Anne-Marie von Hassel im Gespräch mit dem Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten, Florian Herrmann

Anne Marie von Hassel und Florian Herrmann Quelle: Bayerische Gemeindezeitung

GZ-Interview mit MdL Dr. Florian Herrmann, Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten

Er ist eine der Schlüsselfiguren im Kabinett Söder: Dr. Florian Herrmann fungiert seit März dieses Jahres als Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten. Von 2013 bis 2018 war der Sohn des Präsidenten der TU München, Wolfgang A. Herrmann, Vorsitzender des Ausschusses für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport des Bayerischen Landtags sowie Innenpolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion und somit im Zentrum des politischen Geschehens. Über sein (linguistisches) Verständnis von Politik in Zeiten des Wandels und die Grundlinien seiner Partei sprach Herrmann mit GZ-Chefredakteurin Anne-Marie von Hassel.

GZ: Herr Dr. Herrmann, Sie gelten als Politiker, der keine Stimmungen schürt, sondern auf Toleranz und Ausgleich bedacht ist und sich auch mit Argumenten Andersdenkender auseinandersetzt.

Herrmann: Aktuell herrscht weltweit eine große Verunsicherung. Die Menschen sehen, dass außenpolitisch wie wirtschaftlich vieles im Umbruch ist. Statt aber Unruhe zu stiften, versuche ich zu vermitteln, dass Stabilität außerordentlich wichtig und nicht gottgegeben ist, wie der Erfolg Bayerns zeigt. Der kontinuierliche Aufstieg des Freistaats nach dem Zweiten Weltkrieg wurde uns nicht geschenkt, sondern ist das Ergebnis richtiger politischer Weichenstellungen. Wir haben vorgemacht, wie man mit äußeren Einflüssen und Veränderungen umgeht. Bayern war und ist Kern der Stabilität.

GZ: Die bayerischen Landtagswahlen stehen vor der Tür. Welche Schwerpunkte setzt die CSU?

Herrmann: Zunächst ist unser Anspruch, uns nicht auf den Wahltermin „14. Oktober“ zu fokussieren, sondern wichtige Weichen für die Zukunft des Freistaats zu stellen. Es geht um die richtige Politik für dieses Land. Die anstehenden Herausforderungen sind vielfältig: Digitalisierung, Demografie, Klimawandel und Globalisierung sind einige große Beispiele. Gemeinsam mit den Kommunalpolitikern, die aufgrund ihrer lokalen Verwurzelung den Seismographen der Lebenswirklichkeit darstellen, suchen wir nach Lösungen. Hierbei setzen wir auf Stabilität und Kontinuität. Das ist unser Grundprinzip.

GZ: Können Sie dies näher erläutern?

Herrmann: Unsere Aufgabe ist es, für stabile Lebensbedingungen der nächsten Generationen zu sorgen. Dabei geht es um beste Bildung für alle und gute Zukunftschancen in jeder Region Bayerns. Entwicklungen nicht nur zu erkennen, sondern zu gestalten, erfordert Mut. Mit der Retro-Brille politisch zu agieren, (Fortsetzung von Seite 1) wie man es von Extremparteien kennt, bringt kein Land voran. Simplifizierung und Vergangenheitsdenken war noch nie Stil der CSU – im Gegenteil. Das muss man den Menschen erklären – auch und gerade in Zeiten, in denen es dem Land gut geht.

GZ: In der Tat liest sich die Leistungsbilanz der CSU-geführten Staatsregierung hervorragend. Die bayerische Wirtschaft floriert und es herrscht Vollbeschäftigung im Land. Noch nie ging es Bayern so gut wie heute. Und dennoch war die Politik noch nie so zersplittert. Wie ist das zu erklären?

Herrmann: Zunächst: Bayern wird als Exot betrachtet. Außerdem ist man im Zuge des Erfolgs immer relativ einsam. Ich verstehe in diesem Zusammenhang nicht, warum gerade jene, die bei anderen eine extrem hohe Sprach-Sensibilität an den Tag legen, überhaupt kein Problem haben, die CSU mit Begriffen und Beleidigungen wie Herdprämie oder Heimatzerstörer an den Pranger zu stellen. Diese Titulierungen sind diskriminierend und überschreiten die Grenzen der politischen Auseinandersetzung deutlich. Eine aus meiner Sicht völlig absurde, übertriebene Art des Umgangs miteinander. Diese Angriffe sind Teil der Ursache für die Zersplitterung unserer Politik.

GZ: Gibt es weitere Beispiele?

Herrmann: Die SPD hat sich die Internetseite soeder-machts.de gesichert und zählt dort Dinge auf, die der Ministerpräsident aus ihrer Sicht falsch macht. Fakt ist: Hier werden unzutreffende Behauptungen in den Raum gestellt; sie sind konstruiert und verdreht. Es wird hier ganz klar versucht, die politische Meinung durch das bewusste Streuen von Fake News zu beeinflussen. Das ist absolut unanständig.Am Ende des Tages aber sollte man sich immer fragen: Was hilft dies dem politischen Diskurs insgesamt?

Die Eliten sind in der Pflicht

GZ: Ihre Botschaft?

Herrmann: Die Eliten müssen sich im Klaren sein, worum es letztlich geht – nämlich um den demokratischen Diskurs und die Art, freiheitlich miteinander zu leben. Was nicht passieren darf, ist eine Entwicklung wie in den USA oder anderen Ländern, wo die „normale“ Bevölkerung und die Eliten gerade im politischen und medialen Bereich immer mehr auseinanderdriften.

Hierzulande ist dies auch schon ein Stück weit der Fall, weil die etablierten Medien nicht mehr die gleiche leitende Funktion haben wie früher. Heutzutage haben wir es mit sozialen Netzwerken zu tun, in denen sich jeder seine eigene Wahrheit konstruiert und durch Algorithmen noch bestärkt wird. Die CSU vertritt die Meinung: „Argumente statt Algorithmen“. Aus diesem Grund haben wir die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, die derzeit neu strukturiert wird, exakt um diesen Aspekt ergänzt.

GZ: Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder hat in seiner Regierungserklärung vor dem Bayerischen Landtag die Grundlinie seines Regierungshandelns dargelegt. Darin heißt es: „Die zentrale Frage ist: Wie kann Bayern die Digitalisierung und Globalisierung erfolgreich gestalten, aber gleichzeitig seine Eigenständigkeit und Seele bewahren?“ Wie ist das zu verstehen?

Hermann: Wir wollen modern sein und dabei bayerisch bleiben. Wir managen die Zukunft und kümmern uns um die Probleme eines jeden Einzelnen. Machen und Kümmern – um die großen Linien und die kleinen Sorgen: Das ist unsere Philosophie.

Bei den großen Linien steht das Thema Technologie im Vordergrund. Künftige Entwicklungen können schließlich nur durch Innovation angestoßen und bewältigt werden. In dieser Erkenntnis aber liegt wohl der Grundunterschied zwischen der CSU und den Linken, vor allem aber den Grünen. Sie wollen Lösungen über Verbote, Reglementierung und Retro-Politik herbeiführen. Dabei ist dieses Klein-Klein-Denken aussichtslos, wie schon die Figur Möbius in Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ sagte: „Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden.“ Das ist der Grundantrieb des Menschen. Deshalb ist die Innovation die Lösung für alle Fragen. Und diese Innovation muss bei uns stattfinden. Höchste Innovationskraft und tiefe Verwurzelung in Tradition und Brauchtum sind in Bayern kein Widerspruch.

GZ: Woran denken Sie konkret?

Herrmann: Die Begeisterung für Innovation zu schüren, zeigt sich in Söders Überlegungen, den Freistaat als Zentrum des Fortschritts in Deutschland auszubauen. Dazu hat er ein bayerisches Raumfahrtprogramm namens „Bavaria One“ angekündigt. Außerdem soll die Entwicklung und der Einsatz von Flugtaxis vorangebracht werden.

GZ: Das elektrisiert Menschen, die dafür empfänglich sind.

Herrmann: Exakt. Bayern ist deshalb so erfolgreich, weil das Zusammenspiel von Großindustrie, Industrieunternehmen in weltweiten Märkten und mittelständischen Zulieferern funktioniert. Unsere Verantwortung liegt darin, zu erkennen, wo sich der Markt hinbewegt. Diese Aufbruchstimmung ist wichtig.

Humanität, Ordnung und Bekämpfung der Fluchtursachen

GZ: Kommen wir abschließend zum Megathema Asyl und Migration. Ihr Standpunkt?

Herrmann: Von Anfang an hat die CSU eine klare Linie verfolgt, die sie auch beibehalten wird. Unsere Maxime lautet: 1. Humanität im Umgang mit den hier lebenden Menschen, 2. Ordnung und Begrenzung, 3. Fluchtursachen bekämpfen. Nach unserer Überzeugung ist dies ein vernünftiger und wirkungsvoller Ansatz.

GZ: Bayern hat hier nachweislich Großartiges geleistet.

Hermann: Kollegen aus anderen Bundesländern bestätigen dies. Unsere Herangehensweise – Stichwort Unterbringung und Arbeitsplatzsuche – ist vorbildlich. Bayern ist ein Land der gelingenden Integration. Der Migrationsanteil in München oder Augsburg ist deutlich höher als in Berlin, ganz zu schweigen von Dresden.

GZ: Hinzu kommt die motivierende Entwicklungshilfe.

Herrmann: Bundesminister Gerd Müller vertritt eine moderne Politik mit dem Ansatz, dass Menschen in ihrem Heimatland Perspektiven entwickeln können. Das ist unbedingt zu unterstützen. Insofern ist es nicht nachvollziehbar, weshalb der Bund hier nicht mehr Geld in die Hand nimmt.

GZ: Ihr Fazit?

Hermann: Wer sich Standpunkte und Argumente offen zu Gemüte führt und die Lage realitätsnah analysiert, der muss zu dem Ergebnis kommen: Bayern ist zu schade für Experimente. Was wir brauchen, sind Stabilität und Kontinuität. Für eine sichere und erfolgreiche Zukunft in unserem schönen Bayern!

GZ: Vielen Dank für das Gespräch. DK

Quelle: Bayerische Gemeindezeitung

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