Ab heute verhandelt der High Court in London eine zweitägige Anhörung über die Auslieferung von Julien Assange an die USA statt. Sollten die Richter entscheiden, dass er keine Berufung einlegen darf, könnte er ziemlich schnell abgeschoben werden. Von Helmut Ortner.
Ginge es mit rechten Dingen zu, dann wäre Julian Assange schon seit Jahren auf freien Fuß, aber es geht nicht mit rechten Dingen zu; Julian Assange ist seit 2010 kein freier Mann mehr und auch nicht bei guter Gesundheit. Und so ist zu befürchten, dass in dem Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarshein Mensch sein Leben verliert, dessen Körper den harten Haftbedingungen nicht mehr gewachsen ist. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod.
Seit fast fünf Jahren ist Assange in London inhaftiert. Seinen Kampf, nicht in die USA ausgeliefert zu werden, kämpft er schon länger. Nun könnte es zu einer abschließenden Entscheidung kommen: ab heutigen Dienstag steht der gebürtige Australier wieder vor Gericht, vor dem britischen High Court. Dieser entscheidet darüber, ob der Wikileaks-Gründer die vom Innenministerium Großbritanniens freigegebene Auslieferung in die USA weiter anfechten darf – oder ob er vor britischen Gerichten alle rechtlichen Widerspruchsmöglichkeiten ausgeschöpft hat.
Sollte sein Einspruch abgelehnt werden, würde dasAuslieferungsverfahren beginnen – eine Entscheidung zeitnah erfolgen. Assanges Unterstützer haben für diesen Fall angekündigt, auch noch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. Die Befürchtung ist, dass Assange in den USA keinen fairen Prozess erhalten wird. Da er beschuldigt wird, gegen den EspionageAct verstoßen zu haben, sind seine Möglichkeiten zur rechtlichen Verteidigung stark eingeschränkt. Die Öffentlichkeit wird zudem von einem Großteil eines US-Prozesses ausgeschlossen sein. Es droht ihm eine Haftstrafe von bis zu 175 Jahren wegen Spionage.
Neben einem Erfolg im juristischen Tauziehen erhoffen sich die Unterstützer und Anwälte Assanges eine politische Lösung. Erst in der vergangenen Woche verabschiedete das australische Parlament einen Beschluss, in dem die USA und Großbritannien aufgerufen wurden, die Strafverfolgung Assanges zu beenden. US-Außenminister Antony Blinken hat den Forderungen nach einem Ende der Strafverfolgung bislang immer wieder Absagen erteilt. Und diedeutsche Regierung? Was tut sie? Von der Ampel-Bundesregierung wird verlautbart: Die Zuständigkeit liege bei der britischen Justiz. Ein beschämendes Wegducken. Solange sie in der Opposition saß, bezog etwa Annalena Baerbock klar Stellung für Assange. Nun als Außenministerin nimmt sie sich in der Sache zumindest öffentlich wahrnehmbar zurück. Gerade nach dem Tod Alexej Nawalnys, der in einem russischen Straflager von Putins Schergen umgebracht wurde, wäre im Fall Assanges lauter Protest Pflicht. Gegen Verfolgung und Justiz-Willkür. Menschenrechte sind unteilbar. FrauAußenministerin, Herr Bundeskanzler beziehen Sie Stellung. Lasst Assange frei!