Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Führungsriege regiert die politische Blindheit

SPD-Wahlkampf, Foto: SGL

Der dänische Dichter Hans Christian Andersen (1805-1875) erzählt in seinem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ (1837) von zwei Schneidern, die am Hof des Kaisers auftauchen und dort versprechen, die schönsten Kleider zu nähen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Als nach Wochen der Vorbereitung die Anprobe ansteht, zeigt sich der Kaiser dem Volk, das ihm begeistert zujubelt. Nur ein kleines Kind erkennt die Situation und ruft: „Der Kaiser ist ja nackt!“

So ähnlich kommt mir die Situation unseres politisch dahinsiechenden Bundeskanzlers Olaf Scholz vor, der seine Ampelkoalition nach drei Jahren an die Wand gefahren hat und immer noch meint, auf der Siegerstraße in eine lichte Zukunft zu marschieren. Dass die SPD in den Umfragen bei 14 bis 16 Prozent liegt, wischt er mit einer Handbewegung vom Tisch. Er meint noch immer, das Volk liebe ihn trotz aller Misserfolge und werde ihn zu einem überwältigenden Wahlerfolg führen. Zur politischen Blindheit, von der die SPD-Führungsriege Olaf Scholz, Lars Klingbeil und Rolf Mützenich befallen sind, gehört auch die Ausrichtung einer „Wahlsiegkonferenz“ am 30.November im Berliner Willy-Brandt-Haus, wo der Sieg in der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 gefeiert wurde, die noch nicht einmal stattgefunden hat. In der SPD-Führung nach 1945 gab es zwei große Männer: Willy Brandt und Helmut Schmidt. Denen konnte man vertrauen, die hat man bewundert! Über Olaf Scholz kann man nur noch lachen!

Die Wirklichkeit sieht so aus: Die SPD kann sich glücklich schätzen, wenn sie in einer Großen Koalition mit der CDU/CSU noch den Juniorpartner geben kann. Dabei aber muss sie sich den Bedingungen von Friedrich Merz stellen, und die lauten: Keine Koalition mit der alten SPD-Führungsgarnitur. Keiner der jetzigen SPD-Minister wird in de neue Koalition übernommen werden, außer Verteidigungsminister Boris Pistorius. Der hat sich eingearbeitet in sein Amt und wird es weiterführen. In der SPD-Führung werden nach dem 23. Februar 2025 Leute aus der zweiten und dritten Reihe den Ton angeben, die aus der bisher ersten Reihe werden aufs Altenteil geschickt. Mit Verlierern paktiert man nicht!

Leserbrief zu: „Scholz zeigt, wie er die Wahl gewinnen will“, in NEUE PRESSE vom 2. Dezember 2024

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Dr. Jörg Bernhard Bilke, geboren 1937, studierte u.a. Klassische Philologie, Gemanistik und Geschichte in Berlin und wurde über das Frühwerk von Anna Seghers promoviert. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung "Die Welt" und später Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in der Stiftung ostdeutscher Kulturrat.