Eine Reise quer durch Russland, Erlebnisse und Gespräche, Teil 2

Bildquelle: Michael Gallmeister

Wladiwostock, Irkutsk, Sovietsk

Im Teil 1 habe ich meine Reise nach Kamtschatka geschildert, die Exkursionen welche ich dort gemacht habe finden Sie detailliert unter:

https://www.tabularasamagazin.de/eine-reise-quer-durch-russland-erlebnisse-und-gespraeche-teil-1-michael-gallmeister/

Wladiwostock

Von Petropawlowsk gehts mit dem Flugzeug der Firma Aurora über den Pazifik nach Wladiwostock.

Dort nimmt mich ein deutscher Aussiedler (vermutlich der einzige in Wladiwostock) in Empfang, bei welchem ich auch eine Nacht übernachten werde. Er wird mit mir eine Blitzführung mit dem Auto durch die Stadt machen, da am nächsten Tag nachmittags schon mein Zug nach Irkutsk fahren wird.

Die Geschichte Wladiwostocks beginnt eigentlich mit chinesisch – mandschurischen Fischern, welche 1852 von einem französichen Walfischjäger in der Bucht wahrgenommen wurden, welche auch einige Hütten am Strand gebaut hatten der Ort trug den Namen Haishen wei. Aber schon 1860 durch die Pekinger Konvention (im Zusammenhang mit den Niederlagen Chinas im Opiumkrieg, woran sich allerdings Russland nicht kriegführend beteiligte) wird vertraglich der ganze Ferne Osten Russland zugesprochen, obwohl im Vertrag von Nertschinsk 1689 das gesamte Gebiet nordöstlich des Amurs den Chinesen überlassen wurde. 1862 wurde in Wladiwostok ein Hafen gebaut danach Stück um Stück ein grosse Festungswerk darum angelegt und 1880 bekam Wladiwostock die Stadtrechte.

Aus einem alten deutschen Buch, Unter der Kriegsflagge des Deutschen Reichs.,Bilder und Skizzen von der Weltreise S.M.S. Elisabeth 1881-1883 können wir über Wladiwostock folgende Passagen entnehmen:

„Der Seeweg nach Wladiwostok und überhaupt nach der Küstenprovinz ist nur im Sommer möglich, denn der Hafen ist vom November bis März auf Meilen hinaus zugefroren, obgleich es auf der gleichen Breite mit Florenz liegt.

Bildquelle: Michael Gallmeister

Auch eine deutsche Inschrift mag der Wanderer hier im fernen Osten auf einem Kreuz oder Stein lesen, und sprechen kann er jedenfalls Deutsch nach Herzenslust in Wladiwostok. Sehr viele Beamte der russischen Regierung draußen sind Ostseeprovinziale, jedenfalls nicht zum Schaden der Verwaltung, und sie haben ihr Deutsch noch nicht vergessen, dass sie sogar so reinsprechen, die ehemaligen Dorpater Studenten, dass sie das verwöhnteste Ohr nicht zu fürchten brauchen. Die großen Geschäfte sind durchweg in Händen deutscher Kaufleute. Auch drüben jenseits des Lagers, hübsch unter schattigen Bäumen am Strande der Bucht gebaut, gibt’s sogar eine deutsche Brauerei. Der Weltberuf des Germanen liegt nun einmal zweifellos im Bier, und durch den Gerstensaft treibt er in seiner Weise Kolonisation und verbreitet er deutsche Art, doch aber ewig schade, das er es noch nicht weiter gebracht hat. Was könnten deutsche Frauen und deutsche Treue, unterstützt von kräftigen deutschen Männer Fäusten draußen in der Welt buttern, pflügen und brechen, wo so viele Millionen des besten Weide- und Ackerlandes brach liegen? Der Deutsche hat bei der Verteilung der Erde offenbar mit Glück die Rolle des Dichters und Denkers gespielt, und nun fängt der Himmel, indem er bisher mit seinen Ketnern und Büttnern, Zucht- und anderen Häuslern gelebt hat, doch an, ihm etwas enge zu werden, und will er hinaus, da muss er sich bescheiden bei anderen Leuten zu Gast bitten, und gibt’s mal Krieg oder andere Unannehmlichkeiten, sich von ihnen möglicherweise vor die Tür setzen lassen.


All dies mehr oder minder nutzbare Getier ist in den letzten Jahren, Wladiwostok ist erst 12 Jahre alt, durch rücksichtsloses Niederschlagen des Waldes zu Bau- und Brennzwecken weiter ins Land hineingetrieben worden. Jetzt kostet ein Klafter Holz schon 14 Mark, weil es von weit hergeholt werden muss auf ungebahnten Pfaden. Noch sind die bergigen Ufer des Hafens wenigstens grün, und der Blick von den Höhen war am letzten Tage unseres Dortseins gar prächtig. In dem wunderschönen Hafenbecken war ein wahrer Mastenwald aufgebaut, ein englisches Geschwader von 8 Schiffen war hinzugekommen und in langgestreckter, doppelter Linie vor Anker gegangen, von deutschen Schiffen liessen SMS Stosch und Elisabeth die Flagge wehen, eine französische Corvette kam noch dazu, verschiedene russische Schiffe fanden wir schon vor, und noch hätten ganze Kriegsflotten dort liegen können und doch ist es trotz der Millionen, die schon in die Station gesteckt sind, nicht unmöglich, dass eines Tages dekretiert wird, Wladiwostock hat aufgehört zu existieren, wenn es Russland glückt ein in Aussicht genommenen koreanischen Hafen zu erwerben, der den unschätzbaren Vorzug hat eisfrei zu sein, dann würde wohl von den Positionsgeschützen bis zu den kleinsten Schraubenzieher der Werft alles dorthin geschafft werden und vermutlich würde dann alles mitziehen, was dort von der Station seinen Lebensunterhalt und sein Verdienst zieht.

Bei letzterer Prognose hat man sich wohl geirrt.

1890 – 1891 unternahm Nikolaus II. als Zarewitsch eine Reise nach Wladiwostock, er war übrigens der einzige Zar welcher diese Stadt jemals besucht hatte. Der Regierunssitz diente ihm damals als Palast.

Zu selben Zeit wurde auch das Projekt der transsibirischen Eisenbahn ins Leben gerufen. Bei der Grundsteinlegung für den Bahnhof war der Zarewitsch persönlich anwesend.

Die Restaurierung des Bahnhofs wurde von 1994 bis 1996 von einer italienischen Firma durchgeführt, da das ursprüngliche Erscheinungsbild durch die Sowjetzeit stark verändert wurde, jetzt repräsentiert es wieder halbwegs den Zustand aus der Zarenzeit.

Sehenswert und etwas kurios ist das 1884 errichtete Kaufhaus von Kunst und Albers. Alle Baumaterialien bis auf die Ziegelsteine waren aus Hamburg per Schiff herangeschafft worden. Das Kaufhaus verfügte über 18 Verkaufsabteilungen.

Unten am Hafen befindet sich das Hauptquartier der russischen Pazifikflotte, es wird 24 Stunden überwacht und beschützt von zwei modernen Kriegsschiffen.

Mit einer Russin komme ich ins Gespräch, sie kann ganz gut Englisch sie, erzählte mir von ihrem Leben nach dem Zerfall der Sowjetunion…
Sie hat Waren aus China gekauft und in Moskau und bei Wladiwostok dann gewinnbringend verkauft.
Die Grenze nach China war damals eine Katastrophe, wenn man nicht sofort nach Aufruf der chinesischen Zöllner an der Bude war prügelten die daneben stehenden Polizisten auf einen ein. Die russischen Zöllner wiederum suchten sich aus den eingekauften Gegenständen immer etwas für sich aus.
In Moskau wurde sie ausgeraubt. Ein Versuch mit einem Tschetschenen im fernen Osten ein Möbelgeschäft aufzubauen, durch ihre guten Kontakte nach Moskau, endete nach erfolgreichem Aufbau damit, das sie kein Geld sah und ausgebootet wurde. Sie sagte, Männer wollten immer nur ihr Geld, alles andere war Lüge. Sie hat keine Kinder und möchte auch keine in diese immer schwieriger werdende Welt setzen.

Die neuen Brückenkonstruktionen waren nicht wirklich nötig, dienten aber dem Prestige und der Vergrösserung der Stadt, zudem auf der Ruski Insel neben dem neuen Universitätsgelände auch eine grosse Konferenzanlage aufgebaut wurde für die BRICs Gipfel und andere Wirtschaftsforen im Fernen Osten. Die Russki Brücke hat mit 1104 m die größte Stützweite aller Brücken auf der Erde.

Die Zugfahrt nach Irkutsk

Gut 4000 km liegen vor mir, dazu bedarf es etwas mehr als drei Tage. Mein Proviant, den ich vorsorglich eingekauft habe:
Ein Laib Brot
Ein Stück Käse
2 Tomaten 2 Zitronen Eine Flasche Kefir
Eine Schale Erdbeeren
3 Nektarinen
5 Mandarinen
Einen halben Wildlachs, stark gesalzen
2 Flaschen Tonic zurechtgemixt mit einer Flasche Gin

Hier die Streckenführung, die Fahrkarte kostete ca. 80 EUR für Platzkarte (Sitz zum umklappen als Bett im Gemeinschaftswaggon). Der Service im Zug von Wladiwostok nach Irkutsk entspricht dem Preis-Leistungsverhältnis es gibt noch nichtmals ein Bistro oder Restaurant.

Die Ausfahrt aus Wladiwostock hier auf einem youtube Video zu sehen:

https://youtu.be/ZomhHe-SThc

Zuerst einmal gehts eine ganze Weile an der Pazifikküste entlang.

https://youtu.be/r2Qn_js76Y4

Dann gehts in weite oft unberührte grüne Landschaft. Nun beginnt ein wenig Landwirtschaft, welche sich in amerikanische Verhältnise grossflächig auszubreitet.

Es geht an kleinen Bahnhöfen vorbei, der Zug hält nur an grösseren Ortschaften, manchmal nur ganz kurz.Zwischendurch gibt einen kleinen Halt, Zigarettenpause.

Aber die Ueberheizung in den Zügen, Sauna, bis zu 27 Grad… nachts.

Im Zug sieht man, wenn das Internet nicht da ist, bleibt den Menschen nur noch Schlafen, Essen, Trinken, selbst Gespräche finden kaum statt, wie erbärmlich!
Mit der modernen Zivilisation und ihren abhängig gemachten technologischen Kommunikationsmitteln zurück in die emotionale und soziale Steinzeit.

Ersichtlich wird viel gebaut und erneuert. In Kamtschatka und selbst noch im Wladiwostok war alles grün, jetzt im mittleren Teil Sibirien sieht es aus wie in einer braunen dürren Steppe.
Und dort wird auch kaum nochLandwirtschaft im großen Stil betrieben.

Kleine Siedlungen in der Nähe vom Schienenstrang.
Egal was passiert in Russland, insbesondere im südlichen und mittleren Sibirien können sich viele Menschen zurückziehen und überleben. Es dürfte die einzige freie Großfläche auf der Erde sein welche zunehmend besiedelbarer wird. Man fährt Tage durch Wälder über Flüsse und an Seen vorbei selten nur sieht man ein wenig menschliches Leben.

Wenn sich die Menschheit weiter vermehren wird, dann bleibt der Weg nur nach Sibirien (Buch aus den 20 er Jahren Sibirien, das Land der Zukunft), um noch Ansiedlungsflächen zu finden, – möglicherweise geht es jetzt im Ukraine Krieg um solche Fragen langfristig. Zersplitterung Russlands d. h. freien Zugang nach Sibirien, und da werden die Chinesen an erster Stelle sein und schon mit den Füssen scharren.

Und weiter geht die Reise zur nächsten Station, nachts wieder einmal Halt für ca. 1 Stunde, also etwas Freigang und eine Kneipe gefunden die noch geöffnet war, dort mit zwei Goldschürfern ein paar Bier geleert. Die Weiten durchziehen bis an den Rand des Kontinents und doch bleibt das menschliche Gefüge weitgehend dasselbe. Nur die Landschaft wird in den Tiefen Russlands leerer als bekannt. Unwillkürlich fällt mir Tschingis Aitmatov ein, sein Buch, Ein Tag länger als ein Leben, „Die Züge in jener Gegend fuhren von Ost nach West und von West nach Ost. Zu beiden Seiten der Eisenbahn aber erstrecken sich in dieser Gegend große öde Landstriche Sary Ösek, das Zentralgebiet der gelben Steppe. In dieser Gegend bestimmte man alle Entfernungen nach der Eisenbahn, wie nach dem Greenwicher Null Meridian. Die Züge aber fuhren von Ost nach West und von West nach Ost.“

Der Kopf wird irgendwann leer, versinkt in der Betrachtung der vorüberziehenden Landschaft. Sie gibt keine Assoziationen mehr, man taucht ein in die sinnlose Endlosigkeit der Natur.
Eisenbahnstationen liegen teils Stunden voneinander entfernt, kleine Bahnhöfe gibt’s so gut wie gar nicht.
Oft sind es mehr Sümpfe als Seen.
Langsam beginnt der aufkommende Abendnebel die Landschaft zu verschlingen. Irgendwann verschwindet sie in eisiger Dunkelheit und du bist allein in deinem Ich, bis der Schlaf dich in noch fernere Welten treibt.

Folgend ein Video entlang des Shilka ein Zufluss zum Amur:

https://youtu.be/sqo1GHExUOI

Die Region beginnt ein weniger belebter zur werden, wir nähern uns dem Baikalsee, allerdings ist jetzt schon eine deutliche Verspätung zu bemerken.

Ein junger Mann saß im Zug mit frisch genähten Schnittwunden im Gesicht, wir kamen ins Gespräch ich frag ihn woher die hat, er sagte in Ulan Ude wurde er überfallen von Migranten (Usbeken, Islamisten) und ausgeraubt.

Die Geschichte der Transsibirischen Eisenbahn ist umfangreich, hier nur ein paar Anmerkungen.

Sergei Juljewitsch Witte (1849-1915) war einer der führenden und treibenden Kräfte bei der Entwicklung nicht nur der Transsibirischen Eisenbahn, er kam aus einem deutschbaltischen Haushalt, sein Vater hiess Julius Christoph Heinrich Georg Witte. Wieder ein Beispiel für die Bedeutung der deutschstämmigen Techniker, Ingenieure, Geographen, Entdecker, welche einen wesentlichen Anteil zum Aufbau russischer Infrastruktur beitrugen.

Die Streckenführung hat sich heute ein wenig geändert, früher wurden mit einer Eisenbahnfähre die hohen Berge umgangen.

Fahrt entlang des Baikalsees:

https://youtu.be/lS5gYlTPfic

Bildquelle: Michael Gallmeister

Irkutsk

Mit über 5 Stunden Verspätung komme ich schliesslich in Irkutsk an.

Ein kleines Hotel in Irkutsk in der Altstadt hat mir mein Bekannter aus Kirow vermittelt, sauber, mit eigenem Balkon, Toilette und Bad, und Gemeinschaftsküche, die Nacht 30 EUR. Gleich unter dem Hotel eine koreanisches Restaurant etwas gehobener Qualität wo man aber für 5 EUR viele Töpfchen mit Reis, Salat, Gemüse und dünnen gerösteten Scheinescheibchen bekommen kann. 30m neben dem hübsch gestalteten Park. Die Strassenbahn in Irkutsk ist ein wenig veraltet und rumpelig, kostet dafür auch nur eine Strecke 30 Rubel. Interessant ist dass man dort nicht wie üblich beim Einsteigen eine Fahrkarte kauft, sondern erst beim Aussteigen bezahlt.

https://youtu.be/h73si4xKFWA

Nach dem Mittagessen in einem ziemlich leeren aserbaidschanischen Restaurant, welches aber auch Schaschlickkebab vom Lamm hatte machte ich mich auf die Suche eines Deutschen Institutes, welches früher mal eine zweisprachige Zeitung in Irkutsk herausgegeben hatte, welches ich schliesslich auch fand.

Mit der Leiterin des Humboldt-Instituts in Irkutsk ein längeres Gespräch geführt. Sie leitet seit 16 Jahren dieses Institut und hat es auch aufgebaut.
Seit 2022 bekommt sie so gut wie keinen Besuch mehr aus Deutschland und hat somit auch wenig Gelegenheit die deutsche Sprache zu praktizieren. Das Institut unterrichtet im Wesentlichen deutsche Sprache für Menschen von 5 bis 70 Jahren, welche aus unterschiedlichen Interessen heraus Deutsch erlernen wollen. Wissenschaftler, Studenten, und auch Rentner welche deutsche Sprache in der Schule gelernt haben aber so gut wie alles vergessen, und da manche ihrer Enkel mittlerweile in Deutschland leben und arbeiten und Russisch überhaupt nicht mehr können, möchten sie ihr Deutsch etwas auffrischen, damit sie sich mit ihnen unterhalten können. In Irkutsk gab es bis ca 2011 auch eine Deutsch- russischsprachige Zeitung, welche meist von Studenten erstellt wurde, leider gibt es sie jetzt nicht mehr. Viele Deutsche wurden seit Beginn des Zweiten Weltkrieges nach Irkutsk und ins weitere Sibirien deportiert. Es gab auch ein deutsches Dorf am Rande von Irkutsk. Die Menschen welche in Sibirien wohnen, auch die Deutschen, sind aufgrund der Zwangsumsiedlung interessanterweise wenig zu gemeinsamen Aktionen, Plänen, Handlungen bereit, das heisst das Vereinswesen der deutschen untereinander existiert so gut wie nicht im Raum Irkutsk.
Dennoch ist es so das man untereinander sich hilft aber nur dann wenn die Not am grössten ist bei kleineren Problemen sollte jeder selber die Dinge lösen.
Sie hat dasselbe Problem wie die Sprachschule in Petersburg, das heisst in Deutschland werden sie nicht so gerne gesehen und anerkannt da sie als die bösen Russen gelten, und in Russland geht es ihnen nicht anders, da sie dort als Spione oder Agenten von Deutschland betrachtet werden.
Sie steckt in einem gewissen Dilemma, denn einerseits soll sie die deutsche moderne Kultur übermitteln, und andererseits weiss sie das genau z.b. diese LGBT Sache in Russland nicht gerne angenommen wird.
Dennoch geht der Betrieb weiter es ist eine gemeinnützige Organisation welche im Wesentlichen vom Goethe-Institut unterstützt wird, welches sich bisher noch nicht aus Russland gänzlich zurückgezogen hat.
Interessant war noch was sie über die Corona-Zeit berichten konnte, es war nur ein, zwei Monate wo man versucht hat größere Restriktionen in Irkutsk durchzusetzen, aber schon im Mai 2020 wurde wieder ganz normal unterrichtet und es gab so gut wie keine weiteren Beschränkungen. Es reichte auch das ein oder zwei der Lehrer geimpft wurden und man das den Behörden vorgelegt hatte, danach gab es keine weiteren Nachfragen oder Prüfungen. Relativ ähnlich sahen wir diese Corona-Veranstaltung als teils gemacht und teils durch Panik hervorgerufen welche letztlich der wirklichen Begründung entbehrte.

Dann stand der Ausflug zum ca. 50 km entfernten Baikalsee auf dem Programm, mit einem öffentlichen Bus kann man relativ leicht dorthin gelangen. Übrigens eine Yandex App hat mir immer in den Städten sehr geholfen, da sie auch englisch funktioniert. Nach ca. einer Stunde komm ich am Baikalsee an, im Sommer wirds da touristisch ziemlich überlaufen sein, aber jetzt bei Aussentemperaturen von 5 – 7 Grad hatte ich Mühe überhaupt noch ein Boot für eine Exkursion zu finden.

https://youtu.be/UHiheco1BLo

Einen Baikalfisch, Omul, gegessen, schmeckt wie Bachforelle, der war allerdings mit knapp 18 Eur ziemlich teuer, sollte aber frisch und nicht eingefroren sein, wie man mir bei Nachfrage versicherte.

Auch der Buddhismus spielte in der Region eine bedeutende Rolle, er kam im 17 Jahrhundert über Nepal, Mongolei nach Russland und hat sich besonders in Burjatien und Kalmückien bis heute gehalten. Der Busshismus ist bis heute in Russland einer von 4 anerkannten Staatsreligionen.

Wollte in eine Grillbar im 1 Stock gehen, da war die Treppe blockiert durch einen sturztrunkenen Mann der die Treppe heruntergestürzt war, daneben standen zwei Sicherheitsleute völlig unbeeindruckt und sagten mir kein Problem ich solle einfach drüberklettern, nach einer Stunde wo ich wieder runterging, lag er noch immer da…

Bildquelle: Michael Gallmeister

Sovietsk

Nun ging der Weg am nächsten Mittag zum Flugplatz, auch wieder Alt neben Neu, nach Moskau und dann mit nur einer guten Stunde Aufenthalt weiter nach Kaliningrad und von dort mit dem Taxi nach Sovietsk, Tilsit. Man gedenkt auch hier der deutschen Vergangenheit, es sind noch zahlreiche alte Gebäude aus der preussischen Zeit vorhanden einige werden renoviert, es wird auch hier viel gebaut, Tilsit war Grenzstadt zu Russland bis Januar 1945. Allerdings sind auch manche Geschäfte geschlossen, da der Tourismus, besonders aus Deutschland stark rückläufig ist. Auf dem Weg zum Grenzfluss Memel wird man von einer veralteten stehenden Waffenschau flaniert. Aber es gibt auch ein Denkmal für den Tilsiter Frieden, welche keine lange Dauer hatte. 1807 vereinbarte Zar Alexander I. mit Napoleon nach Preussens Niederlage, obwohl er ein Verbündeter Preussens war, einen Friedensvertrag. Allerdings schon 1812 musste sich Russland dem Einmarsch Napoleons erwehren und befand sich somit auch wieder auf Seiten Preussens.

Dann besuche ich das örtliche Museum und muss mit Erstaunen feststellen, das doch einige Beschriftungen und Erläuterungen auch in Deutsch vorzufinden sind, hingegen nicht in Englisch! Die Museumsmitarbeiterin spricht sehr gut Deutsch, hat in Deutschland studiert. Wir sprachen über den Sozialismus, sie meinte dort wäre alles viel schlechter gewesen, so wie ihre Eltern es ihr auch sagten. Ich meinte dass der Lebensstandard mit Sicherheit wesentlich schlechter war im Sozialismus, aber es gab ein gewisses Auffangbecken für die Leute die heute als Penner auf den Straßen schlafen müssen. Da musste sie mir allerdings auch wieder zustimmen.

Das Museum hat schon seit einigen Jahren keinerlei Mittel für den Erwerb von Gegenständen Büchern etc. Der Frieden von Tilsit ist ein bedeutendes Ereignis für eine so kleine Stadt und wird im Museum entsprechend zelebriert.

Allerdings wurde das Denkmal der Königin Luise in den 50er Jahren abgerissen, ich würde sagen aus politischen Gründen da man alles Deutsche einfach mitFaschismus assoziiert hat und ein neues Russland aufbauen wollte. Später wurde auf das Podest eine Statue eines berühmten sowjetischen Sportler gestellt welche allerdings auch bald wieder abgerissen wurde. So ist das mit den Denkmälern, nur wenige überdauern einige Jahrhunderte, schon gar nicht wenn sich Die politischen Verhältnisse und Grenzen ändern.

Sie meinte allerdings mit Recht das früher natürlich die ganzen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland, durch den Adel und die Verwandtschaft untereinander da waren.
Vor lange Zeit die Diskussion auch über die Benennung der Stadt ein Teil der Einwohner war der Meinung man müsste sie wieder als Tilsit benennen und ein anderer Teil der Meinung sie sollte weiterhin Sovietsk heißen.

Die meisten der Ausstellungsgegenstände stammen von Spenden der hiesigen Bevölkerung

In den letzten zwei Jahren sind kaum noch deutsche Touristen nach Sovietsk gekommen, hingegen davor gab es große Mengen von deutschen Touristen die sich die kleine Grenzstadt angeschaut haben und das Museum besuchten. Im Sommer hingegen sind jetzt immer noch viele Touristen da. Das Museum hat im Prinzip Personalmangel, das heisst im Sommer mit dem ganzen Führungen und dem Anfragen wird es ziemlich stressig für die Mitarbeiter der Tourismus.

Das alte Speicherhaus 1928 im Bauhausstil von Architekt Peter Behrens errichtet steht übrigens heute noch, wie ich auf meinem Weg zur Memel feststellen konnte.

Und da schaut man nun über den Fluss Memel und denkt über den Wandel der Geschichte nach. Jetzt schaue ich, obwohl ich nach Osten schaue, wo früher Russland war, auf den Westen, nämlich Litauen als einen Teil Europas. Und von wo ich schaue, dort befand sich einst Deutschland zur Grenze nach Russland. Und jetzt ist es 180 Grad verdreht.

Später noch ein Bier getrunken in einer kleinen Bar gegenüber einer Kaserne. Dort ein junger Russe, der sagte mir er wird bald in die Ukraine geschickt zum kämpfen, er macht die Ausbildung in der Kaserne, muss dort auch wohnen. Ich fragte ihn ob er keine Angst hat, er meinte nein ,er würde ja nicht in der ersten Reihe kämpfen als Artillerist sondern in der zweiten Reihe. Nun ja,russisch Roulette .

Bildquelle: Michael Gallmeister

Am nächsten Morgen noch in einer reichlich gefüllten österreichischen Supermarktkette SPAR einen Kefir gekauft:

An der Grenze durchblättert die Zollbeamtin genau meinen Pass und sieht den Einreise und Ausreisestempel der Ukraine vom Juni 2023 und greift zum Telefonhörer, alles klar, dachte ich mir jetzt wirds mal wieder eine ausführliche Befragung durch den FSB geben,
Ein Mann der etwas Englisch konnte durchsuchte erstmal genau meine Taschen, dann sollte ich mein totes Handy ans Ladegerät anschliessen, ich sagte der Tastbildschirm ist ziemlich kaputt. Es gelang ihm aber die Fotos aufzumachen, dann interessierte er sich weshalb ich während der russischen Spezialoperation in die Ukraine gereist, ich sagte, um mir ein Bild von der Lage zu machen.Ob ich Bilder davon hätte, nur Zuhause auf dem Laptop sagte ich, aber er wollte unbedingt Fotos davon sehen, zufälligerweise hatte ich auf Kultur.lv einen kleinen Teilbericht mit einem Foto. Dann erzählte ich ihm, das ich ja in Westdeutschland aufgewachsen wäre, und der Osten, im wesentlichen das grosse Russland, als nicht betretbare Zone eine Faszination auf mich ausübte. Tja, meinte er, das ist heute nicht mehr das starke Russland von damals. Dann fragte er mich genau über meine einmonatige Reise durch Russland aus, wo, wann ich wohin gefahren, wo übernachtet. Geruhsam erzählte ich von meiner Reise, das auch in Russland ein Problem mit Migranten ersichtlich sei. Ja, er hätte auch Probleme mit denen zu korrespondieren, sie könnten oft kaum russisch, kein Englisch und wären absolut gesprächsunwillig. Ich fragte wie lange unser Gespräch noch dauern würde, ein Bekannter erwartet mich auf der litauischen Seite, ja meinte noch ca. eine halbe Stunde, ob ich meinen Bekannten anrufen könnte das es noch etwas dauert, ja, kein Problem. Wir unterhielten uns noch eine Weile, ich erzählte ein paar Anekdoten aus meiner Russlandreise. Er tippte noch ein paar persönliche Daten in Computer, Telefonnumer lettisch, wo ich studiert habe, etc., ich sagte, das hat doch schon alles der FSB im Oktober 2023 in Hentischek dokumentiert. Egal so gings noch ca. eine halbe Stunde, aber immer freundlich und gelassen weiter. Dann meinte er gut, er sei jetzt fertig mit Fragen, ob ich mich korrekt behandelt gefühlt habe, ja, kein Problem. Ich meinte bei einem Gespräch wenn beide Seiten zuhören und höflich miteinander umgehen lassen sich die meisten Fragen friedlich klären man muss sich ja nicht so undiplomatisch wie Baerbock verhalten. Zum Abschied sagte er mir ich solle doch bitte auch meinen Freunden und Bekannten erzählen wie korrekt man in Russland mit Ausländern umgeht und er würde sich wünschen das wieder mehr Deutsche Russland besuchen, klar sagte ich, werde ich machen.

Fazit

Die Reise neigt sich dem Ende, Unmengen von Eindrücken, Bekanntschaften, Gesprächen und Bildern.
Es passt alles nicht richtig zusammen, die Gebäude, alt oft zerfallen, daneben neu, teils unfertig oder stillos hingeklatscht, die Infrastruktur an manchen Stellen und Plätzen geradezu perfekt, und nicht weit daneben zerbrochene Sowjetreste, notdürftig in Funktion gehalten, oder nur noch Ruinen.
Es wirkt alles etwas zerfleddert und abgerissen in Russland, so wie auch das fortgeschrittene Leben der alternden Menschheit. Es wird ein wenig bemäntelt und neu angestrichen mit Kitsch und Schönheitssalons verziert und daneben häuft sich der Müll und schreitet der Verfall voran.
So ist es mehr oder minder überall auf der Erde, wenn man genau hinschaut, nur die Verkleidung ist hier und da etwas perfekter.
Die Kontraste sind halt in Russland schärfer das entspricht auch dem Klima und dem Charakter. Die Mittelschicht möchte sich reich gebärden, fährt dicke Autos, speist in edlen Restaurants. Man möchte zeigen das man es geschafft hat. Aber auch auf dem Lande sieht man eine gesteigerte Bautätigkeit, etwas bewegt sich in Russland es herrscht immer noch eine gewisse Aufbruchstimmung doch keiner weiss genau wohin.

Die Theorie des zusammenbrechenden Russlands ist jedenfalls Unsinn und vielleicht nur eine propagandistische Wunschvorstellung des Westens. Sicherlich kann man punktuell Zerfall, Zusammenbruch feststellen, aber keine Stagnation.
Russland befindet sich immer noch in einer Entwicklungsphase, etwas desorientiert im Moment, versucht es den Vielvölkerstaat zusammenzuhalten.
Aber es hat Perspektiven die in Europa schon nicht mehr so zu sehen sind, genauso wenig in den USA.
Es wird die Frage bleiben ob sie die Eigenproduktion erheblich steigern können, sie haben die Ressourcen dazu. Jedoch hapert es ein wenig an der Technologie, viwelleicht nur eine Frage der Zeit. Jedenfalls wird Isolation die Eigenentwicklung fördern. Und ab einem gewissen Moment könnten auch westliche Ingenieure, Wissenschaftler in Russland neue Perspektiven finden, wenn sie freundlich aufgenommen werden und sich nicht als besserwissende Übermenschen gebärden, sondern sich in die Verhältnisse einleben können und somit sachte eine Entwicklung vorantreiben, unter Berücksichtigung der psychologischen und tatsächlichen Gegebenheiten.
Wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg, ich denke da an den Forscher Nikolai Nikolajewitsch Miklucho-Maklai, den Russen in Neuguinea.
Mit ehernen moralischen Werten wie der Westen sie gerne darstellt, obwohl die aufkommende LGBT Bewegung eher einen Widerspruch darstellt, vergiften wir nur das Zusammenleben auf der Erde. Andere Völker, andere Sitten, entweder finden sie freiwillig zueinander durch Austauschen mit Akzeptanz oder sie bekriegen sich weiter stumpf und dumpf wie Mittelalter.
Keine Seite, keine Meinung, keine „Wahrheit“ wird auf Dauer Recht behalten.
Wenn die propagandistische Struktur von Macht, Gier und Abhängigkeit aufgebrochen wird, und der lokale persönliche freie Austausch von Kenntnissen und Gütern zunimmt, dann erst wird die Menschheit eine etwas längere Zukunft haben können. Selbstorganisation unter freiwilliger Beteilung nach den Interessen und Fähigkeiten des Einzelnen, welche Ergebnisse allen Beteiligten gleichermassen zugute kommen, entsprechend ihres Einsatzes mit Rückwirkung ihrer Handlungen auf sie selbst, das wäre eine Vision.
Wenn nicht, dann weiterhin viel Spass an der Versklavung und Selbstzerstörung.

Bildquelle: Michael Gallmeister

 

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