Zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine veröffentlicht die Klassik Stiftung Weimar einen neuen Beitrag der ukrainischen Autorin, Verlegerin und Übersetzerin Kateryna Mishchenko. Es ist der siebte Teil ihrer vor zwei Jahren gestarteten Gast-Kolumne Krieg und Sprache auf dem Blog der Stiftung, die sie in diesem Jahr fortsetzt. Sie reflektiert darin die Nachrichten, Bilder und Informationen, die aus ihrer ukrainischen Heimat zu ihr dringen und setzt sie in Beziehung zu ihrer persönlichen Situation im deutschen Exil.
„Vernichtungskrieg ist ein deutsches Wort. Und es bezeichnet sehr genau, was sich in meinem Land heute abspielt und gleichzeitig: nachgespielt wird“, schrieb Mishchenko in ihrem ersten Beitrag. Damit eröffnete sie eine historische Dimension, deren Tragweite uns auch heute wohl noch immer nicht vollends bewusst ist. Und sie rief sofort auf, mit welchem Instrument sie selbst dieser Situation begegnet: mit den Mitteln der Sprache und der präzisen Beobachtung, literarischen und kulturellen Verschiebungen, Überblendungen, assoziativen Ketten und Sprüngen.
Zwei Jahre sind vergangen, seit am 24. Februar 2022 die russische Armee die Ukraine angegriffen und in einen verheerenden Krieg gezwungen hat. Seitdem wird jeden Tag das Recht vieler Millionen Menschen auf ein unversehrtes Leben in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung mit Bomben und abscheulichen Gewalttaten gebrochen, und eine demokratisch verfasste Nation ihrer kulturellen Identität, ihrer politischen und territorialen Autonomie beraubt.
Zwei Jahre, die Kateryna Mishchenko in Menschenstunden übersetzt: „Unsere Menschenleben kompensieren die Zeitstunden für andere“, schreibt die Autorin in ihrem siebten Beitrag, und meint mit den anderen: uns. Auch die Angreifer bezahlen mit Leben: „Nach Schätzungen des ukrainischen Verteidigungsministers kostet den Russen ein Quadratkilometer unseres Landes vierhundert Menschen.“ Nach zwei Jahren kommt sie zu einer ernüchternden, die „unklare Dimension des Schrecklichen“ bis weit in die Zukunft ausdehnenden Gewissheit: „Die Verbrechen enden nicht.“
Die Klassik Stiftung Weimar eröffnet mit Gast-Kolumnen wie Kateryna Mishchenkos Krieg und Sprache oder der dialogischen Reihe Gleichzeit der jüdischen Autor*innen Sasha Salzmann und Ofer Waldman Diskursräume für die drängenden Fragen der Gegenwart.
Literarische und kulturelle Praxis, individuelle Stimmen und Erfahrungen, ein Erkennen des Eigenen im Anderen sind die Wegweiser der im Blog verhandelten Themen und Perspektiven. Eingebettet in die lokale und digitale Wissens- und Überlieferungstopographie der Stiftung mit dem ältesten Literaturarchiv Deutschlands, den Häusern und schriftlichen Nachlässen von Goethe, Schiller, Wieland, Nietzsche und vielen mehr, den Aufbrüchen in die Moderne und dem Weimarer Zeugnis des abgrundtiefen Scheiterns in Gestalt des Lagers Buchenwald unternimmt die Stiftung den Versuch, die Erfahrungen der Vergangenheit im Prisma der Gegenwart zu betrachten.