Dein Herz, mein Herz – Interview mit Tamara Schwab zum Buch

Jetzt im Handel erhältlich!

Bildquelle Foto Tamara Schwab: Lisa Mussauer. Cover: mosaik Verlag.

Gestern hat Tamara Schwab ihr Buch „Dein Herz, mein Herz“. Wie mir eine Organspende ein zweites Leben schenkte im Mosaik Verlag veröffentlicht.

Hier die Ausschnitte aus dem Interview  von Julia Meyn mit Tamara Schwab zu ihrem Buch:

Liebe Tamara, 2020 hast du ein erstes Buch über deine Herzerkrankung veröffentlicht. Um was geht es in deinem neuen Buch „Dein Herz, mein Herz“?
In meinem ersten Buch „Mein Speed-Dating mit dem Tod“ erzähle ich den Anfang meiner ganz persönlichen Herzensgeschichte, die mit der ersten Diagnose „Herzmuskel-Entzündung“ und zwei Herzstillständen begann. Dieses Buch endet im Jahr 2019. Das zweite und neue Buch „Dein Herz, mein Herz“ setzt genau an dieser Stelle an und erzählt meine Geschichte weiter. Denn sehr unverhofft überschlugen sich wenig später die Ereignisse. Ich erhielt plötzlich eine vollkommen neue Diagnose: Ein unentdeckter genetischer Defekt war die wahre Ursache meiner Erkrankung. Und auch meine Situation eskalierte erneut. So schlimm, dass von einem Moment auf den anderen nur noch eine Lösung im Raum stand, die mir von den Ärzten erst für viele Jahre später prognostiziert worden war: Ich brauchte ein Spenderherz. Doch so einfach war das nicht. Ich musste kämpfen – gegen Ärzte, gegen meine Herzrhythmusstörungen und für mein Leben. Der Kampf hat sich aber gelohnt und ich lebe seit dem 1. August 2021 glücklich und gesund mit dem Herz eines fremden Menschen in meiner Brust. „Dein Herz, mein Herz“ nimmt die Leser mit auf diese emotionale Reise. Ich teile meine Geschichte, meine Gedanken und Gefühle während dieser herausfordernden Zeit und verrate den Lesern gleichzeitig wie man solch schwierige Lebenssituationen mental gesund bewältigen kann.

Deine gesundheitliche Biographie liest sich stellenweise wie ein Thriller. Wie schaffst du es, stets so positiv zu bleiben?
Mit der Antwort auf diese Frage kann ich ganze Bücher und Seminare füllen! Ganz grob gesagt: Ich bin überzeugt davon, dass ich bereits vor meinen gesundheitlichen Einbrüchen ein hohes Maß an Resilienz hatte und diese in meinen schweren Phasen weiter und weiter ausgebaut habe. Resilienz war wohl meine geheime Superkraft, die mir half, alles gut zu überstehen und dabei stets positiv zu bleiben. Aber was ist Resilienz genau? Resilienz ist unsere psychische Widerstandsfähigkeit, die uns dabei hilft, herausfordernde Lebensumstände ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen. Dabei besteht Resilienz aus mehreren Persönlichkeitseigenschaften. Zu diesen gehören zum Beispiel Lösungsorientierung, Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Optimismus, Akzeptanz und vieles mehr. Ich war zum Beispiel schon vor meiner Herzerkrankung ein sehr optimistischer Mensch. Diese Eigenschaft half mir auch in den schwierigen Zeiten felsenfest an das gute Ende zu glauben. Genauso wie ich schon lange überzeugt davon bin, dass man immer auf irgendeine Art und Weise Einfluss auf seine Situation nehmen kann und bei der Lösungsfindung manchmal nur kreativ werden muss. Doch diese Überzeugungen, Einstellungen und Eigenschaften müssen nicht in die Wiege gelegt sein, sondern man kann sie auch erlernen. Entweder auf die harte Tour in herausfordernden Zeiten, oder schon vorher. 

Im Buch berichtest du auch von einer Nahtod-Erfahrung. Wie war das für dich?
Meine zweite Nahtoderfahrung erlebte ich während meinem letzten Mal Kammerflimmern inklusive acht Elektroschocks meines implantierten Defibrillators. Nach den ersten beiden Schocks wurde ich ohnmächtig und plötzlich rasten ganz viele Bilder an meinem inneren Auge vorbei. So schnell, dass ich mich nicht mehr an den Inhalt der Bilder erinnern kann. Bis auf das letzte Bild. Denn das war wieder mein Blick vom Krankenbett aus. Ich war wieder wach. Schwestern wuselten um mich herum, große Aufregung war im Krankenzimmer. Doch sowohl bei meiner ersten Nahtoderfahrung, die ich während meines zweiten Herzstillstandes hatte, als auch bei dieser zweiten Nahtoderfahrung hatte ich nie das Gefühl, dass es etwas Schlimmes ist. Im Gegenteil – beim ersten Mal fühlte sich alles wie ein schöner Traum an. Bis ich wieder wach wurde und die Schmerzen durch die Elektroschocks spürte. Seitdem habe ich keine Angst mehr vor dem Sterben.

Weißt du wer der Spender deines Herzens ist?
Nein. In Deutschland ist es verboten, etwas über den oder die OrganspenderIn zu erfahren. Die einzige Möglichkeit, die es gibt, ist ein anonymer Dankesbrief, den man an die Spenderfamilie schreiben kann und der über die Klinik beziehungsweise die Deutsche Stiftung Organtransplantation an die Familie weitergegeben wird. Auf demselben Weg kann man auch eine Antwort zurückerhalten und so zumindest das Geschlecht oder andere kleine Details des Spenders oder der Spenderin erfahren. 

Hast du dein altes Herz noch einmal gesehen?
Wie gerne würde ich diese Frage mit „Ja“ beantworten. Ich hätte es wahnsinnig spannend gefunden, es genauer unter die Lupe zu nehmen, bevor es im ethischen Abfall und dann in der Verbrennungsanlage landet. Konnte man vielleicht sogar von außen die genetischen Veränderungen meines Herzens erkennen? Ich werde es leider nie erfahren. Doch spannend hätte ich es gefunden. Vor allem: Wer kann schon von sich behaupten, dass er sein eigenes Herz gesehen hat?

Wie lange „hält“ das neue Herz? Hast du seit dem 1. August 2021 eine normale Lebenserwartung?
Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Spenderherzens liegt laut der Deutschen Herzstiftung bei rund zehn Jahren. Danach kann aber noch eine Retransplantation, also eine zweite Herztransplantation, weitere Lebensjahre schenken. Ich orientiere mich persönlich lieber an Beispielen aus meinem direkten Bekanntenkreis: Personen, die seit 30 Jahren herztransplantiert sind und denen es gut geht. Oder der Mensch, der bereits vor 40 Jahren sein Spenderherz bekam und damit der älteste Mensch in Deutschland ist, der am längsten mit einem einzigen Spenderherz lebt. Diese Personen sind meine Vorbilder.

Was wünschst du dir für die Organspende in Deutschland?
Ich wünsche mir mehr Menschlichkeit, mehr Nächstenliebe und andere Organspendegesetze für unser Land. Spanien ist hier ein ganz tolles Beispiel: Organspender werden dort als wahre Helden gefeiert, es herrscht ein ganz anderes gesellschaftliches Ansehen von Organspendern. Und auch die Gesetze sind dort viel bessere als unsere. Beispielsweise herrscht dort die Widerspruchsregelung: Man muss aktiv „Nein“ und nicht aktiv „Ja“ sagen. Als Spendekriterium gilt nicht nur der Hirntod, sondern auch der Herztod. Und Spaniens Gesundheitssystem ist in Hinblick auf die Organspende auch viel besser organisiert als das deutsche Gesundheitssystem. Hier kann sich Deutschland viel abschauen – und muss dies auch dringend tun! Damit die Statistik in Deutschland nicht mehr länger täglich drei Tote vermerken muss, die auf der Warteliste standen und nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhielten.

Danke für deine Zeit, liebe Tamara.

 

Das Interview führte Julia Meyn.