Stormy-Annika Mildner, Andreas Baur, Lisandra Flach, Dorothee Hillrichs, Thomas Obst, Samina Sultan, Jürgen Matthes, Andreas Falke, Josef Braml, Markus Jaeger
Stormy-Annika Mildner, Aspen Institute, zieht eine Bilanz der Biden-Regierung. Bidens Handelspolitik stellte die amerikanischen Arbeitnehmer*innen und die Reindustrialisierung in den Mittelpunkt, mit Fokus auf einer Verringerung der Abhängigkeit von globalen Lieferketten. Diese protektionistische Handelspolitik dürfte unter einer möglichen Kamala-Harris-Regierung fortgesetzt werden. Im Gegensatz dazu würde eine zweite Trump-Administration eine aggressive Zollpolitik einführen, die zu Handelskonflikten führen könnte. In handelspolitischen Fragen bleiben die USA kein einfacher Partner.
Die USA sind einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands, sowohl im Waren- als auch im Dienstleistungssektor. Andreas Baur, Lisandra Flach und Dorothee Hillrichs, ifo Institut, zeigen diese Verflechtungen auf. Insgesamt sind die transatlantischen Handelsbeziehungen durch ein signifikantes Ungleichgewicht gekennzeichnet. Auf Basis des ifo Handelsmodells berechnen sie die Auswirkungen der von Donald Trump angekündigten Zölle auf die deutschen Exporte: Diese würden insgesamt um knapp 2% sinken. Zumindest ein Teil der direkten Exporteinbußen auf dem US-amerikanischen Markt kann durch steigende Exporte in andere Länder ausgeglichen werden.
Auch Thomas Obst, Samina Sultan und Jürgen Matthes, IW Köln, betrachten die handelspolitischen Konsequenzen einer Wiederwahl von Donald Trump. In verschiedenen Szenarien berechnen sie einen Verlust der US-Wirtschaftsleistung, der vor allem auf den Rückgang des privaten Konsums zurückgeht, basierend auf einer geringeren Kaufkraft, höherer Arbeitslosigkeit und einem temporären Vertrauensschock. Die Weltwirtschaft, besonders die exportorientierten Länder, wären stärker negativ betroffen als die USA.
Unabhängig vom Ausgang der US-Wahlen werde Washington den geoökonomischen Wettbewerb mit China intensivieren, analysiert Josef Braml, USA-Experte und Trilateral Commission. Die USA verfolgen eine Politik der wirtschaftlichen Entkoppelung von China, was zu einer zweigeteilten Welt und zunehmendem Druck auf europäische Verbündete führen könnte, sich zwischen den beiden Mächten zu entscheiden. Europa müsse in dieser Situation seine strategische Autonomie stärken und seine Handlungsfähigkeit in der Weltpolitik verbessern.
Andreas Falke, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, sieht in der Nominierung von Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei drastisch verbesserte Aussichten der Demokraten auf ein gutes Abschneiden bei den Wahlen im November. Der republikanischen Kandidat Donald Trump ist in die Defensive gedrängt worden. Die Klimaschutzpolitik, die Sicherheitspolitik gegenüber der Ukraine und die Handelspolitik bleiben die Konfliktfelder in den transatlantischen Beziehungen. Sollte Trump die Wahl gewinnen, dürfte es zu schweren Verwerfungen im Welthandelssystem und den transatlantischen Handelsbeziehungen kommen.
Eine Harris-Regierung würde für relative Kontinuität sorgen, mit einer Fortführung der bisherigen protektionistischen Maßnahmen, während Trumps Politik disruptive Auswirkungen auf den internationalen Handel haben könnte, erklärt Markus Jaeger, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik und Columbia University. Trump könnte radikale Maßnahmen wie hohe Zölle auf alle US-Importe oder Steuern auf Kapitalzuflüsse einführen, was zu einem Handelskrieg und globalen wirtschaftlichen Unsicherheiten führen dürfte. Die politischen Pläne beider Kandidaten deuten auf hohe US-Haushaltsdefizite und eine lockere Fiskalpolitik hin. Der EU empfiehlt er, sich auf ein Worst-Case-Szenario vorzubereiten und ihr geoökonomisches Instrumentarium bereitzuhalten.