicht „Der starke Kaffee“ beschrieben:
„Ein Mensch, der viel Kaffee getrunken,
Ist nachts in keinen Schlaf gesunken.
Nun muß er zwischen Tod und Leben
Hoch überm Schlummerabgrund schweben
Und sich mit flatterflinken Nerven
Von einer Angst zur andern werfen.“
Während es in diesem humorvollen Ton weitergeht, schließt das Gedicht wie folgt:
„Der Mensch in selber Nacht beschließt,
Daß er Kaffee nie mehr genießt.
Doch ist vergessen alles Weh
Am andern Morgen – beim Kaffee.“
Überhaupt Kaffee und Literatur: das scheint gut zusammenzupassen. Nicht ohne Grund gibt es ein ganzes Genre, das diese Symbiose beschreibt. Als Kaffeehausliteratur werden literarische Werke bezeichnet, die ganz oder teilweise in einem Kaffeehaus geschrieben wurden. Das Zentrum dieser Bewegung war Wien, wo man gern einen Mokka, einen kleinen oder großen Braunen oder eine Wiener Melange trinkt. Egon Friedell, Hugo von Hofmannsthal, Karl Kraus, Alfred Polgar, Joseph Roth, Arthur Schnitzler oder Franz Werfel sind Namen, die einem in diesem Zusammenhang einfallen und die sich auch vom Geschehen in den Kaffeehäusern für ihre Feuilletons und sonstigen literarischen Beobachtungen inspirieren ließen.
Kaffee und Literatur passen gut zusammen
Auch Franz Kafka galt als leidenschaftlicher Kaffeetrinker ebenso wie Mark Twain, Fjodor Dostojewski oder Ernest Hemingway. Der US-amerikanische Regisseur David Lynch ist auch bekannt für seine Liebe zum Kaffee. In seiner Fernsehserie „Twin Peaks“ ist Kaffee ein zentrales Thema und wird von den Charakteren häufig getrunken. Lynch wörtlich: „Aber selbst eine schlechte Tasse Kaffee ist besser als gar kein Kaffee“.
Mittlerweile hat das braune Gold in rund vier Jahrhunderten einen beispiellosen Siegeszug angetreten. Einst galt Kaffee als Luxusgut und „wurde von der Kirche als Getränk des Orients verteufelt“ (NZZ). In der Schweiz war Kaffee sogar zeitweise verboten. Vorurteile, dass Kaffee schlecht fürs Herz sei und den Blutdruck dauerhaft in die Höhe schießen lasse, sind wohl inzwischen kalter Kaffee und längst widerlegt. Kaffee ist dann gesund, wenn er zu einer insgesamt möglichst entspannten Lebensweise mit viel Bewegung und gesunder Ernährung gehört. Dass kannenweises Konsumieren von Koffein in Kombination mit Nikotin nicht gerade förderlich für das Herz-Kreislaufsystem ist, sagt einem schon der gesunde Menschenverstand.
Laut Statistischem Bundesamt ging der Absatz von Schaumwein in den letzten zehn Jahren um 17 Prozent zurück. Vielleicht wäre es also eine gute Idee, bei festlichen Anlässen anstelle mit Sekt, Prosecco oder Champagner mit einer guten Tasse Filterkaffee anzustoßen?