Vor 25 Jahren starb Ibrahim Böhme, der im Stasi-Auftrag die Neugründung der DDR-SPD gesteuert hat

Seine Tochter Tatjana Böhme-Mehner hat über ihren Vater ein Buch geschrieben

gefängnis ddr stasi überwachung berlin, Quelle: falco, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

Vor 25 Jahren starb Ibrahim Böhme, der im Stasi-Auftrag die Neugründung der DDR-SPD gesteuert hat. Seine Tochter Tatjana Böhme-Mehner hat über ihren Vater ein Buch geschrieben. Von Benedikt Vallendar.

Die Suche nach dem Vater beginnt mit dessen Tod. Und schon lange davor wird sich Tatjana Böhme-Mehner von ihm verabschiedet haben. Denn das Buch, das sie über ihn, den einst hoffnungsvollen Nachwendepolitiker der SPD veröffentlicht hat, wirkt über weite Strecken abgeklärt, analytisch und emotionslos, fast distanziert gegenüber einem Menschen, der ihr eigentlich hätte nahe stehen müssen. Und doch wird beim Lesen spürbar, wie die damals pubertierende Tochter auf ihren Vater fixiert war und wie zahlreich jene Momente waren, in denen sie ihn als Mentor, Beistand und eben auch als Vater gebraucht hätte.

„Warten auf den Vater – Erinnerungen an Ibrahim Böhme“, so der viel- und zugleich wenig sagende Buchtitel, ist weder eine Hommage noch ein Memorandum an jemanden, der der DDR-Staatssicherheit über mehr als zwei Jahrzehnte unter verschiedenen Decknamen teils intimste Informationen über Dissidenten und deren Familienangehörige geliefert hat. Enttarnt wurde Ibrahim Böhme schließlich durch die Stasi-Akten des Schriftstellers Reiner Kunze („Die wunderbaren Jahre“). Und gleichwohl die Beweise erdrückend waren, bestritt der gelernte Maurer und Hobbydichter bis zuletzt, für die Staatssicherheit gearbeitet zu haben. Zigaretten und vor allem der Alkohol bestimmten fortan sein Leben. Von diesem Leben, vom Doppelleben ihres Vaters erfuhr die 1976 geborene Autorin, nach eigenem Bekunden, erst nach dem Mauerfall. Und es mussten wohl dreißig Jahre vergehen, um die Erinnerungen an ihn in einem knapp 200 Seiten starken Buch zusammenfassen zu können.

Tatjana Böhme-Mehner ging ihren Weg auch ohne den Vater, sie machte Abitur, promovierte in Musikwissenschaft und arbeitet heute in verantwortlicher Position in Luxemburg.

Tatjana Böhme-Mehner
Warten auf den Vater. Erinnerungen an Ibrahim Böhme
Europaverlag Berlin
208 Seiten; 18 Euro

Tatjana Böhme-Mehner
Warten auf den Vater. Erinnerungen an Ibrahim Böhme
Europaverlag Berlin
208 Seiten; 18 Euro
ISBN-10: 395890274X

Über Benedikt Vallendar 83 Artikel
Dr. Benedikt Vallendar wurde 1969 im Rheinland geboren. Er studierte in Bonn, Madrid und an der FU Berlin, wo er 2004 im Fach Geschichte promovierte. Vallendar ist Berichterstatter der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt am Main und unterrichtet an einem Wirtschaftsgymnasium in Sachsen.