Sexus, Delikte, Indizien und die Fahrkarte in eine Heimat

Das Justiz-Ministerium ist eine smarte Behörde. Der Minister für justizielle Angelegenheiten, Heiko Maas, ist ein smarter Typ. Sein Ministerium hat ein erhebliches Wählerpotential ausfindig gemacht.

Wie einst beim Stalking Gesetz, haben wir mit dem neuen verschärften Gesetz zur Bekämpfung von sexuellen oder ähnlichen Delikten einen normativen Körper, der sich an das weibliche Publikum wenden will. Das ist nur eine Unterschiebung, die jedoch nicht zufällig ist. Während Gesetzgebung in allgemeinen abstrakten Figurationen von Personen denkt und schreibt, das Opfer – Neutrum, muss man bei der Täterschaft schon den Artikel im Auge behalten. Der Täter – die Täterin, so will es die deutsche Rechtschreibung (StGB: z.B. das Wer), und im Zuge der Anpassung an weibliche Endungen in allen Bereichen der Gesellschaft muss auch der Täter weiblich denkbar sein. Die Täterin ist ebenso im Sexualstrafrecht wie sonst denkbar (eine Ausnahme gestaltet sich bspw. in StGB § 183). Dennoch scheint ersichtlich, worauf sich die letzte Gesetzesinitiative bezieht.

Sieg für das weibliche Geschlecht

Das Gesetz soll eine Antwort auf das inzwischen nahezu symbolische Kölner Sylvester sein. Es hat den geheimen Hintersinn (Spiegel Online, Meiritz, Neues Sexualstrafrecht), Abschiebungen von (in erster Linie männlichen) Asylanten oder Scheinasylanten zu beschleunigen oder überhaupt zu ermöglichen und gleichzeitig natürlich Beschwichtigung – vielleicht sogar Genugtuung – auszulösen. Schaltet man heute (im Juli nach der Nacht) das Radio an, um die Nachricht über die Gesetzesinitiative zu erhalten, erhält man den Eindruck, und dies auch vorher, als sei das weibliche Geschlecht Deutschlands eine heilige Herde, die geschützt sein will und als müsse der Staat mit justiziellen Mitteln dieser Aufgabe nachkommen bzw. jener entgegenkommen. Hier zeigt sich eine seltsame Analogie überhaupt auch zum Asylwesen, auf die an anderer Stelle einzugehen ist: der Staat wird sich seiner Aufgabe als Schutzorgan bewusst. Seit dieser Nacht macht das Wort massiv (aus: massiver Übergriff) verstärkt Karriere, man kann es kaum im anderen Kontext anbringen. Der Staat reguliert also das Verhalten, das (vor-) sexuelle Geschehen und damit möglicherweise in Verbindung stehender Verhaltensweisen, die theoretisch wie praktisch zur Anbahnung oder Ausführung sexueller oder ähnlicher Kontakte denkbar wären. Insgesamt mag das angehen: eine Opfergruppe wurde benennbar und ebenso eine vage Tätergruppe. Eine kriminalistische Feinbetrachtung leiste ich mir nicht. Auch andere Delikte standen zur Sprache, etwa Diebstahl, muss wohl nicht neu geregelt werden. Das Radio (DLF) spricht nun von vielen hundert Anzeigen (bis ca. 900), denen nur wenige Verurteilungen (einstellig), also tatsächliche Verfolgungen durch das Recht, gegenüberstehen. Man ist natürlich auch schon vor einem Urteil rechtlich verfolgt, sofern man verdächtigt wird, das wird oft vergessen.

Gesetze als politischer Anreiz

Politikerinnen haben sich in der Vorzeit bedenklich zu den Motiven Asyl und Billigung von falschem Verhalten geäußert, zuletzt etwa die Spitzenkandidatinnen der Grünen (Katrin Göring-Eckardt) und der Linken (Sahra Wagenknecht), also Parteilichkeit, die über dem Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit sich als erhaben denkt. Frausein ist ein überparteiliches Thema; und neue Angst vor neuen Gefahren in der Heimat nicht zuletzt auch. Es dürfte Segen für die Zustimmung der Politik der Großen Koalition sein, insbesondere ja des (SPD-) Ressorts Justiz, dass etwa 50 Prozent der Bevölkerung nun endlich wieder erleichterter durch heimische Straßen spazieren können. So kauft man Wählerinnen, ohne dass großartig positives Zutun geleistet wäre. Wie bei möglichen Waffen-Kontroll-Gesetzen und allgemein bei dem sogenannten Neuregelungsbedarf erscheint die Illusion, durch mehr Gesetze könnten mehr Probleme – vor allem effizienter – gelöst werden, könne die tatsächliche Sicherheit verbessert werden. All das hat seinen Sinn nur nach einer Tat, sonst wäre es ja kein Strafdelikt, sondern sittliche Vorschrift. Auf einer ganz anderen Seite werden Frauen auch gerne als Organe positiver Integration vorgestellt: sei es als freundliche Kollegin, Helferin, sei es als redegewandte, agile, einsatzfreudige, talentierte Persönlichkeit. Frauen sollen weder versteckt, noch verschreckt werden, um ihr Wesen in die Gemeinschaft einbringen zu können, um ein Auskommen zu haben und ebenso andere von der positiven sozialen Mission zu überzeugen.

Verpatzte Prinzipienlehre

Wie schon das Prinzip des Förderns und Forderns ist das nun neu verkündete Prinzip des Nein heißt Nein kein wirkliches Prinzip, es ist eine Vorstellung, die als Richtlinie in Politik und Recht eingehen und letztlich auch in die Gesellschaft Eingang finden soll. Mein Kritikpunkt, ergänzt durch folgende, ist ein anderer als hier und da zu lesen, zu hören war. Es geht nicht nur darum, die sachliche und reale Verwirklichung infrage zu stellen. Sicherlich, die sachliche Entscheidung, die an ein gewisses Maß an Diskretion gebunden ist, wird im mehr oder minder kriminellen Milieu, in sogenannten sozialen Halbwelten, in rauschhaften Nächten oder ausnehmenden Lebenssituationen wenig die tatsächlichen Umstände treffen. Um heute – positiv an die Anwendung gedacht – sicherzustellen, nicht Opfer einer Verleumdung nach dem Nein heißt Nein Prinzip zu werden, müsste man sich das Ja (am besten noch notariell beglaubigt) schon vor Tathergang einholen. Dann wäre es einerseits keine Tat im strafrechtlichen Sinne, andererseits wird gerade die Option Zusage auf Zukünftiges durch das Prinzip des immer möglichen Neins aufgehoben. Und das wäre eine Frage beider Seiten. Jeder kann immer ein Nein behaupten; vorher, nachher, währenddessen. Was gilt bei mehrmaligem Akt? Das erste Mal ja – das zweite Mal nein, lässt zumindest das Prinzipielle am Nein, von Anfang an bis in alle Ewigkeit, als bloßen Humbug erscheinen. Man wird einwenden, dass es nicht auf alle Szenarien oder Sachzusammenhänge anwendbar sei: es bezieht sich auf den Ausschluss. Niemand muss so tun als sei ein Ja eine Gewohnheit, aus der man ein Gewohnheitsrecht ableiten könne. Und Stillschweigen heißt ja nicht Bejahung – allerdings auch nicht Verneinung.

Gestik als rechtsfähige Aussageform

Ein leichter Irrtum, wenn auch vielleicht nicht der wesentliche, liegt in der Fixierung auf die Negation als etwas Verewigtes, in der Absolutheit des Neins, während das Ja als temporäre Erscheinung gedeutet bleibt: die Bereitschaft könne sich im Zuge der Ereignisse ändern. Aber gilt das nicht für beide Richtungen? Die Justiz wird keine leichtere Aufgabe haben. Insbesondere die als erleichternd zur Geltendmachung des Willens genannten Methoden zur Äußerung ebendiesen lassen uns das Bild einer leicht surrealen Gesellschaft entstehen: Hände vor das Gesicht Halten oder Weinen werden da als Formen der Artikulation eines eindeutigen Willens, nämlich des verneinenden, angesprochen. Man stelle sich (am besten öffentlich) das Szenario vor, in dem sich Menschen durch Hände vor das Gesicht Halten davon benachrichtigen, dass sie keine sexuellen Kontakte suchten (oder jeweils nicht die konkret angebotenen bzw. geforderten). Weinen – und da wäre unter Umständen der Rat eines Verhaltensbiologen oder ähnliches angebracht, nicht zuletzt aber auch eines Sprachkundigen – kann man aus mehrerlei Gründen: die deutsche Sprache kennt als relativ tief verwurzelte Gebärde oder Sinnesäußerung mindestens auch die Freudentränen; das Weinen aus Rührung, aus Begeisterung, und natürlich die Wut-, Hass- und Zornestränen. Die Gesetzgebung bzw. Rechtsprechung verlangt bzw. unterstellt quasi rational ein Verhalten, das – wenn überhaupt – dann irrational begründet wäre, denn dann nämlich alternativ zur rationalen Artikulation; und ambivalent. Wehren erscheint als Folge frühkindlichen Verhaltens.

Falsche Subordination

Der Kritikpunkt liegt an anderer Stelle: Eine bislang gesellschaftliche Selbstverständlichkeit wird einer Unterkategorie des Strafrechts zugeschoben. Bislang – das ergibt sich bereits aus dem Vertragswesen – ist eine Vereinbarung immer, ausnahmslos an die freie Zustimmung (beider Seiten) gebunden. Das gilt nicht nur für die Ehe (Stichwort Zwangsheirat) oder für sexuelle Kontakte (Missbrauch, Nötigung; auch StGB § 180 – 181a), sondern in allen Bereichen der Gesellschaft. Es schleicht sich zunehmend eine Mentalität ein, gerade in normativen Szenarien, die uns weismachen will, dass dem nun nicht mehr so sei, dass es also nur noch punktuelle Bereiche des Sozialen gäbe, wo etwas wie das Nein zum Zuge käme. Was noch viel schlimmer ist, dass der vollkommen falsche Eindruck geweckt wird, man müsse Bereiche, wo nein gesagt werden darf, straflos, jeweils gesetzlich genau bestimmen. Das ist nicht nur positivistische Regelungswut, sondern ein Angriff auf die menschliche Selbstbestimmung und Würde, selbst wo unter Umständen gut gemeint: es ist sozial würdelos, menschlich indiskutabel, dass das eigentliche Entscheiden, die Willensbetätigung auf fixierte gesetzliche Bereiche eingehegt wird. Das mag im vorliegenden Fall nicht die Intention sein, aber deutet auf diese Gefahr hin. Das Prinzip des Nein (heißt Nein) gilt unlängst gesamtgesellschaftlich; es findet eher in positiver Gestalt Erwähnung, etwa als beiderseitige Bejahung. Erst die Aushöhlung des deutschen Rechtsgedankens durch neue Zwangsmittel, etwa Ressort Arbeit Soziales, lässt den Eindruck virulent werden, als sei Zustimmung als Akt der Selbstbestimmung ein Randphänomen z.B. sexueller Selbstbestimmung. Das ist ein Problem, das man indirekt mit dem Geschlechterdiskurs haben kann. Der Geschlechterdiskurs (denn innerhalb dessen wird die neue Regelung wahrgenommen) absorbiert in gewisser Weise das Motiv der Selbstbestimmung, und wird durch die Politik instrumentalisiert.

Grundwerte gemindert – Delikte gemehrt

Das Geschenk an die deutsche Frauenbewegung und an das Sicherheitsbedürfnis der deutschen Zivilbevölkerung – wie überhaupt die Asyldebatte – hilft, tatsächliche Missbildungen des deutschen Rechtswesens bzw. Verwaltungsapparates zu verschleiern. Das Nein heißt Nein ist eine Attrappe, die bestenfalls Diskussionsgrundlage wäre für die Wiederaneignung originärer, vernünftiger, sittlicher Freiheiten wie Werte, wie sie Wesen und Geist der Grundwerte-Ordnung sein sollten. Diese sind keine Kostenfrage. Sie müssen nur durchgesetzt werden (vgl.: Die Welt, Spoerr, Warum das neue Sexualstrafrecht wertlos ist), und das dürfte Kosten erzeugen, gerade aber auch gegen diejenigen, welche endlos meinen, man könne nicht auf Kosten anderer (Grund-) Werte für sich in Anspruch nehmen: an diesem Punkt treffen sich einige Debatten und Irrtümer. Die Gesellschaft hat in einigen Bereichen ein Problem mit der Anwendung des Begriffes der Verhältnismäßigkeit: während der Fall Natascha Kampusch für die Resilienz-Forschung nutzbar gemacht wird, während Arbeitslose mit monatelangen Übergriffen durch das Behördenpersonal rechnen müssen, was die Bedeutung des Wortes massiv erfüllt, werden die Ereignisse einer Nacht zu einer Staatsaffäre und einen Anschlag auf das System der Verfassung hochstilisiert.

Über Rösike Axel 13 Artikel
Vita Axel Rösike, Studium an der Freien Universität Berlin. Magister Artium. Einige Schwerpunkte: Ästhetische Theorie, Kritische Theorie, Konstruktivismus, Systemtheorie, Interpretation klassischer Texte der Philosophie, Philosophie Asiens: Buddhismus, Konfuzianismus. Wertethik, Kulturanthropologie. Entwicklungspsychologie, Selbstkonzept. Tätigkeit als Freier Journalist bzw. Autor.

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