Politik besteht weder aus der beliebigen Abarbeitung von Parteiprogrammen noch aus dem sturen Festhalten an einem Koalitionsvertrag. Unsere Zeit unterliegt schon ohne Kriege und Krisen einem beständigen Wandel, den muss die Politik aufnehmen und in politische Entscheidungen übersetzen.
Wenn so tiefgreifende Ereignisse wie der Krieg in der Ukraine und die Terroranschläge in Israel hinzukommen, dann muss die Politik ihre Prioritäten überprüfen und neu ordnen. „Zeitenwende“ hat der Bundeskanzler den Beginn des Krieges in der Ukraine vor fast zwei Jahren genannt. Heute wissen wir: Es ist weit mehr als eine Zeitenwende, es ist ein Epochenbruch. Es ist eine tiefe Zäsur in unserer Geschichte, und wir wissen noch nicht, wie die Zeit danach aussieht: nach dem Krieg gegen die Ukraine, aber auch nach dem brutalen Aufbrechen des alten Konflikts im Nahen und Mittleren Osten, jeweils mit beteiligten autoritären Regimen, die fast jede Eskalationsdominanz in der Hand haben. Zugleich sehen wir jeden Tag, wie der Klimawandel auch unser Leben immer häufiger beeinträchtigt. Was also ist zu tun?
Im Grunde gibt es nur zwei wirklich wichtige Aufgaben für die nationale und die internationale Politik, die es jetzt anzupacken gilt: Wir müssen unsere Freiheit verteidigen, und wir müssen unseren Wohlstand erhalten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, denn alles weitere leitet sich daraus ab: Ohne Freiheit gibt es keinen Frieden, und ohne Wohlstand gibt es keinen Sozialstaat mehr, wie wir ihn uns wünschen, und auch keine Klimapolitik mehr, wie wir sie brauchen.
Diese Prioritäten zu setzen, erfordert zunächst und vor allem die richtige Kommunikation. Die Bevölkerung muss auf diesem Weg mitgenommen werden. Sie muss verstehen, warum die Politik so und nicht anders handelt. Damit werden für den Augenblick andere, durchaus wünschenswerte Aufgaben weniger wichtig. Das muss sich auch im Staatshaushalt abbilden, der ohnehin nicht alle Wünsche erfüllen kann. Für beides, die Verteidigung unserer Freiheit und die Bewahrung unseres Wohlstandes, braucht es viele, die mit anpacken, auf allen staatlichen und privatwirtschaftlichen Ebenen ebenso wie im ehrenamtlichen Engagement. Stattdessen finanziert der deutsche Staat in bisher nicht gekanntem Ausmaß Arbeitslosigkeit und Nichtstun. Fast zehn Prozent des Bundeshaushaltes, rund 40 Milliarden Euro gibt die Bundesregierung für das sogenannte „Bürgergeld“ aus, eine steuerfinanzierte Transferleistung, die sehr vielen Menschen im Land fast jeden Anreiz nimmt, im Arbeitsmarkt aktiv dabei zu sein, wenn es darum geht, diese beiden wichtigsten Aufgaben unseres Landes zu bewältigen.
Ähnlich große Summen verschlingt die „Transformation“ unserer Volkswirtschaft hin zur Klimaneutralität. Statt Mechanismen wie die zunehmende Bepreisung der klimaschädlichen Schadstoffe wirken zu lassen, wird das Geld zwar gern eingenommen, aber dann nach parteipolitischen Präferenzen in Form von Fördergeldern und Subventionen neu verteilt. Die Ampel verstrickt sich dabei in immer tiefere Widersprüche und kommt aus dem Streiten nicht mehr heraus. So beschädigt man gleich beides: Den Klimaschutz und das Vertrauen in die Politik.
Geht das auch anders? Ja, natürlich! Das würde aber voraussetzen, dass die Politik nicht im Mikromanagement alles regeln will, sondern Mechanismen in Gang setzt, die von den Menschen verstanden werden und denen sie vertrauen. Das wiederum widerspricht aber im Kern dem Anspruch der Politik der Ampel, insbesondere der Überzeugung von SPD und Grünen, alles bis ins kleinste Detail hinein regeln zu wollen. Solch eine Politik ist von Misstrauen geprägt, deshalb fällt es ihren Akteuren naturgemäß schwer, die richtigen Prioritäten zu setzen. SPD und Grüne werden sich in dieser Hinsicht kaum ändern. Aber eine Frage stellt sich im Jahr 2024 trotzdem mit besonderer Dringlichkeit: Wie lange macht die FDP das alles eigentlich noch mit?