Aspirin und Arthur Eichengrün

Arthur Eichengrün

Ulrich Chaussy ARTHUR EICHENGRüN DER MANN, DER ALLES ERFINDEN KONNTE, NUR NICHT SICH SELBST HERDER € 26,00

Aspirin? Dieses Schmerzmittel kennt wohl fast jeder Mensch. Und es ist das erfolgreichste Medikament der Medizingeschichte, wie der Autor Ulrich Chaussy in seinem Vortrag im Historicum in der Münchner Schellingstrasse am Dienstag, 9.1.24 herausstellt. Aber wer weiß schon etwas über den Erfinder? Spannend ist das Leben des Arthur Eichengrün gewesen, brillant erzählt von Chaussy in seinem gerade bei HERDER erschienen Buch „ARTHUR EICHENGRÜN – DER MANN, DER ALLES ERFINDEN KONNTE, NUR NICHT SICH SELBST“.

Chaussy recherchierte jahrelang. Es war im Berchtesgadener Land auf der Suche nach Erinnerungen an Häuser und Menschen des verschwundenen bayerischen Alpendorfes Obersalzberg. Was er aber entdeckte und was ihn fesselte, das war Arthur Eichengrün, der in unmittelbarer Nähe von Adolf Hitler wohnte. Die Keimzelle für diese detektivische Meisterleistung des Autors Chaussy legte Johanna Stangassinger, die neben den Eichengrüns als Kind wohnte. Eichengrün war ein beliebter Nachbar, bei dem auch gefeiert wurde. Man wußte, daß er Jude war. Niemand aus der Gegend störte das. Aber was war mit ihm passiert, als er plötzlich nicht mehr da war? Sobald man mit den Ausführungen des Autors beginnt, kann man Arthur Eichengrün lebendig erleben. Und das, obwohl er seit 1988 nicht mehr existierte, „als hätte er nie gelebt“, sagt Chaussy. Alles war vernichtet worden. Es geht dabei nicht zuletzt auch um Patente und Erfindungen, die unser Leben bis heute beeinflussen. Das Buch kann man nicht mehr zur Seite legen.

Chaussy nimmt uns buchstäblich mit auf seine Verfolgungsgeschichte, die Eichengrün als großen Erfinder und genialen Brückenbauer porträtiert. Das einzig autobiographische Interview führte der jüdische Pelzhändler Philipp Manes 1944 mit ihm im KZ Theresienstadt. Manes organisierte vor Ort Kulturprogramme für andere Häftlinge – bis er selbst abgeholt und mit seiner Frau in Auschwitz ermordet worden ist. Eichengrün wartete vergeblich auf dessen Rückkehr. Arthur Eichengrün steht beispielhaft für einen Juden und seine Assimilation als Deutscher. Wie er diesen Weg gegangen ist – stellt für den Autor Chaussy eine besonders beeindruckende menschliche Leistung dar.

„Man wußte von der Verschiedenheit, aber es funktionierte. Ich bin wie Ihr“, so stellt es Chaussy im Sinne von Eichengrün dar. Der kollektive Hass jedoch zerstört alles, was die Werte des Lebens sind. Damals wie heute. So gab es im Deutschen Museum einst einen Ehrensaal der Chemie. Hier war Eichengrün groß vertreten – bis heute aus der Geschichte „rausgeschrieben“. Vollkommen berechtigt die intelligente Frage aus dem Publikum – gestellt von Michael Stephan, einst Direktor des Münchner Stadtarchivs, ob Ulrich Chaussy schon im Kontakt mit Prof. Wolfgang Heckl, dem Generaldirektor des Deutschen Museums, stehe, wie es dort um die Anerkennung für Arthur Eichengrün stehe? Leben und Werk von Eichengrün geben die Antwort.

Dieses Buch von Ulrich Chaussy muss kein Bestseller werden. Aber es hat den Weg für den genialen Erfinder Arthur Eichengrün neu geebnet. Es inspiriert dazu, sich eingehender mit der Biographie des Chemikers, Erfinders und Unternehmer zu beschäftigen. Die nächste Vorstellung des Buches findet statt am 31.1.2024 um 19.00 Uhr in Berchtesgaden im AlpenCongress, Maximilianstrasse 9.

Arthur Eichengrün Erfinder – Obersalzberger – Verfolgter
Über Angelika Weber 48 Artikel
Angelika Weber, M.A., studierte Bayerische Geschichte, Anglistik, Theaterwissenschaft, Philosophie und Geschichte der Medizin. Sie arbeitet mit nationalen und internationalen TV – Anstalten zusammen. 1997 erhielt sie für ihre Film- und Dreharbeiten das Bundesverdienstkreuz.