Wir haben mittlerweile ein rechtes Problem in Deutschland. Wer dachte, dass sich nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust der Nationalsozialismus oder nationalsozialistisches Denken per se, durch die aufgeklärte Vernunft, verbietet, sieht sich arg getäuscht. Im Angesicht der Flüchtlingskrise fährt nur noch eine Partei in Deutschland auf „Erfolgskurs“, die AfD, und dies nicht nur im Osten der Republik. Auch im bürgerlichen Milieu der bundesdeutschen Wählerschaft gibt es einen großen Zuspruch für die neuen Rechtskonservativen. Warnte Franz-Josef Strauß noch davor, dass es rechts der CSU keine Partei mehr geben darf, hat sich das politische Spektrum in Deutschland in diese Richtung, also deutlich nach rechts verschoben. Die eurokritische und europakritische AfD – die insbesondere durch die Haßtiraden eines Björn Höcke – einen unsäglichen Populismus und Hetze betreibt, fasziniert dabei ausschließlich ein männliches Publikum, wie eine Umfrage von „Emnid“ ergab. Nach dem Ausstieg Bernd Lucke aus der Partei hatte sich die AfD radikalisiert und im Poker um die Macht Luckes und Hans-Olaf Henkels „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (Alfa) aus dem Rennen und aus der politischen Wahrnehmung gedrängt. Von Alfa ist kaum etwas zu hören, um so mehr von der AfD. Jeder achte bis zehnte Deutsche kann sich vorstellen, diese zu wählen.
Drittstärkste politische Kraft in Deutschland
Während die etablierten Parteien ständig in der Wählergunst verlieren, das Vertrauen in die Große Koalition schmilzt, wächst am rechten Rand eine neue Gefahr mit einer dramatischen Vorschubbewegung. Die Alternative für Deutschland von Frauke Petry und Alexander Gauland steht – laut aktuellen Umfragen – mittlerweile als drittstärkste politische Kraft hinter der CDU und der SPD. Selbst die Grünen wurden überholt. 13 Prozent – Tendenz steigend – der Bundesdeutschen kokettieren mit der Partei, die 2013 als Reaktion auf die Euro-Rettungspolitik in Berlin gegründet wurde, und die bei der Europawahl 2014 erstmals überregionale Mandate gewann und 2014 in die Landesparlamente von Sachsen, Brandenburg und Thüringen sowie 2015 in die von Hamburg und Bremen einzog.
Die AfD wurde zu lange ignoriert
Viele Politiker in Deutschland haben den Rechtskonservativen lange Zeit keine Bedeutung oder gar politische Gestaltungskraft eingeräumt, von einem Übergangsphänomen war die Rede, von „Abschaum“, „Dumpfbacken“, „Pack“, „Arschlöchern“ und verwirrten Geistern, denen es an kritischer Urteilskraft mangelt, und die schon wieder auf Spur kommen werden. Leider hat sich diese Verdrängungsstrategie, das Wegschweigen, als ein Fehler erwiesen. Viele kritische Journalisten waren bereits 2015 weitsichtiger und sagten einen Rechtsruck in der Bundesrepublik voraus, die sich proportional zum hadernden Abwägen bei der Flüchtlingskrise, der Entscheidungslosigkeit der Bundesregierung, beschleunigt. Alexander Gauland gar hatte die Flüchtlingskrise als „Geschenk“ für seine Partei bezeichnet. Ohne Asylanten und Flüchtlinge, ohne Syrer, Iraker, Algerier und Afghanen könnte die AfD in der Tat einpacken.
Der Populismus der großen Parteien
Dennoch: Derzeit stehen die Chancen für die AfD bei den anstehenden Landtagswahlen in die Parlamente zu kommen, gut, sehr gut. Mittlerweile hat die AfD im Kampf um die Macht alle übrigen Parteien auf ihr semantisches Spielfeld gezwungen, die ihrerseits auf die von der Partei parolenhaft ausgegebenen Schablonen mit gleichfalls schablonenhaften Platitüden reagieren. Einer wieder – wie ein Phönix – aus der Asche tretenden AfD gießt nicht nur die CSU mit einem geplanten Brandbrief an die Kanzlerin Öl aufs Feuer, sondern auch die Linke um Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine schenken sich nichts, wenn es darum geht, die Populisten am rechten Rand der Gesellschaft stark zu machen. Wenn der bayerische Finanzminister Markus Söder poltert, dass sich „deutsche Frauen wieder sicher“ fühlen müssen, regt das nicht einmal mehr Linke-Politikerin Katja Kipping auf. Die Strategie, die potentiellen AfD-Wähler durch populistische Äußerungen zurückzuholen, wie es CSU-Chef Horst Seehofer gerade praktiziert, hat schon in Frankreich nicht funktioniert. Nicolas Sarkozy hatte dort versucht, den Immigrationskurs zu verschärfen, was dabei herauskam, war eine Stärkung des Front National.
Mehrheit der Deutschen lehnt AfD-Ausschluss bei Fernsehduellen ab
Der Tonfall in Deutschland verschärft sich, der Drift nach rechts ist nicht nur bei Union, SPD und Grünen zu verzeichnen, sie alle machen mit ihren Äußerungen einen Rechtspopulismus hoffähig und stärken damit das Original. Umgekehrt ist das Totschweigen der AfD, ihr Verdrängen aus dem politischen Diskurs, auch nicht die Lösung des Problems. Laut „Sonntagstrend“ findet es die Mehrheit der Deutschen falsch, die AfD bei den Fernsehduellen nicht zuzulassen. 53 Prozent der Befragten sind dafür, 34 Prozent dagegen. Die Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und der Landeschef von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann (Grüne) hatten erklärt, sich nicht mit der AfD an einem Tisch zu setzen. Der Ausschluss der AfD bei TV-Duellen vor den Landtagswahlen am 13. März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt hat so letztendlich der AfD indirekt Auftrieb gegeben. Sie kann sich nun als „Opfer einer ganz großen Koalition von Altparteien und Medien“, positionieren und präsentieren, wie der Mainzer Politologe Kai Arzheimer unterstreicht. „Damit erreicht die AfD vermutlich mehr und positivere Aufmerksamkeit, als sie durch die Teilnahme an der Elefantenrunde erreicht hätte.“
Wie gefährlich ist die AfD?
Das Gefährliche an der AfD ist, dass die im Moment gute Bedingungen für die Verbreitung ihrer Botschaften findet. Bereits in ihrem „Thesenpapier Asyl“ 2015 formulierte und forderte sie vieles von dem, was derzeit Gestaltungsgegenstand der etablierten Parteien bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise ist: Grenzschließung, Beschleunigung von Verfahren, tägliche Ausweisungen, Residenzpflicht, Begrenzung des Nachzuges von Familienangehörigen, Einschränkung von Geldleistungen.
Nach Außen, so scheint es, ist die AfD eine Alternative, der es ganz geschickt gelingt, die These zu verbreiten, dass sich die großen Parteien hierzulande mehr um Flüchtlinge und Migranten kümmern als um die eigene Bevölkerung, um die einfachen Menschen, die sich von der großen Politik enttäuscht fühlen. Das Perfide an dieser Taktung ist nicht neu. So mobilisierte schon Adolf Hitler Millionen von Menschen, die sich nach der Deutschen Wirtschaftskrise in Not, persönlichem Elend, mit Ressentiments aufgeladen, fanden, um diese in sein uniformes Weltbild einzukleiden. Sie von dort abzuholen, war ein Leichtes gewesen. Diese Ängste und Ressentiments schürte auch die Stellvertretende Bundessprecherin der AfD, Beatrix von Storch, bei „Anne Will“, wenn sie Deutschland als „Bananenrepublik“ bezeichnete, dass Gerücht streute, dass Deutschland bald führerlos sei, weil die Kanzlerin nach Chile oder Südamerika gehe. Geschickt inszeniert auch Storchs neue Panikmache, dass noch acht bis zehn Millionen Syrer auf der Flucht seien.
Die Politik ist mehr denn je gefordert
Gefordert ist nun die Große Koalition, die Politiker aller Parteien, die ihre Denk- und Argumentationsmuster im Sinne der Demokratie verstärkt in den Mittelpunkt rücken sollten und nicht populistisch und brachial zurückrülpsen. Es ist dringender denn je geboten, nicht nur endlich außenpolitisch zu agieren, sondern innenpolitisch – ganz scharf im Blick dabei die AfD. Dies um so mehr vor dem Hintergrund der Gefahr eines Rechtsrucks in der Bundesrepublik, denn dieser könnte – wie in vielen Ländern der EU – das Land von innen wie ein Schwamm aufsaugen. Gefordert ist ein starker Rechtsstaat, der gegen alle Delikte scharf vorgeht, der sich aber noch deutlicher gegen demokratiefeindliche Aktionen positionieren muss. Es gilt sich, der AfD argumentativ zu stellen und die völkische Sprache als demokratiezersetzende Propaganda zu entlarven. Dies bedeutet aber auch, jenseits von Ideologie und Opportunität, die derzeitigen Probleme moralisch integer und sachorientiert zu lösen. Um die von Krisen profitierende AfD zu schwächen, erwiese es sich als beste Möglichkeit, die Krisen zu bewältigen. Der Politikwissenschaftler Richard Stöss hat den Erfolg rechtspopulistischer Parteien darauf zurückgeführt, dass ihre Popularität darin besteht, „eine gesellschaftlich relevante Konfliktposition“ zu vertreten, durch die sie sich von den etablierten Parteien unterscheidet. Diese „relevante Konfliktposition“ gilt es der AfD aus der Hand zu nehmen.
Zuerst erschienen im „The European“ www.theeuropean.de
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