Monographie über Alfred Dregger – Nationalliberaler ohne politischen Nachfolger

Quelle: böhlau

Eine fast 600-seitige Monographie über Alfred Dregger (1920-2002) dürfte nur einen begrenzten Leserkreis erreichen. Wer einen komprimierteren, weniger wissenschaftlichen Zugang zu Dregger sucht, der sollte eher zu dem schmaleren Buch „Alfred Dregger: Mit Herz und Haltung“ greifen, dass der frühere Dregger-Vertraute Dieter Weirich im Jahr 2019 vorgelegt hat.

Wolfram Pyta und Nils Havemann beschreiben das Wirken des Zeitpolitikers der Wiedervereinigung und Anwalt des Parlamentarismus – so der etwas umständliche Untertitel ihrer ziegelsteinschweren Publikation – deutlich akribischer, manchmal zu akribisch. Denn immerhin hatte Dregger nie ein Staatsamt inne.

Dreggers Denken kreiste Zeit seines Lebens um die Begriffe Heimat und Nation. Entgegen der Klischees vom zackigen „Django“, der die hessische CDU zu einem schlagkräftigen Kampfverband schmiedete, war der Porträtierte in erster Linie kein Konservativer und auch kein „Rechter“. Pyta und Havemann bezeichnen den gebürtigen Westfalen zurecht als klassischen Nationalliberalen, tief im katholischen Glauben verwurzelt und vom Auftreten her ein Gentleman alter Schule mit großer rhetorischer Begabung.

Mit der staatlichen Vereinigung von Ost und West, so schließen die beiden Autoren auch ihr Werk, war seine Mission an ihr Ende gekommen. In der deutschen Politik hat der frühere Wehrmachtsoffizier und überaus erfolgreiche Oberbürgermeister der Stadt Fulda (1956-1970) keinen politischen Nachfolger gefunden.

Dass Dregger seine politische Heimat nicht in der FDP, sondern in der CDU fand, ist wohl eher einem Zufall zu verdanken. Er hatte seinen Einstieg in die Parteipolitik seinem christdemokratischen Mentor Cuno Raabe zu verdank, dem Bürgermeister der osthessischen Bischofsstadt Fulda. „Unter dessen Protektion konnte Dregger politisch durchstarten und als Parteineuling das Amt des Fuldaer Oberbürgermeisters erlangen“, so die Autoren. Sein Elternhaus, in dem ein ausgeprägter Nationalismus gepflegt worden war, hatte hingegen dem politischen Katholizismus ferngestanden. Dregger, der selbst Mitglied der NSDAP gewesen und als Bataillonskommandeur im Zweiten Weltkrieg gedient hatte, zeichnete ein ausgesprochen nationalliberales Weltbild aus, in der persönliche Freiheit einen hohen Stellenwert hatte.

Dregger verkörperte Stil und verstand Politik nicht zuletzt als „Sprachhandeln“. Die Sprache, der politische Diskurs waren dem leidenschaftlichen Parlamentarier wichtig.

Wolfram Pyta / Nils Havemann: Alfred Dregger: Zeitpolitiker der Wiedervereinigung und Anwalt des Parlamentarismus. Böhlau Verlag: Wien-Köln 2023. 582 Seiten, 59.00 Euro.

Quelle: böhlau
Über Ansgar Lange 22 Artikel
Ansgar Lange wurde 1971 in Arnsberg / Westfalen geboren. Er studierte Politische Wissenschaft, Geschichte und Germanistik in Bonn und schrieb seine Magisterarbeit über "Christa Wolf und die DDR" bei Professor Hans-Peter Schwarz. Während seines Studiums war er freier Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Schloss Eichholz . Anschließend arbeitete er in einer Bonner Kommunkationsagentur und journalistisch (u. a. Deutschlandfunk, Die Furche, Die Tagespost, Die Politische Meinung, Die Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte). Seit 2009 ist er als Geschäftsführer einer Ratsfraktion in Remscheid tätig.