Eine Gruppe mittelalter netter Frauen, sichtlich vom Land, betritt das Museum Fünf Kontinente in der Münchner Maximilianstraße. Nach kurzer Instruktion durch eine Museumsführerin geht es die Treppe hoch. Der mit Zögern betretene weite Raum im Obergeschoss scheint die Damen zu befremden. Sie brauchen aber nicht lange, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Kein Wort, nicht einmal ein geflüstertes, ist zu hören. Die Museumsführerin, die den Blick ihrer Gruppe auf die vielen fernöstlichen Schönheiten ringsum richten lässt, spricht leise. Sie wiederholt für eine Dame, was sie zu einem der ausgestellten alten chinesischen Hinterglasbilder, auf denen überaus schöne Chinesinnen in leuchtenden Farben gemalt sind, gesagt hatte.
Verharrt wird jetzt vor einer Mutter mit ihrem kleinen Sohn. Der möchte den Knoten ihres Halstuches lösen. Seine beiden steif in die Höhe gestreckten Zöpfe des mädchenhaft zarten Buben mit rosigen Wangen fallen auf. Sie erheitern die kleine Runde. Neugier erweckt der Blumenschmuck auf dem Kopf der offensichtlich sehr jungen, überaus schönen Mutter. Die Damen erfahren, dass es sich um eine mandschurische Frisur handelt, bei der das um Kämme und Leisten gewickelt wird, bis es Kasten-Form erhält. Um sie zu verdecken, würde sie mit bunten Blumen verdeckt. „Mit echten?“, will eine der Damen wissen. „Das weiß man nicht genau“, erhält sie zur Antwort, „es dürften Kunstblumen sein“.
Vor einem kräftig gerahmten Hinterglasbild finden sich zwei Damen aus der Gruppe nach dem Rundgang mit der Museumsführerin noch einmal ein. Die eine hat sich inzwischen den zur Ansicht aufliegenden Katalog geschnappt und fand nach längerem Blättern das Bild, das es ihr angetan hat. Ein paar Zeilen liest sie ihrer Begleiterin vor: „Das verspiegelte Bild einer liegenden Dame, die eine Katze liebkost. Sie weicht lächelnd nur knapp dem Betrachter aus. Die oben geöffnete Jacke und der sichtbare kleine Schuh erhöhen die erotische Wirkung dieses Bildes …“ Ihre Zuhörerin schmunzelt. Sie wolle lieber mehr zu der grau milierten Katze wissen, denn so eine wünscht sie sich schon lange. Auf die kostbar-teuren Gewänder wollte sie nicht eingehen. „Das sind doch lauter Frauen aus bestem Hause!“
Die Ausstellung „Betörend schön“ wurde durch die, wie der Museumschef im Katalog urteilt, „großzügige Leihgabe von 70 Bildern aus der Sammlung Mei-Lin, die zu den großen und international bekannten Sammlungen chinesischer Hinterglaskunst gehört, ermöglicht. Rupprecht Mayer und seine Frau Haitang Mayer-Liem erwarben die Hinterglasbilder in den 1990er Jahren im Antiquitätenhandel und auf Flohmärkten in Peking (Beijing) und anderen nordchinesischen Städten.“ Den Berliner Sinologen und Kunsthistoriker Klaas Ruitenbeek regt die Mei-Lin-Sammlung an, auf den Gegensatz zwischen idealisierter Schönheit und manchmal erschütternder Realität einzugehen.
Bis 19. Januar täglich außer Montag von 10 bis 18 Uhr. Für eine Gruppen-Führung ist telefonische Anmeldung erforderlich: 089 210 136 – 0.