Pressemitteilung – Inwiefern wurden die Traumata und Prägungen der Kriegsgenerationen auf spätere Generationen übertragen? Um diese Frage kreist von Ende Januar bis Ende März die Reihe „Wie wir wurden, was wir sind“ in der Pasinger Fabrik. Im Zentrum steht die Ausstellung „Generation Transmission, Pictured“ der Münchner Künstlerinnen Nana Dix, Anja Frers und Uschi Siebauer, deren Vernissage am 21. Februar stattfindet. Daneben gibt es Lesungen, Diskussionen, einen Dokumentarfilm und vier Theaterstücke. Darunter sind – erstmals in der Pasinger Fabrik – Gastspiele der Münchner Kammerspiele und des Residenztheaters. Neu und zukunftsweisend ist auch der Ansatz, die vielfältigen kulturellen Angebote des Hauses mit Blick auf ein übergreifendes Thema zu kuratieren.
Die Münchner Künstlerinnen Nana Dix, Anja Frers und Uschi Siebauer – geboren zwischen 1962 und 1972 – beschäftigen sich in der Ausstellung „Generation Transmission, Pictured“ mit der Frage, wie nachhaltig Weltkriege, NS-Ideologie und autoritäre Erziehungsideale ihre Eltern und Großeltern geprägt haben und wie sich das auf ihre eigene Entwicklung ausgewirkt hat. Ihre Bilder basieren meist auf persönlichen Geschichten: von der Münchner Urgroßmutter, die im Ersten Weltkrieg ihren ersten Ehemann verlor und im Zweiten Weltkrieg ihren zweiten; von Vertriebenen aus Böhmen; von Vorfahren jüdischer Herkunft; von Nana Dix‘ Großvater Otto Dix, der als „entarteter Künstler“ verfolgt wurde. Sie beschäftigt sich zudem – aus persönlicher Sicht – mit den Misshandlungen zahlloser „Verschickungskinder“ in Kinderkurheimen, die noch bis in die Neunziger Jahre durch einen aus der NS-Zeit stammenden Erziehungsstil geprägt waren. Die Ausstellung feiert am 21. Februar um 19 Uhr Vernissage und ist bis zum 24. März zu sehen (Di bis So, 16 bis 20 Uhr, 6 Euro, erm. 4 Euro).
Am 1. März diskutieren die drei Künstlerinnen über die Frage „Wie wir wurden, was wir sind“ mit dem renommierten Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer, einem Experten zum Thema transgenerationale Weitergabe (20 Uhr, 10 Euro, erm. 8 Euro). Führungen gibt es am 5. März mit Uschi Siebauer, am 12. März mit Nana Dix und am 15. März mit Anja Frers (jeweils 19 Uhr, 6 Euro, erm. 4 Euro). Ein Werkstattgespräch mit Uschi Siebauer findet am 22. März um 17 Uhr statt (8 Euro).
Den Auftakt der Veranstaltungsreihe macht am 31. Januar das englischsprachige Theaterstück „Kindertransport“. Es handelt von einem deutsch-jüdischen Mädchen, das 1939 dank einer britischen Rettungsaktion nach England emigrieren kann – allein und ohne Familie. Als Erwachsene verleugnet sie ihre Wurzeln, doch als ihre Tochter Fotos auf dem Dachboden entdeckt, ist sie gezwungen, sich der Wahrheit zu stellen (19 Uhr, 20 Euro).
„Die Ereignisse“ von David Greig ist ein Gastspiel des Münchner Residenztheaters unter der Regie von Daniela Kranz. In dem Stück wird Claire, die Seelsorgerin in einer Kleinstadt, Zeugin einer unbegreiflichen Tat: Ein Amokläufer tötet mehrere Mitglieder eines Chors, der sozial Benachteiligten einen Ort der Gemeinschaft bietet. Toleranz, Offenheit und Solidarität, die Grundfesten von Claires Gemeindearbeit, sind zutiefst erschüttert. Doch sie versucht weiterhin, die traumatisierten Mitglieder des Chors zusammenzubringen (10. Februar, 20 Uhr, mit dem Münchner Stephanus Voices Gospel Chor, im Anschluss Publikumsgespräch, 20 Euro, erm. 10 Euro).
Die Kammerspiele bringen das Stück „Frau Schmidt und das Kind aus Charkiw“ nach Pasing, das Anne Habermehl geschrieben hat und selbst inszeniert: Ein deutscher Soldat, der nach der Rückkehr aus der Ukraine in seinem Wesen verändert ist, versucht mit seiner Frau einen Neuanfang. Und ein Paar, das viele Jahrzehnte später einen Jungen aus Charkiw adoptiert, sieht sich mit der Frage konfrontiert, ob Traumata räumliche und zeitliche Grenzen haben (14. Februar, 20 Uhr, im Anschluss Publikumsgespräch mit Kammerspiele-Chefdramaturgin Viola Hasselberg, 20 Euro, erm. 10 Euro).
Das Theaterstück „Zigeuner-Boxer“, eine Produktion der Tollhaus Theater Compagnie, ist die von Hans rückblickend erzählte Geschichte seiner Freundschaft zu dem Boxer Ruki, der sich im Ring leichtfüßig-tänzelnd und schneller als alle anderen bewegte. Einfach löschen will Hans die Erinnerung an den Sommer, in dem die Nationalsozialisten dem „Zigeuner-Boxer“ den Meistertitel nahmen, und erst recht loswerden will er die Bilder vom Wiedertreffen mit Ruki im Arbeitslager. „Zigeuner-Boxer“ nach der Lebensgeschichte von Johann „Rukeli“ Trollmann handelt von Unrecht und Schuld, aber auch von Zivilcourage und Mut (28. und 29. Februar, 20 Uhr, 16 Euro, erm. 12 Euro).
Die Podiumsdiskussion „Generation Schweigen“ dreht sich um die transgenerationalen Dynamiken jüdischer Familien. Die Shoah übt starken Einfluss auf die Nachkommen der Überlebenden aus. Bei dem Gesprächsabend zum „Erbe“ der dritten Generation kommen der Psychologe und Autor Louis Lewitan, die Künstlerin Ilana Lewitan, deren Tochter Joelle und der „Zeit“-Journalist Stephan Lebert zu Wort (13. März, 20 Uhr, 14 Euro, erm. 10 Euro).
Die renommierte Münchner Schauspielerin Michaela Steiger liest aus „Mütter, Väter und Täter“, dem neuen Essayband der New Yorker Erfolgsautorin Siri Hustvedt. So intim sich diese Reise durch die Facetten des Menschseins präsentiert, so universell ist sie. Ein lebenskluger Blick auf Hustvedts Auseinandersetzung mit der Frage, wie wir funktionieren und was uns als Menschen zusammenhält. Begleitet wird der Abend von dem Komponisten Michael Armann am Piano (15. März, 20 Uhr, 18 Euro, erm. 15 Euro)
Die Regisseurin Sandra Prechtel präsentiert ihren Dokumentarfilm „Liebe Angst“: Kims Mutter Lore hat als kleines Kind die Shoah überlebt, seither bestimmt Angst ihr tägliches Handeln. Dann will ihre Tochter Kim etwas daran ändern und begibt sich mit der Mutter auf eine Reise der Erinnerung (20. März, 20 Uhr, 10 Euro, erm. 8 Euro).
Andrea Heuser liest aus ihrem Roman „Wenn wir heimkehren“, der auf der Geschichte ihrer Familie basiert. Darin erzählt sie von Schuld, Verdrängung und dem Wunsch nach Verwurzelung (22. März, 19 Uhr, 10 Euro).
Ab dem 11. April folgt eine Veranstaltungsreihe, die thematisch direkt anknüpft: In ihrem Zentrum steht die Ausstellung „Tanzen mit dem Feind“ über das Leben der niederländischen Tänzerin und Auschwitz-Überlebenden Roosje Glaser. Die Ausstellung erzählt die Geschichte einer unbeugsamen Frau – und macht zugleich anschaulich, dass Verfolgung und Holocaust bis in die Lebensgeschichten der folgenden Generationen hineinreichen.
Detailliertere Informationen zu allen Veranstaltungen der Reihe „Wie wir wurden, was wir sind“ finden Sie unter pasinger-fabrik.de.
Tickets an der Kasse der Pasinger Fabrik, August-Exter-Straße 1, 81245 München,
Di-So: 17.30 – 20.30 Uhr, Tel: 089 / 82 92 90 79 oder über www.muenchenticket.de