Heute veröffentlicht Anne Hansen ihr Buch Und dann kam Lämmchen. Hinfallen aufstehen, weitergrasen: Wie mir ein kleines Schaf ganz große Dinge beibrachte im Penguin Verlag.
Wer ist Anne Hansen?
Ich bin Journalistin und Schriftstellerin, war lange Wahl-Berlinerin, lebe jetzt aber wieder in der Heimat, in Nordfriesland.Um was geht es in deinem Buch?
Nach fünf Romanen ist es mein erstes Sachbuch und es erzählt meine ganz persönliche Geschichte. Eine längere Krankheit hatte mich total ausgeknockt und zum Auskurieren sind mein Mann und ich aus Berlin zurück nach Nordfriesland gezogen. Hier haben wir jeden Tag bei unserem Spaziergang am Deich ein Lamm getroffen, das irgendwie aus der Art schlug: Es rannte nicht weg, sondern lief uns ständig hinterher. Zum Glück haben wir es irgendwie geschafft, diesen kleinen Bock vor dem Schlachter zu retten. Aber eigentlich hat er mich gerettet. Denn die Begegnung mit ihm war das Beste, was mir passieren konnte.Im Buch beschreibst du die heilende Freundschaft zu diesem Schaf. Was veränderte die Liebe zu „Lämmchen“ für dich?
Erst einmal war das ganz banal: Ich hatte jeden Tag einen Grund, aus dem Bett zu kommen, weil ich wieder dieses höchst sonderbare Lamm am Deich besuchen wollte. (lacht) Aber neben der reinen Ablenkung von meinen Sorgen habe ich erfahren, welche Heilkraft Tiere haben können: Durch Lämmchen habe ich einen ganz neuen Blick aufs Leben bekommen und kann jetzt – zumindest ein klitzekleines bisschen – viel besser mit Krisen umgehen. Er war quasi ein Resilienz-Booster auf vier Pfoten!Für wen hast du das Buch geschrieben?
Ich möchte Menschen, die vielleicht auch gerade mit kleinen oder größeren Baustellen zu tun haben, mit dem Buch ermutigen, nicht aufzugeben. Das Leben wimmelt nur so vor lauter Krisen, aber mit den richtigen Gefährten an der Seite – ob Mensch oder Tier – findet man auch wieder raus!
Und dann ist das Buch etwas für alle, die Tiere und den Norden lieben und die einmal in eine ganz andere Welt eintauchen wollen (kleiner Spoiler: Schafe sind die unterschätztesten Tiere der Welt!).Hätte Lämmchen denn auch ein Hund oder eine Katze sein können?
Auf jeden Fall! Ich würde sogar so weit gehen, dass Lämmchen wahrscheinlich auch ein Hamster oder Kaninchen hätte sein können. Zu jedem Tier kann man so eine besondere Beziehung aufbauen, es muss halt irgendwie Klick machen – von beiden Seiten. Das Besondere an Lämmchen war natürlich auch die Herde, an die ich mich wie Jane Goodall rangewanzt habe. Und klar, dass man mit Schafen die ganze Zeit an der frischen Luft ist, pustet Kopf und Herz noch einmal mehr durch.Hast du einen Tipp für Leser:innen, die auch gerne ein Schaf zum Freund hätten?
Ab zum Deich, ins Gras setzen, offen sein und abwarten. Denn das Schaf findet einen – nicht umgekehrt!Du hast lange in der Großstadt gelebt. Was sind die Vorzüge des Landlebens – und was vermisst du an der Stadt?
Nachts vietnamesisches Sandwich essen zu können, ja, so etwas vermisse ich an der Großstadt! Aber dafür ist das Leben auf dem Land auch ein großes Geschenk: Man ist nicht so getrieben, weil man Angst hat, etwas zu verpassen, sondern wird herrlich entschleunigt und geerdet. Auch die Themen sind komplett andere. Es geht nicht mehr darum, wo the next hot shit aufgemacht hat, sondern ob Lämmchen wohl bald keinen Durchfall mehr hat. Klingt immer so abgedroschen, ist aber wahr: In der Natur kann man so viel besser auftanken, das schafft kein Berliner Café.Im Buch schreibst du auch über Massentierhaltung, selbst isst du bereits seit deiner Kindheit kein Fleisch mehr. Stößt du mit dieser achtsamen Lebensweise manchmal auf Unverständnis auf dem Land?
Nein, gar nicht. Da hat sich aber in den letzten 30 Jahren auch unglaublich viel getan. Wenn ich früher gesagt habe, dass ich Vegetarierin bin, kam oft die Reaktion: „Aber Wurst isst du doch!“ (lacht) In Restaurants war ich damals schon ein wenig der Freak, der nur die Beilagen gegessen hat. Aber inzwischen gibt es ja selbst in der abgelegensten Wallapampa viele tolle vegetarische Gerichte auf der Karte.Wenn du einen Wunsch frei hättest: Was würdest du dir für die Zukunft aller Schafe wünschen?
Dass man sie mit Respekt behandelt! Das gilt aber nicht nur für Schafe, sondern für alle Tiere. Ich bin auch gar nicht dagegen, dass Menschen Fleisch essen, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber man sollte sich immer bewusst machen, dass hinter jedem Wiener Schnitzel oder Grillhähnchen ein echtes Individuum gesteckt hat. Ich hab‘ das an den Lämmern gesehen: Da gab es wirklich die ganze Bandbreite an Charakteren. Da waren lustige, verspielte, etwas depperte, unglaublich loyale oder auch richtig dreiste dabei. Wie bei uns Menschen auch! Und irgendwie sind wir es ihnen schuldig, sie anständig zu behandeln, wenn wir sie schon essen müssen.Und last but not least: Wie sagt man „Danke für deine Zeit, liebe Anne“ auf Plattdeutsch?
Danke för din tiet, leewe Anne!
Anne Hansen
wurde 1980 in Husum geboren und arbeitet als freie Autorin für überregionale Medien. Sie hat bereits mehrere Bücher geschrieben. Unter dem Pseudonym Rosa Schmidt begeisterte sie mit der Reihe der „Rentner-Tagebücher“ mehr als hunderttausend Leser und landete mit dem Buch „Mein Mann, der Rentner“ einen SPIEGEL-Bestseller. Wenn sie nicht am Schreibtisch sitzt, versucht sie ihr Glück beim Pokern (wenig erfolgreich) und erzieht in ihrer Freizeit einen Jack Russell (es geht aufwärts). Sie lebt mit ihrem Mann in Nordfriesland.