Stallbewohner, Hampelmänner, Schaukelpferde – Das Oberammergauer Museum stimmt mit einer Spielzeug-Ausstellung auf die „staade Zeit“ ein

Stalltiere, geschnitzt und bemalt, teils aus Oberammergau, teils aus Seiffen, 19 / 20. Jahrhundert Repro: Hans Gärtner

Constanze Werner konnte nicht anders, sie musste ins mitteldeutsche „Spielzeugdorf“ Seiffen fahren, den Kurort im Erzgebirge, der vor 700 Jahren erstmals urkundlich erwähnt wurde. Doch nicht dieses Jubiläum zog die Direktorin des Oberammergauer Museums ins südliche Sachsen. Sie wollte ihre eigene Ausstellung weihnachtlicher Schnitzarbeiten so gut vorbereiten wie nur nur möglich und um Leihgaben ansuchen. In Seiffen gibt es schon immer wesentlich mehr Holzspielzeug als es vor 150 Jahren in Oberammergau gab. Wo nicht nur Kruzifixe und Weihnachtsengel hergestellt wurden, sondern auch Schaukelpferde und Hampelmänner. Im Dörfchen Seiffen waren zu den besten Zeiten der Spielwaren-Produktion an die 300 Schnitzer am Werk, heute sind es nur noch zehn.

Nur einmal im Jahr, so liest man auf der Website der Gemeinde Seiffen, holt  die Erzhütte die Ware zweiter Wahl und die Auslaufartikel aus den Lagern, um sie – in diesem Jahr zwischen dem 7. und 19. Oktober – zu Dumping-Preisen unter die Leute zu bringen: Lichterdreiecke, Weihnachtspyramiden, Räuchermänner sind gefragt. Bis auf die Sonn- und Feiertage läuft der Abverkauf täglich, ausnahmsweise sogar auch am Buß- und Bettag.

Das Erzgebirge erhielt durch die Produktion von geschnitzten und  gedrechselten Holzspielsachen, vor allem mit Bezug zum Christfest, einen entsprechend neuen Namen, es wurde zum „Deutschen Weihnachtsland“. Beim Schaustück aus dem Erzgebirgischen Spielzeugmuseum Seiffen, das nun in Oberammergau verkleinert zu sehen ist, handelt es sich um eine Lichter-Dreh-Pyramide mit brennendem Wachskerzen-“Antrieb“ von sage und schreibe sechs Metern Höhe aus den 1930er Jahren. An diesem Wunderwerk, das in voller Größe mit seinen bunt bemalten Figuren, Häuschen, Bäumen und dicht gedrängt stehenden Fahrzeugen aus dem Bereich der Erzgebirge-Bergmannschaft jedes Foyer, jeden Saal, jeden Treppen-Aufgang mit vorweihnachtlicher Atmosphäre erfüllt, kann sich jung und alt ergötzen.

Am Buß- und Bettag hält Constanze Werner ihr Museum schon deshalb offen, weil sie sich wegen des „kleinen“ Feiertags mehr Zuspruch erhofft als an einem „normalen“ Mittwoch. Der Besuch wird ältere Menschen auf Grund des Angebots adventlicher und weihnachtlich stimmender Exponate, egal ob aus Seiffen oder Oberammergau, an die eigene Kinderzeit erinnern.

Was denn ihre Ausstellung ausmacht, die Constanze Werner umständlich  „Wechselspiel(zeug)“ nennt? Weil sich hier Exponate aus dem Erzgebirge mit Oberammergauer Objekten treffen. „Das Wechselspiel, die Möglichkeit zu vergleichen, sich in beide Regionen zu vertiefen, macht diese Ausstellung aus.“ Die Museumsleiterin weist mit Stolz auf die nicht nur zahlreichen, sondern auch vielfältigen Leihgaben – musealer und privater Herkunft – hin. Einiges an Spielzeug wurde noch handgearbeitet. Auf die alten Künste des Schnitzens und Drechselns, des Bemalens und fantasievollen Arrangierens will die Oberammergauer Schau aufmerksam machen. Und außerdem zu dem Bewusstsein beitragen, dass unsere Vorfahren in den ärmlichen Gebirgslandschaften wie dem Erzgebirge, dem Ammertal und – auch darauf kommt man im Laufe der Betrachtung der vielen schönen alten Stücke – dem Grödner Tal und dem Bayerischen Wald durch ihrer Hände Arbeit, gepaart mit künstlerischem Ehrgeiz und großer Lust am eigenen kreativen Schaffen, ihre Existenz sichern halfen.

Die Ausstellung „Wechselspiel(zeug) – Volkskunst aus dem Erzgebirge in Oberammergau“ dauert bis 3. November und ist täglich außer Montag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

Stalltiere, geschnitzt und bemalt, teils aus Oberammergau, teils aus Seiffen, 19 / 20. Jahrhundert Repro: Hans Gärtner

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Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.