Schneiden, schichten, falten: Papierkunst aus Korea

Eine von Heamija Kim mit „Hanji“ verzierte Hochzeitstruhe (60 x 28 x 35 cm), 2010, Foto: Hans Gärtner

Erst einmal sehen. Zwei, die sich auf die Kunst verstehen, mit Papier künstlerisch zu arbeiten, sind im Münchner Museum Fünf Kontinente zu Gast. Freilich nicht physisch, damit sie einen Papier-Kurs abhalten könnten, nur auf Video-Filmen. Da wird gezeigt, wie sie – auf verschiedene Art – den Stoff Papier verarbeiten. Was der Mann, Dongsam Park, Jahrgang 1968, macht, ist Schwerarbeit. Was die Dame, wohl fast eine Generation älter, tut, sieht wie gehobenes Freizeit-Basteln aus, ist es aber nicht; denn Heamija Kim ist Künstlerin im Schneiden, Schichten und Falten farbigen koreanischen Papiers. Sie sieht ein bisschen aus wie eine gelehrte Zauberin. Park dagegen eher wie ein Handwerker, der in riesigen Räumen mit dem Gewinnen und Verarbeiten von „Hanji“, so heißt handgeschöpftes Papier in Korea, ernsthaft  beschäftigt ist. Große Flächen auf dem Boden und an den Wänden …

Erst einmal sehen? Ja. Das war gar nicht so einfach. Denn es gibt an diesem Vormittag im Museum Fünf Kontinente kaum jemanden, der einem genau sagt, wo Park und Kim zu finden sind. Nach längerem Sich-durch-Fragen findet man Park im 2. Obergeschoss. Riesiger Raum. Keine Farbe. Nur weiß: lange Gebilde – wohl aus Hanji – Baumteile. Liegend. Ein Figuren-Paar, fast lebensgroß, platt, aber mit Konturen. Aus Papier, also Hanji. Stumm. Streng. Staffage. Das Video läuft. Man sieht, worum es Park geht: um eine – so steht es im Begleit-Text – monochrom-weiße Werkserie, die er „Silhouette“ nennt und „in der er das Wesen von Objekten und Handlungen hinterfragt“. Oh. Viel verlangt, dies auf Grund dessen, was man im Video sehen kann, zu erfassen.

Zur Herstellung seiner Kunstwerke benützt Park den Stoff Hanji, den er aus der inneren Borke des Maulbeerbaums gewann. Er ist kraftvoll, dennoch geschmeidig, lässt sich biegen und ist atmungsaktiv. Die Stärke von Hanji nutzt Kim. Sie zu finden, ist beinahe noch aufwendiger als es einem mit Kim erging. Man muss nämlich wieder runter, ins 1. Obergeschoss. Dort die Abteilung „Islam“ durchschreiten und nicht aufhören zu gehen und zu suchen, bis man den Freskensaal erreicht hat. Erst mal sehen? Nein, erst mal durchatmen. Und eine Antwort auf die Frage finden: Warum ist das schöne Thema „Papierkunst aus Korea“ so seltsam auf zwei Etagen verteilt? Egal. Frau Professor Kim, ausgezeichnet mit einem wichtigen nationalen Kunst-Preis der Provinz Nord-Jeolla, kann man zuschauen – im Video-Film, natürlich – wie sie die hier im Saal gezeigten Kästen und Truhen mit Hanji, diesmal vielfarbig und lustig, sehr feminin in der Grundfarbe Rosa, herstellt. Sie doziert im Film liebevoll und mag vor allem Mädchen und Frauen mit dem Hang zum Bekleben und Verzieren von Mobiliar ansprechen. – Bis zum 8. Dezember, Di – So 9.30 bis 17.30 Uhr.

Über Hans Gärtner 490 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.