Im Gespräch: Interview mit Tobias Gotthardt, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft: „Wir in Bayern stehen zur Kirche“

Tobias Gotthardt, Bayerischer Landtag, Quelle: Gotthardt

Tobias Gotthardt (MdL), Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sprach über das Thema Kirche und Politik und warum die Kirche, gerade heute, eine große Bedeutung für die Demokratie hat.

 Wie wichtig ist das Überleben der Kirche für die Demokratie?“

Die Kirche ist ein unglaublich starker gesellschaftlicher Baustein – und ist aus ihrer Geschichte heraus auch politisch angelegt. Deswegen hat sie auch eine Bedeutung in und für die Demokratie.

Was heißt das für sie, wenn wir unsere christlichen Wurzeln zugunsten säkularer Beliebigkeit aufgeben?

Sowohl Bayern, Deutschland, aber auch Europa bauen auf christlichen Grundwerten auf. Und diese christlichen Grundwerte kann man lebendig halten und leben, wenn man sie vermittelt bekommt. Aus diesem Grund ist es gefährlich, wenn wir dieses Gemeinschaftselement des Glaubens im Alltag verlieren. Darüber hinaus bin ich davon überzeugt, dass sich ein Stück weit die politische Kultur aus dieser christlichen Überzeugung heraus ableitet.

Der Soziologe Hartmut Rosa plädiert dafür, dass Demokratie Religion braucht. Wie sehen sie das?

Es ist gut, wenn der christliche Glaube als Grundlage da ist, gerade wenn das Konstrukt der Demokratie auf diesen Wurzeln basiert.

Warum werden Kirche und Staat derzeit vielleicht geringer geschätzt?

Ich glaube, dass wir beide einen Vertrauensverlust erleben. Das hat verschiedene Gründe. Wir erleben eine stärkere Individualisierung der Gesellschaft, das heißt, die Leute erwarten sehr schnell personalisierte Antworten auf ihre Fragen. Dies ist weder aus dem Glauben noch aus der politischen Realität heraus einfach, sich in diesem Spannungsfeld neu zu verorten, neu zu erfinden, um Antworten auf die Probleme der Menschen zu geben und vor allem auf die Probleme, die sie direkt im Herzen spürbar betreffen. Das ist die große Herausforderung, vor der Politik und Kirche stehen.

Auf kommunaler Ebene läuft die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat gut, aber wie könnte und müsste das Thema Kirche und Religion auf der Bundesebene wieder in Debatten einfließen?

Ich bin selber Gemeinderat und im Kreistag. Ich weiß, dass es sehr gut läuft, aber auch immer wieder Spannungen gibt, wenn es um konkrete Projekte, um das Tun der Kirche in Kindergärten, Schulen, sozialen Einrichtungen geht. Aber insgesamt läuft es gut. Es ist ein sehr konkretes gemeinsames Handeln, das eine Vorbildfunktion für den Bund haben könnte und was ich dort derzeit vermisse. Wir in Bayern stehen zur Kirche, wir stehen auch zur staatlichen Verantwortung gegenüber den Kirchen. Beim Bund sehe ich das aktuell nicht so, und es ist schade, weil darunter tatsächlich auch die Politik, die Kultur im Bund leidet, eine Kultur, wie ich finde, die sich aus dem christlichen Glauben ableitet. Sie sollte es sich zur Aufgabe machen, auf das zu hören und danach zu handeln, was die Menschen wollen.

Was bedeuten die Kirchenaustritte für den Staat, den Landkreis, die Städte und die Kommunen?

In unmittelbarer Weise nicht so viel, aber in der mittelbaren geht es darum, dass die Leistungen der Kirche aufrechterhalten werden müssen. Ganz deutlich wird dies beispielsweise im Bildungsbereich. Wenn kirchliche Schulen vom „Netz“ gehen, dann muss der Freistaat einspringen. Wenn an den Universitäten Leistungen zurückgefahren werden, muss er hier einspringen. Dieses Einspringen ist oftmals teurer, als wenn die Kirche diese Leistung erbringt. Das heißt: Je schwächer die Kirche ist und je weniger Leistungen sie bringen kann, desto teurer wird es am Ende für den Steuerzahler.

Sie engagieren sich stark in der kirchlichen Verbandsarbeit, unter anderem als stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung. 2020 berief man Sie in den Bundesvorstand. Wie kann man das Ehrenamt weiter stärken?

Politisch ist die erste Herausforderung, immer wieder zu betonen, wie wichtig das Ehrenamt in seiner ganzen Vielfalt bei uns in Bayern ist. Man muss daher dafür sorgen, dass die Ehrenamtlichen nicht durch unnötige Bürokratie an den Schreibtisch gefesselt sind. Die Herausforderung besteht darin, einerseits die Menschen zu entlasten, andererseits sie zu motivieren, sich für die Gesellschaft zu engagieren.

Warum ist der Einsatz für Werte in der Wirtschaft wichtig? Welche Rolle spielt dabei der ehrbare Kaufmann?

Eine Wirtschaft ohne Werte kann nicht funktionieren. Ohne Werte gäbe es nur ein großes Heuschreckensystem. Da bleibt nichts Nachhaltiges. Aber diese Nachhaltigkeit zu erreichen, ist das große Ziel. Da helfen christliche Grundwerte, da hilft die katholische Soziallehre, da hilft das Prinzip Freiheit und Verantwortung – und da hilft natürlich auch das Prinzip des ehrbaren Kaufmanns, das so einfach wie komplex ist. Es gilt der Handschlag. Und es sollte auch wieder so sein, dass man sich in der Politik und in der Wirtschaft auf diesen wieder verlassen kann. Wenn Ehrlichkeit zählt, dann hat Wirtschaft eine gute Grundlage, um auch in schwierigen Zeiten wirklich auf festem Grund zu stehen.

Ihre Maxime lautet im Mittelpunkt der Mensch, egal was du tust, und bislang hat dieser Grundsatz sie nie in die Irre geführt. Können sie uns das näher erklären?

Politik ist Dienstleistung an den Menschen. Das habe ich immer so empfunden, und danach handle ich auch. Und wenn sie den Menschen in den Mittelpunkt des Handelns stellen, dann werden sie immer Lust auf Politik haben, weil Politik ohne Lust auf Menschen eher eine Qual wäre. Mit der Lust hingegen, wird jeder Tag und jede Begegnung mit einer unglaublichen Dynamik aufgeladen. Der Politik ein menschliches Gesicht zu geben, dient als Kompass. Und nur, wenn man den Menschen in den Mittelpunkt stellt, gelangt man zu einem guten Ergebnis. Oder anders gesagt: Wenn man sich am Menschen orientiert und dabei etwas Demut zeigt, dann kommt man in der Politik schon ziemlich weit.

Herr Gotthart, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führte Dr. Dr. Stefan Groß

Über Stefan Groß-Lobkowicz 2157 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".