Die Dimensionen Nacht – philosophisch-ökologische Betrachtung – Ein Plädoyer gegen Lichtverschmutzung

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„[..] so giebt der Anblick eines bestirnten Himmels bei einer heitern Nacht eine Art des Vergnügens, welches nur edle Seelen empfinden. Bei der allgemeinen Stille der Natur und der Ruhe der Sinne redet das verborgene Erkenntnißvermögen des unsterblichen Geistes eine unnennbare Sprache und giebt unausgewickelte Begriffe, die sich wohl empfinden, aber nicht beschreiben lassen.“

(Kant, AA I, 367)

Die Nacht hat im Laufe der Jahrhunderte viele symbolische Bedeutungen angenommen. In Mythologie und Literatur wird sie oft als Ort der Verwandlung dargestellt: Die Dunkelheit bietet einen Raum für Synästhesie, in dem die Sinne geschärft und die innersten Gedanken ergründet werden. Diese Zeit der Stille und des Rückzugs ermöglicht es dem Einzelnen, in sich zu gehen und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Philosophen wie Immanuel Kant oder Friedrich Nietzsche sahen in der Nacht einen Zustand der Besinnung, der einen tiefen Zugang zu sich selbst eröffnen kann.

Die UNESCO hat den dunklen Nachthimmel 2010 als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt. Sternbilder erfüllen wichtige kulturelle Funktionen: Sie dienen als Kalender, vor allem für landwirtschaftliche und rituelle Zwecke, denn das Erscheinen bestimmter Sternbilder zeigt die Jahreszeit oder den Zeitpunkt im Jahr an. Sie dienten vor allem den Seefahrern auch als Navigationshilfe. Sie erzählen aber auch Geschichten, die Ausdruck des kulturellen Erbes der Völker sind. Der Blick in den Sternenhimmel ist ein zutiefst bewegendes Erlebnis. Doch gerade das Wissen um den Sternenhimmel, um die Verbundenheit des Menschen mit dem Kosmos, aber auch um die Einzigartigkeit und Verletzlichkeit des Menschen geht zunehmend verloren, nicht zuletzt durch Lichtverschmutzung. So wird Lichtverschmutzung aus philosophischer Sicht zum Sinnbild für die Selbstentfremdung des Menschen und seine (zum Teil mit fatalen Folgen verbundene) Abkoppelung von der Natur.

Die mythologische Dimension Nacht

Die Nacht hat in der Mythologie vieler Kulturen eine tiefgehende und vielschichtige Bedeutung. Sie wird häufig mit Mystik, Geheimnis und Unbekanntem in Verbindung gebracht. In vielen mythologischen Erzählungen gilt die Nacht als Symbol der Dunkelheit und des Unbekannten. Die Dunkelheit kann sowohl Angst als auch Schutz bieten – sie ist der Raum, in dem Dinge verborgen sind, aber auch der Ort, an dem Veränderungen und Neuanfänge stattfinden können. Die Nacht wird oft mit Ruhe, Schlaf und Erholung assoziiert. In vielen Kulturen gilt sie als Zeit des Rückzugs, in der sich die Menschen von den Herausforderungen des Tages erholen können. In diesem Sinne ist die Nacht ein Ort des Schutzes und der Regeneration.

Die Menschen der Frühzeit hatten keine Erklärung für die Vorgänge hinter dem Wechsel von Tag und Nacht und dem ewigen Kampf zwischen Hell und Dunkel. Deshalb sahen die Kulturen aller Kontinente im nächtlichen Himmel den kosmischen Tanz ihrer Göttinnen und Götter. Die personifizierte Nacht war greifbarer. Mit ihren Geschichten versuchten unsere Vorfahren zu verstehen, wer für Tag und Nacht verantwortlich ist. Mit Ritualen und Gebeten versuchten sie, die Gottheiten gnädig zu stimmen.

In vielen Mythologien gibt es Gottheiten, die die Nacht verkörpern. In der griechischen Mythologie ist Nyx die Personifikation der Nacht und wird oft als mächtige und geheimnisvolle Gestalt beschrieben. Sie gilt als Mutter vieler anderer Gottheiten und repräsentiert die grundlegende Natur der Dunkelheit. Die Nacht gilt auch als Zeit der Verwandlung. Viele mythologische Erzählungen handeln von Helden, die in der Dunkelheit Prüfungen bestehen müssen, um schließlich zu wachsen oder sich zu verändern. Die Nacht kann somit als Metapher für die Herausforderungen des Lebens und den Weg zur Selbsterkenntnis dienen.

Dieses anthropozentrische und geozentrische Universum brach mit dem heliozentrischen Weltbild von Nikolaus Kopernikus, den Gesetzen der Planetenbewegung von Johannes Kepler und der Nutzung des Fernrohrs zur Himmelsbeobachtung durch Galileo Galilei zusammen. Sigmund Freud sprach von drei Kränkungen der Menschheit: Kopernikus habe dem Menschen vor Augen geführt, dass er nicht im Mittelpunkt der Welt stehe, mit Darwin sei klar geworden, dass der Mensch sich nicht als Krone der Schöpfung betrachten könne. Freud fügte diesen beiden Kränkungen eine dritte hinzu: Der Mensch sei nicht einmal Herr im eigenen Haus. Das planende Denken entspringe verborgenen Quellen. Nicht das klare und helle Bewusstsein, sondern das Dunkel des Unbewussten bestimme, wie wir uns verhalten und wie wir handeln.

Die Stille der Nacht kann bedrückend, aber auch besinnlich, feierlich und romantisch sein. In schlaflosen Nächten steigen Gedanken, Gefühle und „innere Dämonen“ auf. So ist es nicht verwunderlich, dass die Nacht in den Kunstwerken der Malerei, in Kompositionen, aber auch in Ritualen und Lichterfesten verschiedener Kulturen ihren Ausdruck findet.

Auch in Mode und Musik hat das Gefühl der Nacht eine eigene Kultur gefunden. Aus der Punk- und New-Wave-Szene entstand in den 1980er Jahren die Gothic-Szene. Die Farbe der Szene ist schwarz. Die Gothics sind inspiriert und fasziniert von mystischen, morbiden oder melancholischen Themen und der Ästhetik des viktorianischen Zeitalters. Mittlerweile hat sich daraus ein eigenständiges Genre entwickelt, das alljährlich auf dem international bekannten Wave-Gotik-Treffen in Leipzig zu erleben ist.

In vielen Traditionen finden nächtliche Rituale und Zeremonien statt. Die Dunkelheit der Nacht schafft eine besondere Atmosphäre für spirituelle Praktiken, die Introspektion und das Eintauchen in das Unbewusste fördern kann. Die Sterne und der Mond spielen in diesen Ritualen oft eine zentrale Rolle, sie symbolisieren die Verbindung zur höheren Ordnung und zum Universum.

In vielen Kulturen wird die Nacht oft mit dem Tag in Verbindung gebracht, wobei beide eine komplementäre Rolle spielen. Diese Dualität spiegelt sich in mythologischen Erzählungen wider, in denen Licht und Dunkelheit miteinander im Konflikt stehen, aber schließlich ein harmonisches Gleichgewicht finden, das für die Schöpfung und das Leben notwendig ist.

Die philosophische Dimension der Nacht

Die Nacht ist mehr als nur die Zeit zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, sie ist ein Raum der Reflexion, des Wandels und der Erneuerung. Die Nacht ist also nicht nur ein physikalisches Phänomen, sondern hat eine tiefe philosophische Dimension. Sie lädt uns ein, innezuhalten, nachzudenken und schließlich das Licht zu suchen, das nach der Dunkelheit kommt. In dieser Dualität von Dunkelheit und Licht offenbart die Nacht die Vielschichtigkeit menschlicher Erfahrung und unsere Suche nach Erkenntnis und Sinn.

In der Philosophie wird die Nacht oft mit dem Unbekannten, dem Unsichtbaren und dem Unbewussten in Verbindung gebracht. Sie stellt eine Abkehr vom Licht dar, das oft als Symbol für Erkenntnis und Wahrheit gilt. In der Nacht betreten wir einen Raum, der sowohl der Dunkelheit als auch der Stille, der inneren Einkehr und Reflexion gewidmet ist. Im Zen-Buddhismus beispielsweise wird die Nacht oft als Zeit der Meditation und des Loslassens gesehen, in der man sich von weltlichen Bindungen befreit.

In der Dunkelheit verschwinden die Geräusche des Tages und wir sind oft gezwungen, uns mit unseren eigenen Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen. Diese innere Stille kann sowohl beruhigend als auch beunruhigend sein. In der Nacht kommen Ängste und Zweifel zum Vorschein, die sich im Alltag oft hinter Lärm und Betriebsamkeit verbergen. Hier erweist sich die Nacht als Spiegel, der uns unsere tiefsten Sorgen und Sehnsüchte vor Augen führt. Die Nacht kann somit als ein Moment der Selbstfindung betrachtet werden.

Andererseits ist die Nacht aber auch mit der Möglichkeit der Erneuerung und Veränderung verbunden. Auf die Dunkelheit folgt immer das Licht, die Morgendämmerung. In einem weiteren Sinne ist die Nacht eine universelle Erfahrung, die uns alle miteinander verbindet. Sie erinnert uns daran, dass wir, unabhängig von unserem individuellen Lebensweg, alle unter dem gleichen Himmel leben und die Dunkelheit und die Sterne betrachten. Diese gemeinsame menschliche Erfahrung kann zu einem Gefühl der Solidarität und Verbundenheit führen, wenn wir uns in der Stille und Dunkelheit der Nacht wiederfinden.

Mit der Dunkelheit beginnt für den Philosophen und Mystiker Jakob Böhme (1575–1624) die Natur. Georg Wilhelm Friedrich Hegel nannte Böhme den „ersten deutschen Philosophen“, weil er als erster seine philosophischen Werke in deutscher Sprache verfasste. Am Anfang steht für Böhme der ‚Ungrund‘, den er als Finsternis, als blinden Willen, aber auch als Feuer beschreibt.

Für den Philosophen René Descartes (1596–1650) war die Nacht ein Raum philosophischer Inspiration. So ging sein Traum in einer Winternacht 1619 in Ulm in die Wissenschaftsgeschichte ein. René Descartes hatte in dieser Nacht drei Träume, die die Welt veränderten. René Descartes gilt als Begründer des frühneuzeitlichen Rationalismus. Berühmt wurde er durch seinen Ausspruch „cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“). Damit erhob er den Zweifel zur universellen Methode der Welterkundung: Alles, was sicher und gewiss erscheint, soll zunächst in Zweifel gezogen werden, um bei den ersten Grundlagen neu anzufangen. Seine Ideen führte er später auf seine Ulmer Träume zurück.

Eine besondere Bedeutung erlangte das Symbol der Nacht in der Epoche der Romantik (1795–1835). So schreibt Friedrich Wilhelm Schelling in seiner Freiheitsschrift von 1809:

„Alle Geburt ist Geburt aus Dunkel ans Licht; das Samenkorn muß in die Erde versenkt werden und in der Finsterniß sterben, damit die schönere Lichtgestalt sich erhebe und am Sonnenstrahl sich entfalte. Der Mensch wird im Mutterleibe gebildet; und aus dem Dunkeln des Verstandlosen (aus Gefühl, Sehnsucht, der herrlichen Mutter der Erkenntniß) erwachsen erst die lichten Gedanken.“ (Schelling, 1909)

Auch bei Georg Friedrich Philipp von Hardenberg, bekannt unter dem Pseudonym Novalis, spielt das Thema Nacht eine wichtige Rolle. Berühmt geworden sind seine ‚Hymnen an die Nacht‘. Dabei handelt es sich um einen aus sechs Texten bestehenden Gedichtzyklus, der 1800 veröffentlicht wurde. Es ist das einzige Werk des Dichters, das von ihm selbst für die Veröffentlichung fertiggestellt wurde. Es gilt als eines der bedeutendsten und typischsten Texte der Romantik. In diesem Gedicht zieht Novalis die Nacht dem Licht des Tages vor. Das Licht wird als Symbol der Vernunft und der Aufklärung abgelehnt. Er charakterisiert die Nacht als mächtiger. Sie ist nicht den irdischen Regeln unterworfen, kann Grenzen öffnen und Trost spenden. Deshalb ist die Nacht auch ein Raum für Spiritualität, Wollust und ewige Liebe:

„Was quillt auf einmal so ahndungsvoll unterm Herzen, und verschluckt der Wehmut weiche Luft? Hast auch du ein Gefallen an uns, dunkle Nacht? Was hältst du unter deinem Mantel, das mir unsichtbar kräftig an die Seele geht? Köstlicher Balsam träuft aus deiner Hand, aus dem Bündel Mohn. Die schweren Flügel des Gemüts hebst du empor. Dunkel und unaussprechlich fühlen wir uns bewegt — ein ernstes Antlitz seh‘ ich froh erschrocken, das sanft und andachtsvoll sich zu mir neigt, und unter unendlich verschlungenen Locken der Mutter liebe Jugend zeigt. Wie arm und kindisch dünkt mir das Licht nun — wie erfreulich und gesegnet des Tages Abschied — Also nur darum, weil die Nacht dir abwendig macht die Dienenden, säetest du in des Raumes Weiten die leuchtenden Kugeln, zu verkünden deine Allmacht — deine Wiederkehr — in den Zeiten deiner Entfernung. Himmlischer, als jene blitzenden Sterne, dünken uns die unendlichen Augen, die die Nacht in uns geöffnet. Weiter sehn sie, als die blässesten jener zahllosen Heere — unbedürftig des Lichts durchschaun sie die Tiefen eines liebenden Gemüts — was einen höhern Raum mit unsäglicher Wollust füllt. Preis der Weltkönigin, der hohen Verkündigerin heiliger Welten, der Pflegerin seliger Liebe — sie sendet mir dich — zarte Geliebte — liebliche Sonne der Nacht, — nun wach‘ ich — denn ich bin Dein und Mein — du hast die Nacht mir zum Leben verkündet — mich zum Menschen gemacht — zehre mit Geisterglut meinen Leib, daß ich lustig mit dir inniger mich mische und dann ewig die Brautnacht währt.“ (Novalis, Hymnen an die Nacht)

Für den Philosophen und Philologen Friedrich Nietzsche ist die Nacht eine Zeit der Lebendigkeit und Aktivität. Besonders eindrucksvoll kommt dies in seinem Nachtlied zum Ausdruck. Das Gedicht wirkt melancholisch und lebendig zugleich. Im Mittelpunkt steht das Erleben von Gefühlen in der Nacht. Die „springenden Brunnen“ sprechen lauter und das Ich wird als „springender Brunnen“ beschrieben. Dieses Ich ist voller Energie und Lebendigkeit. Zugleich offenbart das Gedicht eine tiefe Sehnsucht nach Liebe. Die Nacht dient nicht der Ruhe und dem Schlaf, sie ist vielmehr ein Raum der Leidenschaft und der Sehnsucht. Denn in der Nacht scheint das Ich seine Gefühle intensiver zu erleben und auszudrücken:

„Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender Brunnen. Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden. Ein Ungestilltes, Unstillbares ist in mir; das will laut werden. Eine Begierde nach Liebe ist in mir, die redet selber die Sprache der Liebe. Licht bin ich: ach, daß ich Nacht wäre! Aber dies ist meine Einsamkeit, daß ich von Licht umgürtet bin. Ach, daß ich dunkel wäre und nächtig! Wie wollte ich an den Brüsten des Lichts saugen! Und euch selber wollte ich noch segnen, ihr kleinen Funkelsterne und Leuchtwürmer droben! – und selig sein ob eurer Licht-Geschenke. Aber ich lebe in meinem eignen Lichte, ich trinke die Flammen in mich zurück, die aus mir brechen.“ (Nietzsche, 1954, 362–364).

Die Nacht bietet auch Raum für das Unbewusste. Wenn das Denken ausgeschaltet ist, tauchen im Traum Inhalte des Unbewussten auf. Dies ist ein Grundgedanke der Psychoanalyse. Sigmund Freud und Carl Gustav Jung argumentierten, dass der Schlaf und die Symbole des Traums eine Verbindung zu unserem Unbewussten herstellen. In den Traummomenten der Nacht entfalten sich Geschichten und Emotionen, die oft im Widerspruch zu unserem bewussten Denken stehen. Diese nächtlichen Bilder sind oft von Archetypen geprägt, wie sie Jung vorschlug. Hier wird die Nacht zum Tor in die Tiefen unserer Psyche.

Auf der Psychoanalyse basiert die Daseinsanalyse. Sie ist eine phänomenologische Methode, die vor allem Martin Heidegger folgt. In diesem Sinne ist die Nacht auch ein Symbol für die existenziellen Fragen der menschlichen Existenz: Woher kommen wir? Wohin gehen wir?

Die ökologische Dimension der Nacht

Die Nacht spielt eine entscheidende Rolle im ökologischen Gleichgewicht und hat vielfältige Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen und das gesamte Ökosystem. Sie ist Teil des natürlichen Kreislaufs. Der Wechsel von Licht und Dunkelheit steuert die biologischen Rhythmen vieler Organismen, sei es durch den Einfluss der circadianen Uhr oder durch bestimmte Fortpflanzungs- und Jagdstrategien. Einige Insekten, Vögel und Säugetiere sind nachtaktiv und erfüllen wichtige Funktionen in ihren Ökosystemen, wie z. B. die Bestäubung oder die Regulierung von Populationen.

Die künstliche Beleuchtung, die heute in vielen Städten vorherrscht, hat jedoch schwerwiegende Folgen für die nächtliche Umwelt. Sie stört nicht nur die natürlichen Lebenszyklen vieler Tiere, sondern trägt auch zur Lichtverschmutzung bei, die das menschliche Wohlbefinden und die Gesundheit gefährden kann. Schlafstörungen und erhöhter Stress beim Menschen sind nur einige der negativen Auswirkungen. Darüber hinaus ist es wichtig zu betonen, dass zu viel Licht in der Nacht den Sternenhimmel und die kulturelle Verbindung zur Natur stark beeinträchtigt. Der Verlust nächtlicher Lebensräume und die Übernutzung natürlicher Ressourcen haben nicht nur ökologische, sondern auch tief greifende ethische Konsequenzen. Ein Bewusstsein für die Bedeutung der Nacht könnte zu einem respektvolleren Umgang mit Umwelt und Natur führen. Die ökologische Bedeutung bezieht sich unter anderem auf folgende Punkte:

  1. Lebensraum für nachtaktive Tiere

Die Nacht bietet vielen nachtaktiven Tieren einen Lebensraum. Dazu gehören verschiedene Eulenarten, Fledermäuse, Insekten und Säugetiere wie Füchse und Waschbären. Diese Tiere sind oft spezialisierte Jäger, die sich an die nächtliche Dunkelheit angepasst haben, um ihre Beute zu finden und ihren Feinden zu entkommen.

  1. Biodiversität

Die Nacht fördert die biologische Vielfalt, indem sie unterschiedliche Lebensräume und Nischen für verschiedene Arten schafft. Nachtaktive Tiere haben ihre eigene ökologische Rolle und tragen zur Regulierung von Populationen und zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts in Ökosystemen bei.

  1. Pollination

Viele Blütenpflanzen sind nachtaktiv und öffnen ihre Blüten nachts, um Bestäuber wie Nachtfalter oder bestimmte Käfer anzulocken. Die nächtliche Bestäubung ist entscheidend für die Fortpflanzung und Verbreitung dieser Pflanzen und trägt somit zur Biodiversität bei.

  1. Klimatische Regulierung

Die Nacht wirkt sich ebenfalls auf das Klima und die Temperaturregelung aus. Die nächtlichen Temperaturen sind oft kühler, was zur Wärmeregulierung während des Tages beiträgt und die Lebensbedingungen für viele Organismen verbessert. In vielen Ökosystemen spielen die Nachttemperaturen eine Rolle bei der Regulierung der Stoffwechselraten und der Aktivitätsmuster von Tieren.

  1. Erholung und Ruhezeiten

Die Dunkelheit der Nacht ermöglicht es vielen Organismen, zur Ruhe zu kommen und sich von den Anstrengungen des Tages zu erholen. Dies ist besonders wichtig für die Gesundheit und das Überleben der Arten, da Phasen der Entspannung und Erholung für die physiologischen Funktionen der Lebewesen von entscheidender Bedeutung sind.

  1. Ökologisches Gleichgewicht

Die Interaktionen zwischen tag- und nachtaktiven Organismen tragen zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts in Ökosystemen bei. Räuber-Beute-Beziehungen, Konkurrenz um Ressourcen und die Rolle von Aasfressern werden durch die unterschiedlichen Aktivitäten der Tiere zu verschiedenen Tageszeiten beeinflusst.

  1. Lärmminderung und Lichtverschmutzung

Nachts ist es oft ruhiger und dunkler, was für viele Tiere eine willkommene Ruhepause bedeutet. Die zunehmende Lichtverschmutzung durch menschliche Aktivitäten hat jedoch negative Auswirkungen auf viele nachtaktive Tiere, da sie ihre natürlichen Verhaltensmuster stören kann. Dies führt zu Problemen bei der Jagd, Fortpflanzung und Orientierung.

Die ökologische Bedeutung der Nacht und die damit verbundenen philosophischen Fragen sind eng miteinander verknüpft. Indem wir die Nacht als wertvollen Lebensraum anerkennen, können wir nicht nur das Bewusstsein für ökologische Belange schärfen, sondern auch unsere eigene Existenz reflektieren und die transformativen Kräfte der Dunkelheit in unser Leben integrieren. Die Nacht in all ihrer Komplexität fordert uns auf, das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkelheit, Wissen und Unwissen, Aktivität und Ruhe zu suchen – in der Natur und in uns selbst.

Die physiologische Dimension der Nacht

In der modernen Welt sind wir einer Vielzahl von Reizen ausgesetzt, die unser tägliches Leben beeinflussen. Unter diesen Reizen spielt das Licht eine zentrale Rolle. Sowohl natürliches als auch künstliches Licht hat nicht nur Auswirkungen auf unseren Körper, sondern auch auf unsere Psyche. Licht beeinflusst unseren Schlaf-Wach-Rhythmus, unseren Hormonhaushalt und unser allgemeines Wohlbefinden. Natürliches Licht, wie das Sonnenlicht, reguliert die Produktion des Schlafhormons Melatonin und beeinflusst damit die Schlafqualität. Künstliches Licht hingegen hat in den letzten Jahrzehnten durch die Verbreitung von Bildschirmen, LEDs und anderen Lichtquellen an Bedeutung gewonnen. Während künstliches Licht viele Vorteile bietet, wie z.B. die Verlängerung der nutzbaren Tagesstunden, sind negative Effekte wie Reizüberflutung und Lichtverschmutzung nicht von der Hand zu weisen.

Reizüberflutung entsteht, wenn die Vielzahl der Sinneseindrücke unsere Wahrnehmung überfordert. In Bezug auf Licht bedeutet dies, dass wir ständig von verschiedenen Lichtquellen umgeben sind, die unsere Sinne stimulieren. Bildschirme, Straßenbeleuchtung, Neonröhren und andere künstliche Lichtquellen sind allgegenwärtig. Diese ständige Exposition kann zu einer Überlastung des Nervensystems führen. Zu viel Licht kann nicht nur die Konzentration beeinträchtigen, sondern auch das Risiko von Stress, Angstzuständen und Schlafstörungen erhöhen.

Die Auswirkungen von Licht und Reizüberflutung auf die Psyche sind vielfältig. Menschen, die regelmäßig intensiven Lichtquellen ausgesetzt sind, klagen häufig über Müdigkeit, Kopfschmerzen und allgemeine Unruhe. Der Körper reagiert auf die ständige Reizüberflutung mit einem Anstieg von Stresshormonen wie Cortisol, was langfristig negative Folgen für die Gesundheit haben kann. Auch das ständige Aufblinken von Benachrichtigungen auf Smartphones und anderen Geräten kann zur Reizüberflutung beitragen. Diese digitale Ablenkung verstärkt den Druck, immer erreichbar zu sein und führt zu einer weiteren Belastung.

Die soziale Dimension der Nacht

Die Nacht ist nicht nur die dunkle Hälfte des Tages, sie kann auch aktiv genutzt werden. Künstliche Beleuchtung eröffnet neue Arbeits- und Kommunikationsräume. Früher war Nachtarbeit auf das Notwendigste beschränkt, heute wird sie auf viele Bereiche ausgedehnt. Die Grenzen zwischen Tag und Nacht verschwimmen. Schlagworte unserer Zeit: Zeit ist kostbar! Zeit ist Geld! Schichtarbeit zur effizienten Nutzung der Zeit ist die Folge. Von der arbeitenden Bevölkerung wird Wachbleiben, Leistungs- und Belastbarkeit rund um die Uhr verlangt. Doch mit den Nachtschichten löst sich der gewohnte Arbeits- und Lebensrhythmus auf oder wird neu getaktet. Zeitungsredakteure arbeiten unter Hochdruck, um die Nachrichten des Tages zusammenzufassen, Maschinen und Verkehrsmittel laufen auch nachts im Dauerbetrieb. Fernsehsender kennen keine Sendepausen, Nachtprogramme versorgen uns mit einem nicht enden wollenden Strom an Informationen. Nachrichten, Musik oder Videos sind jederzeit abrufbar. Die ständige Verfügbarkeit der Medien kann nur durch ununterbrochene Arbeit gewährleistet werden. Künstliche Beleuchtung gibt dem Menschen die Kontrolle über die Nacht. Damit wird auch die Nacht als „andere Hälfte des Tages“ nutzbar und bewirtschaftbar.

Ein Teil der Freizeit verlagert sich aber auch in die Nacht. Eine Nacht im Club ist oft mehr als nur Technomusik und Tanzen. Oft entstehen dabei auch (Sub-)Kulturen und Bewegungen im Kreise Gleichgesinnter. Denn das gemeinsame Feiern stärkt zugleich das Zusammengehörigkeitsgefühl.

Licht lässt uns erkennen,

aber die Nacht schärft die Sinne;

wo nur Licht ist,

wird Erkennen schwer.

In der Flut des Lichtes

ertrinken die Sterne.

Literatur

Kant, Immanuel: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes, nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt.

Nietzsche, Friedrich: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 2

Novalis: Hymnen an die Nacht . Die Christenheit oder Europa. Insel-Verlag zu Leipzig. Ohne Datum.

Schelling, Friedrich Wilhelm: Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit, 1809. In: Schellings Werke, herausgegeben von M. Schröter, München 1927 ff., Vierter Hauptband.

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Über Kay Herrmann 10 Artikel
Prof. Dr. phil. Dipl.-Phys. Kay Herrmann. Studium der Physik und Forschungsstudium der Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Lehramt für die Fächer Physik und Mathematik an Oberschulen beim Sächsischen Landesamt für Schule und Bildung, 2011 Habilitation (Privatdozent, venia legendi) im Fach Philosophie an der Technischen Universität Chemnitz, seit 2019 Außerplanmäßiger Professor für Philosophie an der Technischen Universität Chemnitz und seit 2020 Fachausbildungsleiter für Physik an der Lehrerausbildungsstätte des Landesamtes für Schule und Bildung in Chemnitz.