Alfred Delp SJ: Theologische Positionen und Widerstand gegen den Nationalsozialismus – Vor 80 Jahren wurde er durch die Nazis hingerichtet

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Alfred Delp SJ (1907–1945) war ein deutscher Jesuit und Widerstandskämpfer gegen das nationalsozialistische Regime. Als Mitglied des Kreisauer Kreises setzte er sich für eine christlich geprägte Neuordnung Deutschlands ein. Neben seinem politischen Engagement war Delp ein bedeutender Theologe, dessen Gedanken von existentieller Theologie, christlicher Soziallehre und einer tief verwurzelten Freiheitsphilosophie geprägt waren.

  1. Existenzielle Theologie und Freiheit

Ein zentrales Element der Theologie Delps ist die existenzielle Dimension des Glaubens. Beeinflusst von Denkern wie Karl Rahner und Martin Heidegger, betrachtete Delp das Christentum nicht als bloße Ideologie oder moralisches System, sondern als eine lebendige, existenzielle Entscheidung für Gott. Diese Entscheidung müsse in einer persönlichen, inneren Freiheit getroffen werden, die dem Menschen durch die Begegnung mit Gott geschenkt werde.

Delp betonte, dass die Freiheit nicht nur ein äußeres gesellschaftliches Gut sei, sondern eine ontologische Wirklichkeit, die sich im Glauben vollende. In seinen Gefängnisschriften reflektierte er intensiv über die christliche Freiheit im Angesicht des Todes und sah sie als eine endgültige Hingabe an den göttlichen Willen.

  1. Christliche Soziallehre und Ethik

Alfred Delp vertrat eine christliche Gesellschaftslehre, die sich gegen totalitäre Systeme richtete und auf der Würde des Menschen basierte. Er argumentierte, dass eine gerechte Gesellschaft nur dann entstehen könne, wenn sie auf christlichen Werten wie Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Solidarität gründet. Dabei knüpfte er an die katholische Soziallehre an, insbesondere an die Prinzipien der Subsidiarität und Solidarität.

In seinen Schriften äußerte Delp eine deutliche Kritik am Nationalsozialismus, den er als eine antihumane und gottesfeindliche Ideologie verstand. Er sah in der Ideologie Hitlers eine metaphysische Verirrung, die den Menschen zum bloßen Objekt staatlicher Macht degradiere und seine gottgegebene Würde negiere. Delp lehnte jede Form von Kompromiss mit den Nationalsozialisten ab und betrachtete den Widerstand als eine moralische Verpflichtung. Er sah den Nationalsozialismus nicht nur als politisches System, sondern als eine fundamentale Bedrohung des christlichen Glaubens und der menschlichen Würde. Diese Überzeugung führte letztlich zu seiner Verhaftung und Hinrichtung.

  1. Die Bedeutung der Kirche als Zeugin der Wahrheit

Delp betrachtete die Kirche als eine Institution, die prophetisch in die Gesellschaft hineinwirken müsse. Er forderte die Kirche auf, sich nicht mit weltlichen Mächten zu arrangieren, sondern mutig für Wahrheit und Gerechtigkeit einzustehen. Dabei kritisierte er eine zu starke Institutionalisierung des kirchlichen Lebens und plädierte für eine erneuerte Kirche, die sich stärker auf ihre missionarische und diakonische Sendung konzentriere.

In seinen Gefängnisschriften, die unter widrigsten Umständen entstanden, reflektierte er über die Notwendigkeit eines lebendigen Glaubens, der sich im praktischen Leben bewähren müsse. Er erkannte, dass der christliche Glaube in der modernen Welt nicht mehr selbstverständlich sei, sondern in jedem Menschen eine bewusste Entscheidung für Christus erfordere. Diese Erneuerung des Glaubens war für Delp von zentraler Bedeutung: Er sah die Notwendigkeit einer radikalen Rückbesinnung auf das Evangelium und eine tiefere spirituelle Verwurzelung der Gläubigen. Er forderte eine Abkehr von bloßen traditionellen Formen hin zu einem authentischen, gelebten Christentum, das sich aktiv in der Gesellschaft engagiert.

  1. Der Begriff der „unverratene Anbetung“

Ein zentraler theologischer Begriff in den Schriften Delps ist die „unverratene Anbetung“. Damit meint Delp eine Anbetung Gottes, die in ihrer Reinheit und Authentizität nicht durch äußeren Druck oder opportunistische Anpassung kompromittiert wird. In Zeiten der Verfolgung, wie er sie selbst durch den Nationalsozialismus erlebte, sah Delp die Gefahr, dass der Glaube instrumentalisiert oder aus Angst verleugnet werden könnte. Unverratene Anbetung bedeutet daher für ihn, den Glauben trotz äußerer Bedrängnis und innerer Zweifel treu zu leben und sich nicht von weltlichen Ideologien vereinnahmen zu lassen.

Diese Haltung der unverratenen Anbetung war für Delp eine existentielle Forderung, insbesondere in seiner letzten Lebensphase im Gefängnis. In seinen Abschiedsworten betonte er, dass nur ein Glaube, der nicht dem Zeitgeist oder der Angst geopfert wird, wirkliche Bedeutung hat. Diese radikale Treue zu Gott und zum eigenen Gewissen sah er als essenziellen Kern der christlichen Existenz.

Alfred Delps Theologie ist geprägt von einem tiefen Freiheitsverständnis, einer christlichen Sozialethik und einem starken Ruf zur Wahrhaftigkeit und Erneuerung der Kirche. Seine Schriften und sein Martyrium machen ihn zu einer herausragenden Gestalt des katholischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Sein theologisches Erbe ist bis heute eine Inspiration für Theologen, Philosophen und Christen, die sich für eine gerechte Gesellschaft und eine lebendige Kirche einsetzen.