Äußerst telegener Wanderer durchs Watt – Susanne Gaschke porträtiert einen ungewöhnlichen Berufspolitiker

robert habeck politiker mann kaukasisch, Quelle: weldert, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

Wahrscheinlich hätte die bekannte Journalistin Susanne Gaschke („Die Welt“, „Neue Zürcher Zeitung“) lieber eine Biographie des ersten grünen Kanzlerkandidaten oder sogar Kanzlers vorgelegt. Das hätte den Verkauf ihres schmalen und sehr gut lesbaren Buches noch einmal gesteigert. Doch Robert Habeck ist „nur“ Minister für Wirtschaft und Klimaschutz geworden. Trotzdem lohnt sich die Lektüre, denn der Porträtierte hat einen ungewöhnlichen Lebensweg – zumindest für einen Berufspolitiker. 

Das Faszniosum Habeck bringt die Autorin, die selbst für kurze Zeit SPD-Oberbürgermeisterin von Kiel war, mit folgenden Worten auf den Punkt: „Habecks Reden sind, vielleicht schon wegen der Länge seiner Sätze, auch nicht unbedingt Rockkonzerte, sondern eher Singer/Songwriter-Auftritte – aber er hat Groupies und Fans wie ein Rockstar.“ Man tritt wohl keinem anderen Mitglied der Regierung Scholz auf die Füße, wenn man feststellt, dass dies ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal sein dürfte.

Einige Politiker haben ihr Leben lang nichts anderes gemacht als Politik. Hier ist der smarte Norddeutsche anders. Er hat studiert (sogar mit Abschluss und anschließender Promotion), schon früh eine recht große Familie gegründet, ein Haus gekauft und mit seiner Frau eine gemeinsame schriftstellerische Karriere aufgebaut. Sein Einstieg in die Politik erfolgte erst relativ spät. Dafür verlief sein Aufstieg bei den Grünen umso rasanter.

Habeck sieht gut aus, hat einen Schlag bei vielen Frauen, redet anders als ein „typischer“ Politiker (manche kleben an seinen Lippen, andere nervt sein leicht vernuscheltes Philosophieren) und kommt zumindest optisch nicht wie ein verkniffener Verbotspolitiker rüber. Hilfreich bei seinem medialen Siegeszug ist sicher die Popularität der grünen Weltanschauung über die Parteigrenzen hinweg – „nicht zuletzt dank der Hilfe von Journalisten, die ungewöhnlich oft mit grünen Politikansätzen sympathisieren“, wie Gaschke schreibt.

Die Biographin nähert sich ihrem Objekt durchaus mit Sympathie, aber nicht unkritisch. Der gebürtige Lübecker, der heute in einem großen Haus in feinster Lage in Flensburg wohnt und wie kein zweiter telegen durchs Watt wandern kann,  ist aber vielleicht nicht so harmlos, wie er ausschaut. Sowohl das grüne Grundsatzprogramm als auch die jüngeren Schriften Habecks, so die Autorin, geben „auch eine argumentative Grundlage für eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft her.“

Der Quereinsteiger Robert Habeck ist erkennbar anders als andere Berufspolitiker. Wer weiß, vielleicht startet er in Berlin durch. Oder es zieht in wieder zurück in die schleswig-holsteinische Landespolitik, als eine Art smarter Winfried Kretschmann des Nordens. Das letzte Wort über ihn ist sicher noch nicht gesprochen. Gaschkes politische Biographie ist jedenfalls der perfekte Einstieg, um sich über eines der größten politischen Talente der aktuellen Politik in Deutschland zu informieren.

Susanne Gaschke: Robert Habeck. Eine politische Biographie. Wilhelm Heyne Verlag: München 2021. 16 Euro. ISBN 978-3-453-21806-2.

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Über Ansgar Lange 22 Artikel
Ansgar Lange wurde 1971 in Arnsberg / Westfalen geboren. Er studierte Politische Wissenschaft, Geschichte und Germanistik in Bonn und schrieb seine Magisterarbeit über "Christa Wolf und die DDR" bei Professor Hans-Peter Schwarz. Während seines Studiums war er freier Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Schloss Eichholz . Anschließend arbeitete er in einer Bonner Kommunkationsagentur und journalistisch (u. a. Deutschlandfunk, Die Furche, Die Tagespost, Die Politische Meinung, Die Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte). Seit 2009 ist er als Geschäftsführer einer Ratsfraktion in Remscheid tätig.