Für Prognostik in der Tagespolitik bedarf es keiner besonderen Begabung

Protestantische Betrachtungen zur Fastenzeit

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Superbia (Hochmut) steht im aquinischen Sündenkatalog ganz oben. Seine protestantisch hochmütige Unbescheidenheit gründet laut Herbert Ammon in einer gewissen Begabung zu Prophetie in politicis, wozu namentlich in Fragen der deutschen Tagespolitik ja nicht viel gehört. Er erinnert in seiner Kolumne  jedoch auch an gewisse Vorhersagen, so an eine aus  der Anfangsphase des – womöglich vermeidbaren – Ukrainekriegs.

I.

In der  „Tagesschau“ – warum schaut man sich die selektive Aufbereitung des Weltgeschehens  überhaupt noch an ? – wurden die postchristlichen Zuschauer (in zuweilen semantisch sogar zutreffendem partizipialen PC speak „die Zuschauenden“)  über die christlichen Varianten des Fastens informiert: Bei den Katholiken, bekannt für ihre Liebe zu Starkbier ab Aschermittwoch,  geht es vielleicht immer noch um den Verzicht auf Fleisch (dank Massentierhaltung heutzutage billiger als Fisch), vor allem aber um „Misereor“-Spenden für die Abermillionen von Notleidenden in aller Welt. Bei den ehedem für asketische Lebensführung bekannten  Protestanten,  die den Mehrwert des Fastens gemäß Kirchenkalender für den Seelenhaushalt vor ein paar Dekaden wiederentdeckt haben, geht es um Selbstdisziplinierung durch temporären Alkoholverzicht, um gemäßigte Nutzung des Automobils  („Autofasten“) zugunsten der Klimarettung und ähnliches. Tägliches Fasten, genauer: totaler Verzicht auf Speis und Trank von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, d.h. Annäherungen an die Riten des von Kirchenfürsten, von diversen Oberbürgermeistern, nicht zuletzt von dem habituell protestantischen Bundespräsidenten Steinmeier – im Sinne interreligiösen  Dialogs und zivilreligiöser Vielfalt  stehen bislang noch nicht im progressiv-protestantischen Programm.

Im Katholizismus,  wie er heute nur noch von als „Tradis“  bekannten vorkonziliaren Traditionalisten praktiziert wird, gilt das Fasten als Methode der Sündenabwehr. Als lutherisch sozialisierter Protestant kenne ich das Diktum des Reformators „Pecca fortiter“, fühle mich also von allzu drückender Sündenlast nicht betroffen. Ich bekenne mich dennoch – in heuchlerischer Bescheidenheit –  zu der im Katalog der Todsünden ganz oben stehenden superbia, im Deutschen bekannt als Hochmut.

II.

Die hochmütige Unbescheidenheit gründet in einer gewissen Begabung zu Prophetie in politicis, wozu namentlich in Fragen der deutschen Tagespolitik ja nicht viel gehört. Ich darf jedoch auch an andere Vorhersagen erinnern, so an eine aus  der Anfangsphase des – womöglich vermeidbaren – Ukrainekriegs. Ich schrieb am 31. Mai 2022 auf Globkult: „Für die Ukraine bedeutete selbst ein beide Seiten erschöpfendes Patt eine Niederlage. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach wird Putin die von ihm okkupierten Gebiete in der Ostukraine, die breite Landbrücke von Noworossija zur Krim, am Ende dieses Krieges nicht mehr herausgeben.“ (https://www.globkult.de/politik/europa/2207-moralpolitik-vs-realpolitik-anmerkungen-in-zeiten-des-krieges).

Am 3. Februar 2023 stellte ich bezüglich des weiteren Kriegsverlaufs folgende Alternativen vor Augen:  „a) der ›totale‹ Sieg der einen oder anderen Seite
b) beidseitige Erschöpfung, die am Ende zu einem wie immer gearteten Kompromissfrieden nötigt
c) ein Regimewechsel in Moskau oder Kiew, der den Weg zu Verhandlungen eröffnet
d) ein nachlassendes Interesse der USA, ein ›Einschlafen‹ des Krieges auf dem Gebiet der Ukraine sowie ein Erstarren der Fronten im Donbas.“ (https://www.globkult.de/geschichte/zeitgeschichte/2273-die-ukraine-und-die-aktualitaet-des-peloponnesischen-krieges)

Wie die Dinge seit Trumps zweiter US-Präsidentschaft aussehen, zeichnet sich für eine denkbare – und wünschbare – Beendigung  eine modifizierte Kombination der Alternativen b) und d) ab, ergänzt durch c), d.h.  eine Ablösung Selenskyis als Präsident in Kiew.

Ich könnte meinen Prognosen in Fragen der großen Politik noch meine – unlängst auf Facebook veröffentlichte – Warnung vor naiven Hoffnungen auf eine friedvolle Entwicklung in Syrien nach der von Erdogan beförderten Machtübernahme der sunnitischen Dschihadisten in Damaskus hinzufügen. Dass derzeit erneut  Massaker – diesmal an Alawiten und Christen, womöglich auch an Drusen – stattfinden, liegt in der Natur der politisch-kulturellen Landschaft des Nahen Ostens. Dass der „arabische Frühling“ eine „westliche“ Wunschvorstellung gewesen ist, dürfte mittlerweile sogar Annalena Baerbock klar sein.

III.

Zur deutschen Tagespolitik:  Mein „prophetischer“ Kommentar zur Spiegelfechterei im Wahlkampf  erschien auf meiner am  10.Januar von TabulaRasaMagazin https://www.tabularasamagazin.de/herbert-ammon-bundestagswahl-2025-keine-partei-hat-eine-antwort-auf-die-grossen-fragen/ übernommenen Globkult-Kolumne htttps://herbert-ammon.blogspot.com/2025/01/fragen-eines-wahlburgers-angesichts-der.htm,   Dass Merzens verhaltener Widerstand gegen den von der unvereinigten Linken – Sozialdemokraten, Grüne, Die Linke und CDUler wie Daniel Günther und Kai Wegner – geforderte Aufhebung der Schuldenbremse  nur bis zum Wahlabend  am 23. Februar anhalten würde, war vorhersehbar.(siehe auch https://www.globkult.de/politik/deutschland/2450-der-schwarz-rote-doppelwumms). Ebenso, dass eine reale Wende in der Migrationspolitik auch  unter Merz als Bundeskanzler nicht zu erwarten ist.

Seit den Sondierungen, sprich: Präliminarien eines voluminösen Koalitionsvertrags mit der SPD, ist sein Fünf-Punkte-Plan zur Eindämmung der Migration Makulatur, nicht anders als der – vermeintlich  als Stachel ins Fleisch des grünlinken Establishments produzierte – ellenlange Fragenkatalog bezüglich der staatlich finanzierten NGOs. P.S.  NGO = contradictio in adiecto.

Quelle: Globkult

Über Herbert Ammon 109 Artikel
Herbert Ammon (Studienrat a.D.) ist Historiker und Publizist. Bis 2003 lehrte er Geschichte und Soziologie am Studienkolleg für ausländische Studierende der FU Berlin. Seine Publikationen erscheinen hauptsächlich auf GlobKult (dort auch sein Blog https://herbert-ammon.blogspot.com/), auf Die Achse des Guten sowie Tichys Einblick.