Der scheidende US-Präsident Joe Biden ist ein entschiedener Gegner der Todesstrafe. Nun hat er mehrere Todesurteile für verurteilte Mörder in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Er setzt damit ein Zeichen gegen das Vorgehen seines Nachfolgers Trump, der Hinrichtungen entschieden befürwortet. Von Helmut Ortner.
Es ist eine seiner letzten Amtshandlungen: Joe Biden hat die Todesurteile Dutzender Personen in lebenslange Haftstrafen ohne Bewährung außer Kraft gesetzt und die Urteile in lebenslange Haftstrafen ohne Bewährung umgewandelt. Das Weiße Haus veröffentlichte die Namen der 37 Betroffenen, über die sich Biden als erklärter Gegner der Todesstrafe wie folgt äußerte: „Täuschen Sie sich nicht: Ich verurteile diese Mörder, trauere um die Opfer ihrer verabscheuungswürdigen Taten und leide mit all den Familien, die einen unvorstellbaren und endgültigen Verlust erlitten haben.” Dass er sich trotzdem so entschieden habe, begründete der 82 Jahre alte Demokrat mit seinem Gewissen sowie seinen Erfahrungen als Anwalt und Politiker. Damit entkommen bis auf drei alle auf Bundesebene zum Tod verurteilten Häftlinge der Hinrichtung, darunter der Attentäter, der beim Marathon in Boston 2013 drei Personen tötete und zweihundertsechzig verletzte, sowie jener Terrorist, der 2018 in einer Synagoge in Pittsburgh elf Personen umbrachte, und ebenfalls der Attentäter, der 2015 neun Personen in einer Kirche in Charleston tötete.
Zuvor hatte Biden bereits die Haftstrafen von fast 1500 Personen auf Bundesebene reduziert – einer Tradition, der viele US-Präsidenten am Ende ihrer Amtszeit folgen. Was die Umwandlung von Todesurteilen in lebenslange Haftstrafen betrifft, ist Joe Biden konsequenter als viele seiner Vorgänger. Bereits 2021 hatte Biden einen Stopp der Hinrichtungen auf Bundesebene verfügt. Es gilt als wahrscheinlich, dass Trump, der am 20. Januar 2025 das Amt übernimmt, dieses Moratorium aufheben wird. Auch deshalb wollte Biden wohl sichergehen, dass die 37 Verurteilten unter Trump nicht mehr hingerichtet werden können.
Joe Biden ist ein entschiedener Gegner der Todesstrafe – im Gegensatz zu Donald Trump, der im Wahlkampf ankündigte, er werde Drogendealer, Menschenhändler und Mörder, die amerikanische Bürger oder Polizisten töteten, hinrichten lassen. Dass er es als ein glühender Verfechter der Todesstrafe damit ernst meint, zeigte er in den letzten Monaten seiner ersten Amtszeit. Trump ließ dreizehn Hinrichtungen auf Bundesebene vollstrecken– so viele wie kein Präsident seit Jahrzehnten.
Abgesehen von der Bundesebene und dem Militär ist die Todesstrafe in den USA lediglich noch in 27 Gliedstaaten erlaubt; selbst dort wird sie jedoch de facto nicht mehr überall vollstreckt. Wiederholt kam es in den letzten Jahren zu aufsehenerregenden Revisionen von Todesurteilen, oft aufgrund von DNA-Analysen, die früher noch nicht zur Verfügung standen. Rund die Hälfte der Amerikaner befürwortet die Todesstrafe, die Zahl nimmt jedoch kontinuierlich ab. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass die oft behauptete Abschreckung nicht funktioniert. Der Rückgang der Hinrichtungen hat auch mit Lieferproblemen bei den tödlichen Giften zu tun. Viele Pharmafirmen weigern sich aus ethischen Gründen, die nötigen Stoffe für die verabreichten Spritzen zu liefern. Ende 2020 erweiterte Trump deshalb die zugelassenen Hinrichtungsmethoden auf Bundesebene und ließ auch Erschießungen, den Einsatz von tödlichem Gas und den elektrischen Stuhl zu. Menschenrechtsorganisationen und Todesstrafen-Gegner befürchten nun wieder ansteigende Hinrichtungen.
Lese-Hinweis:
Helmut Ortner
OHNE GNADE –
Ohne Gnade – Eine Geschichte der Todesstrafe
Nomen Verlag
230 Seiten, 22 Euro