Dieter Landuris zum Tod von Richard Rigan
Sein ganzes Leben widmete Richard Rigan dem Rock’n’Roll. Am Donnerstag, den 12. Januar 2023 ist der „Elvis von Schwabing“ im Alter von 77 Jahren gestorben. München ist ein Stückchen leiser geworden.
Richard Rigan wuchs in der Barerstraße auf und machte seit seiner Jugend Rock’n’Roll. Von 1978 bis 1986 hatte der „Elvis von Schwabing“ seinen eigenen Live-Club, den Rigan-Club in der Herzogstraße. Zuletzt schrieb er an seinem dritten Buch „Virus der Akademiker-Verblödung“. Gelegentlich trat er auch noch mit seiner Rock’n’Roll-Show auf – und da ging es genauso turbulent zu wie früher. Von 1978 bis 1986 hatte der Musiker seine eigene Live-Bühne in München, den Rigan-Club in der Herzogstraße. Neben unzähligen Rock’n’Roll-Combos spielten dort neben der Steelyard Blues Band, das war seine Band, auch die Bay City Rollers und Nina Hagen. Wegen Lautstärkeproblemen mit den Nachbarn schloss er seinen Club.
Der Rock’n’Roll war Rigans Leben. In seiner Jugend pflegte Richard Winter – wie Rigan bürgerlich hieß – seine Elvis-Frisur und färbte seine Haare blauschwarz, nachzulesen in seiner 1997 erschienenen Autobiographie „Rock’n’Roll und Sex und keine Lügen“. Rigan lernte Kaufmann, aber eigentlich bereitete er sich schon früh auf ein Bühnenleben vor. Seine erste Band, The Demoniacs, gründete er als Schüler, mit seiner zweiten Band, Twilight Five, spielte er in Hamburg im „Star Club“, im Vorprogramm einer Combo, die später Weltruhm erlangen sollte: The Beatles.
Aber Rigan interessierte nur der King. Als Richard Rigan am 16. August 1977 von Elvis Presleys Tod erfuhr, stand er gerade auf der Bühne. Er brach das Konzert ab. Seit letztem Jahr ist auch der „Elvis von Schwabing“ tot. München ist seitdem ein Stückchen leiser geworden.
Richard Rigan: „Es ist nicht möglich, die Zeit zurückdrehen. Das Schwabing, das wir jetzt haben, ist ein Konzeptschwabing, es geht ums Geschäftemachen. Mit den überhöhten Pachten rund um die Leopoldstraße ist es gar nicht mehr möglich, eine normale Kneipe zu eröffnen. Die Wirte müssen eine Geschäftsidee haben und beten, dass der Umsatz jeden Tag stimmt. Das Alte Schwabing, das Künstlerviertel – das ist vorbei.“ Das waren immer Richie‘s Worte. Ausserden sagte Rigan: „Das Besondere bei mir im Rigan-Club war, dass ich nicht auf den Umsatz schauen musste. Ich bin jahrelang als Musiker durch die Welt getingelt und kannte die ganze Popliga. Durch meine eigenen Auftritte und die der weltweiten Rockprominenz, die bei mir für Spesen aufraten, hatte ich mein Image und der Club war von Donnerstag bis Samstag immer voll.“
Rigan: „The Searchers, Marmalade oder Bay City Rollers – sie haben alle in meinem Club gespielt. Deswegen konnte ich von Sonntag bis Mittwoch junge Bands auftreten lassen, ohne Rücksicht darauf, ob der Club leer oder voll ist. Im Rigan-Club haben auch die ersten Punkgruppen gespielt. Da war das Wort Punk in Deutschland noch gar nicht bekannt. Da gab es sehr, sehr viele. Einmal hat Nina Hagen so viel Anlage mitgebracht, dass wir keinen Gast mehr reingebracht haben. Nina hat dann gesagt: „Vor so wenig Leuten spiele ich nicht.“ Paul Breitner hat mal einen Abend hier Schlagzeug gespielt. Und Mike Oldfield ist mal über eine Stunde lang mit einer Schülerband aufgetreten – und ich habe gar nicht gemerkt, dass es der Mike Oldfield ist. Übrigens spielte im Rigan Club jeden donnerstags Richard Rigan mit seiner legendären Band, dem „Rigan Clan“. Da hat der Laden immer gekocht. Und 1982 spielte sogar eine Vorband: Die „Steelyard Blues Band“, meine Rock‘n‘Roll Band damals.“
Mit Christopher Rockingham-Gil an der Gitarre, Uli Geissendörfer am Schlagzeug und Jens Schmidl an der Solo Gitarre. So hab ich den Richard übrigens kennen und schätzen gelernt. Er hatte eine Vorgruppe gar nicht nötig, hat uns aber als junge Band die Chance gegeben ein paar Wochen lang regelmässig vor Publikum zu spielen und Erfahrungen zu sammeln. Das hab ich ihm nie vergessen. Im Laufe der Jahre hab ich hin und wieder seine Auftritte in Schwabing besucht und wenn er mich im Publikum sah, hat er mich stets für 2 bis 3 Nummern auf die Bühne geholt. Ob mit Band bei den weissen und schwarzen Faschingsfesten in der Max Emanuel Brauerei oder später nur mit Christopher Rockingham-Gil am Piano in der Rheinpfalz, immer hatten wir jede Menge Spass zusammen auf der Bühne.
1999 hab ich dann Richard dem Filmregisseur Andreas Lechner vorgestellt. Für eine der Hauptrollen in dem Münchner Independent Kinofilm „Schmetterlinge der Nacht“ suchte er noch einen Darsteller. Bei unserem nächtlichen Treffen in dem Szene Italiener „Adria“ in Schwabing war Anderl sofort begeistert von Richard Rigan. Er hat mir unter dem Tisch ins Bein gekickt, quasi als Zeichen, dass er perfekt wäre für den Part des fiesen mafiösen Münchner Taxiunternehmers. Seine Präsenz in dem Film hat nicht nur die Filmkritiker begeistert.
Anlässlich seines Geburtstags zeigt der Regisseur Andreas Lechner in einer Sondervorstellung als Premiere der neuen digitalisierten Fassung, am 18.4.2024 um 20h noch einmal seinen Münchner Kultfilm Film „Schmetterlinge der Nacht“(2000) im Filmtheater Sendlinger Tor, den er im Eigenverleih in die Kinos brachte, und der allein in München 29 Wochen im Maxim Kino an der Donnersrbergerbrücke lief. Premiere hatte der Film 1999 bei den Hofer Filmtagen.
Im Anschluss wird es ein paar Worte von Weggefährten auf der Bühne geben und in einem kleinen Konzert wird Dieter Landuris zusammen mit Christopher Rockingham, der Musiker der zuletzt immer mit „Richie“ auftrat, spielen. Vielleicht springen ja noch noch ein paar Rock‘n’Roller von Richard Rigans Band, dem „Rigan Clan“, dazu und erinnern an eine Münchner Rock’n’Roll Legende.
„Schmetterlinge der Nacht“ – Pressestimmen
„Bayerischer Indie … Eine echte lndie-Produktion stellte Lechner auf die Beine: Ohne Fernsehsender bzw. Verleih im Rücken verzichteten sämtliche Beteiligten auf ihre Gagen … Gedreht wurde in spätwinterlichen Nächten.“
Blickpunkt Film, Thomas Blieninger im Juli 1999
„Mit seinen „Hot Dogs“ – ein Lowbudget-Film über die Kids vom Hasenbergi – landete der Münchner Autor, Komponist, und Nachwuchsfilmer (-) 1998 ganz überraschend in der „Deutschen Reihe“ in Cannes … Schmetterlinge suchen Sponsoren … sind auf die Hofer Filmtage eingeladen … Ob es Lechner bis Oktober schafft, steht in den Sternen. Es lohnt sich, will man Dieter Landuris glauben: „Das ist ein Ausnahmeprojekt. So etwas gibt’s in München viel zu wenig.“
Münchner Abendzeitung, Juliane Nitzke-Dürr 30.8.1999
„Internationale Hofer Filmtage: Dörrie, Herzog, Naumann … Unter den 23 neuen deutschen Filmen: „Schmetterlinge der Nacht“ von Andreas Lechner. Und Kulturminister Naumann stellt sein „Bündnis für den Film“ vor.“
Münchner Abendzeitung, Angie Dullinger 27.10.1999
„So ist halt Underground … München bei Nacht ist ein poetischer Ort … Man denkt da zum Beispiel an May Spills „Zur Sache Schätzchen“, aber auch an „Nach fünf im Urwald“ von Hans-Christian Schmid … Noch nie, auch nicht in den vielen TV-Krimis, die in München spielen, hat aber einer den Versuch gemacht, einen richtigen ,,hard boiled“ Kriminalfilm im amerikanischen Stil in München zu drehen … den sein Regisseur lieber als „Märchen im Gangstermilieu“ beschreibt …. Es ist ein echtes Independent-Produkt“…
Münchner Merkur, Rüdiger Suchsland 3.11.1999
„Film mit Münchner Kult-Potential“
Münchner Abendzeitung, Antonio Seidemann 5.12.1999
„Ein spannender Film … ein schräger Film mit Aktion und Situationskomik … in nächtlichen Bildern von grellen Lichtpunkten, farbigem Zwielicht und Finsterniss.“
Tiroler Nachrichten 7.3.2000
„Ein guter Film … bilderreich, charmant, komisch und tragisch“
in münchen 6.4.2000
„Lechner gelang ein liebenswerter Spinnerfilm – ein Atmoshäre-Poem für München bei Nacht und die Philosophie des Taxifahrens, mit der Sentimentalität eines Dramas und der schwarzen Komik einer Killergroteske.“
Münchner Abendzeitung, Ponkie 13.4.2000
„…ist der Film so ganz und gar nicht eine verblasene Poetenträumerei, weit mehr ein Tatort unter Ausschluss von Kommissaren. Er spielt ausschließlich in der (grandios ausgeleuchteten) Münchner Nacht in der sensible Taxifahrer mit der Unterwelt im Konflikt leben.“
TZ München, Reiner R. Seipel 22.4.2000
„Ein satirischer München-Thriller, eine Kriminalgroteske im Taxler-Milieu – gewissermaßen der Versuch einer Münchner Antwort auf „Pulp Fiction“.., eine Hommage an die Nacht. Und München bei Nacht, sorry liebe Berliner, ist einfach die Hauptstadt: der Schönheit nämlich, der Spinner und der Poesie.“
Süddeutsche Zeitung, Christine Dössel 28.4.2000
„Die Geschichten schweben wie Schmetterlinge, eine Metapher fürs Leben. Leben und Tod, Gut-und Bösespiel auf beinahe mythischer Ebene, modernes Märchenparabel und brutale Realität, alles vereint sich in beinah verstörender Dichte.“
Passauer Neue Presse, Stefan Rammer 1.7.2000
„Die Liebenden von der lsarbrücke… Lechner, bisher Komponist, Schauspieler und Underground-Filmer, präsentiert mit „Schmetterlinge der Nacht“ einen charmanten Atmosphärefilm für Taxifahrer und andere Nachtschwärmer, der sich zu Romantik und Kitsch bekennt und seinen schwarzen Humor überzeugend entwickelt … Es ist ihm gelungen.“
Christian Melüh, Hamburger Abendblatt 17.8.2000
„Regisseur Andreas Lechner verlegt „Taxi-Driver“ kurzerhand an die Isar … eine Mischung aus brutalem Gangsterfilm und einer Lovestory.“
Ansgar Vaut, Hamburger Morgenpost 17.8.2000
„Der Film „Schmetterlinge der Nacht“ von Andreas Lechner erzählt von Eva, die die letzte Trambahn verpasst und dabei auf den Taxifahrer Richie trifft. Was anfangs als zarte Liebesgeschichte anmmutet, entpuppt sich bald als grotesker Kriminalfall. Lechners Independent-Produktion ist eine Genremix aus modernem Märchen und brutalem Realismus.“
Tipps der Kulturzeit / 3Sat; Sendung vom 16.8.2000
„Mit feinsinniger, wieder mit kongruent in Bildern, Mimik und Worten ausgedrückter Ironie entlarvt Lechner die Münchner Fassade öffentlichen Lebens. Er stellt ihr mit ebenso gelungenen, aber einfühlsamen Szenen den Zauber einer jungen Liebe entgegen und erzählt in nüchternen, sympathischen Bildern die Geschichte von Freundschaft, Solidarität und Zivilcourage der Taxifahrer.“
„Wolfsburger Nachrichten, Hans-Adelbert Karweik 2.9.2000
„Schmetterlinge der Nacht“ fliegen wieder“
TZ München, Rolf May 14.9.2000
„Für die vorsichtig-schüchterne Annäherung seiner Helden findet er melancholische Töne: triste Klänge aus Verdis „La Traviata“. Die schöne unnahbare Eva erinnert entfernt an Dumas‘ „Kameliendame“. Wie diese schmückt sie sich mit einer exotischen, sternenförmigen Blume. Darin liegt ihr Geheimnis.“
Berliner Morgenpost, Kirsten Liese 21.9.2000
„Vielleicht gehört „Schmetterlinge der Nacht“, der sich tief in den Bauch der Stadt begibt, um dort einen Zipfel Echtes zu erhaschen, zu den Filmen, die es braucht, damit man irgendwann von einem jungen Talent mit einem Geniestreich überrascht wird. Mit einem echten Kinofilm, den wir dann „Die liebenden von der Isarbrücke“ nennen und ins Ausland verscherbeln. In dem junge Leute das Autoradio aufdrehen und dazu tanzen dürfen, bis die Batterie alle ist. In dem sich aufmüpfige Taxier gegen den bösen Boss zum Konvoi formieren. Und sollte es sich beim Regisseur dieses Filmes um Andreas Lechner handeln: hofftIich traut er sich dann noch, die Münchner Schickimickis so vorzuführen, wie er es hier in einer wunderbaren Tischszene gemacht hat. Das ist nämlich kein ,,Derrick“ mehr, und nicht mal Helmut Dietl. Das ist schönster Bunuel.“
Berliner Zeitung, Philipp Bühler 21.9.2000