Hurra, Hurra…
Als ich den neuen Generalsekretär der CDU sah, dachte ich: „Komisch. Den kann doch eigentlich nur der Meister Eder sehen.“.
Annegret Kramp-Karrenbauer als Nachfolgerin der Kanzlerin? Ist es ein genialer Schachzug der Kanzlerin, AKK nach Berlin trollen zu lassen? Gewiss, aber aus anderen als den üblich angeführten Gründen. Merkel nimmt nicht ihre Nachfolge in die eigenen Hände, sondern verhindert eine Nachfolgediskussion durch Demontage eines möglichen Kandidaten.
Eine Ministerpräsidentin eines Bundeslandes hat Hausmacht, auch wenn das Saarland ein Zwergenreich ist im Vergleich zu Bayern, NRW, Hessen oder Baden-Württemberg. Generalsekretäre können günstigenfalls die intellektuellen Sherpas ihrer Herren sein, schlimmstenfalls die Hofnarren. Hier sei auch auf die Garderobe geachtet, um nicht schnell in letzte Kategorie zu fallen.
Brutal ausgedrückt sind Generalsekretäre zum Verschleißen da. Sobald sie frech werden, sagt der Meister „Ab ins Kasterl“, auf dass sie sich in Luft auflösen. Fähige Köpfe wie Biedenkopf und Geißler sind beizeiten einfach kaltgestellt worden. AKK wird es ebenso ergehen, sobald sie zu viel Schabernack treibt.
Von Pumuckl zu Luhmann
Man kann es nicht häufig genug erwähnen. Das System Politik hat mit dem System Moral ebenso wenig gemein wie mit dem System Wirtschaft. Politiker stellen sich alle vier Jahre zur Wahl, weil sie es müssen, und sie versuchen, möglichst lange im Amt zu bleiben, wenn es kein Gesetz gibt, das es ihnen verbietet. Merkel hat mit der Abrissbirne bei Kohl angefangen, dann Merz rasiert, Koch ausgesessen, Seehofer auflaufen lassen, de Maizière abserviert, Wulff weggelobt, Röttgen gedemütigt, zu Guttenberg sich selbst überlassen und so weiter und so fort. Niemand in den eigenen Reihen kann sie stoppen. Angela Merkel hat die wenigen klugen Köpfe mit Führungsstärke aus Machterhaltungsgründen niedergemacht, so dass es in der Union zurzeit keine Alternative mehr gibt.
Altmaier traut niemand Führung zu, von der Leyen ist zu unbeliebt, Kramp Karrenbauer wird in Kürze verschlissen wie Martin Schulz, und Ministerpräsidenten, die infrage kämen, gibt es in der Union nicht. Merkel hat ganze Arbeit geleistet. Das System Politik funktioniert nicht nach moralischen Aspekten, gemäß dem Motto, eine Kanzlerin dürfe ja nicht weiterregieren, wenn sie intrigant ist und daher vielleicht moralisch nicht tragbar. Auch Überlegungen ökonomischer Art, die im System Merkel Ineffizienz sehen, greifen zu kurz. Politik hat eigene Regeln, die nicht an moralische Integrität und ökonomischen Erfolg gekoppelt wären.
Das Primat der Politik
Es gelten ausschließlich die Regeln der Politik. Merkel hat auch bewusst andere politische Parteien überflüssig gemacht, besonders Grüne und Sozialdemokraten. Durch die permanenten Großen Koalitionen teilen sich die politischen Gegner. Die Sozialdemokratisierung der Union hat es für die SPD unmöglich gemacht, nach rechts zu rücken. Arbeitslose wählen statt Sozis lieber Linke, Arbeiter zunehmend AfD und Linksintellektuelle die Grünen. Niemand braucht mehr die SPD, weil ihre Agenda perfekt durch die CDU abgearbeitet wird.
Die einzige Kanzlerpartei
Da die SPD strukturell so ausgeblutet ist wie die Union personell, kann sie auf einen Kanzlerkandidaten verzichten. Alle Diskussion, ob man 2021 Rudolf Scharping, Andrea Nahles, Olaf Scholz, Pumuckl oder einen Sack Hafer aufstellt, ist blödsinnig. Sie wird nur dann einen Kanzler stellen können, wenn sie sich mit Linken und Grünen vereinte. Selbst dann käme man nur noch auf höchstens 40%. Die Anwesenheit der AfD verhindert jede linke Mehrheit, da – siehe oben – viele Arbeiter zur Alternative für Deutschland übergelaufen sind.
Mit den Schmuddelkindern koaliert keiner. Genau das lässt Merkel im Amt bleiben. Ebenso käme auch kein Bündnis aus linken Parteien und FDP zustande. Die CDU ist die einzige Partei, die bei Wahlen einen Kanzlerkandidaten aufbieten kann – auf sehr lange Zeit. Bereits im Januar 2017 schrieb ich darüber, dass die Sozis jede Diskussion um einen Kanzlerkandidaten bleiben lassen können. Merkels Regierungsstil bedingt fünf Parteien, die allesamt zwischen 10 und 17% liegen, jede 15 bis 22 Punkte hinter der Union.
Asymmetrische Demobilisierung
Merkels Geheimrezept ist die asymmetrische Demobilisierung. 30% wählen CDU, egal, was man ihnen vorsetzt. Man kann diesen Menschen alles erlauben, alles verbieten, solange man dies irgendwie unverbindlich begründet und als alternativlos verkauft, eine Krawatte trägt, Manieren hat, bodenständig ist und das Wort Heimat ab und zu in den Mund nimmt, auch wenn man dies alles für Schwachsinn hält. CDU-Wähler sind nun einmal so, dass sie Regierenden gern glauben.
Das ist der Strukturvorteil der Union gegenüber anderen Parteien. Wenn man zusätzlich die rechte Flanke unbeackert lässt, damit die AfD stärkt, festigt das die Merkel-Partei noch zusätzlich. Die Abwendung vom konservativem Wähler, dem neuen Paria, hat Methode im System Politik.
Kleiner Exkurs für Fußballfans: von Péle zu Bourdieu
Brasilien ist 1970 Fußballweltmeister mit einer ganz gewieften Taktik geworden – im Gegensatz zu allen anderen Teams ließ man einen Teil des Fußballfeldes gänzlich unbeackert: dort wurde von der Brasilianischen Nationalmannschaft seinerzeit kein Spieler abgestellt. Dem Gegner überließ man dieses Feld. Dafür hat man auf dem Rest des Feldes dichter gestanden und somit dort mehr Dominanz ausleben können. Felddominanz im Sinne Bourdieus wurde durch Beschränkung ausgeübt. Nichts Anderes ist Armin Laschets Anmerkung – en passant während der letzten Woche geäußert – die Union habe mit Konservatismus nichts zu tun. Diesen Teil des Feldes überlässt man also der AfD ohne sich zu bemühen, Territorium zurückzugewinnen.
Die Linken werden ja erst recht nicht mit der neuen rechten Partei koalieren. Solange die AfD also weniger als 50% der Stimmen auf sich vereint, wozu es nie kommen wird, kann die Kanzlerin also weiterregieren.
Adenauer trat mit 87 ab. Merkel ist ja erst 63….