Trauerfeier für Franz Beckenbauer: Uli Hoeneß – „Was mir bei Franz immer unglaublich gefallen hat, war seine Fähigkeit, sich um andere zu kümmern“

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In der Münchner „Allianz-Arena“ fand am Freitag die Trauerfeier für Franz Beckenbauer statt. Sein längjähriger Begleiter und Freund Uli Hoeneß, Bayerns Ehrenpräsident, sprach nach Herbert Hainer, Präsident des FC Bayern, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), dem bayerischen Ministerpräsident Markus Söder an letzter Stelle. Wir dokumentieren die Ansprache zum Abschied des „Kaisers“ im Wortlaut:

„Liebe Heidi, liebe Familie von Franz Beckenbauer, liebe Ehrengäste, liebe Freunde des FC Bayern München. Vor 58 Jahren war ich als Austauschschüler in Newton, Birmingham. Da hat die deutsche Nationalmannschaft während der WM gegen Spanien und gegen Argentinien gespielt. Da habe ich den Franz zum ersten Mal richtig live als Spieler erlebt. Da hab ich mir gedacht, Mann, ich war immerhin Kapitän der Schülernationalmannschaft, wenn du mal mit dem zusammenspielen kannst, das wäre Allerhöchste.

Vier Jahre später, 1970, hatte ich beim FC Bayern einen Vertrag unterschrieben, zusammen mit Paul Breitner. Franz, Sepp und Gerd Müller, sie kamen direkt von der Fußball-WM in Mexiko und ich habe mir gedacht: Sagst du jetzt Herr Beckenbauer? Sagst du jetzt: Wie war das bei dieser WM? Nein, er kam auf mich zu und sagte: Ich bin der Franz. Und so war er immer.

Er war immer ein Mensch, der bescheiden war, der nie den großen Max herausgespielt hat, der für uns Mitspieler immer Hilfe gestellt hat. Wenn ich auf dem Platz nicht mehr wusste, wohin mit dem Ball, bei Franz war er ganz sicher. Er hatte die Möglichkeit, mit dem linken und mit dem rechten Bein zu spielen. Er hat überhaupt nicht überlegt. Wenn er im Mittelfeld den Ball hatte, bin ich abgehauen und wenn er mit seinem Außenspann den Ball in den Lauf gelegt hat, dann ist dabei sehr oft etwas heraußgekommen.

Wir haben viele Jahre zusammengespielt, wir haben viel zusammen gewonnen, aber wir haben auch das ein oder andere Spiel verloren. Aber von Franz konnte man nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern überall im Leben viel lernen. Wer geglaubt hat, dass er nur von seinem Talent gelebt hat, der hat sich sehr getäuscht. Franz war sehr fleißig, war ein super Profi, war nie unpünktlich und jeden Abend nach dem Training war er der Letzte, der die Säbener Straße verlassen hat, weil er sich noch von unserem Masseur Josef Saric mit Seife hat massieren lassen.

Er war ein super Profi, der konnte links wie rechts spielen, war schnell und war ein super Kopfballspieler. Er sprach bis zum Schluss davon, dass er beim WM-Endspiel 74 50 Prozent seiner Haare veloren hat, weil wir im Sturm die Holländer nicht aus unserer Hälfte vertrieben haben. Und er mit Sepp, Katsche und Berti Vogts da hinten die Angriffswelle im Alleingang bekämpfen musste.

Was mir bei Franz immer unglaublich gefallen hat, war seine Fähigkeit, sich um andere zu kümmern. Er war unser Kapitän, wenn man ein Problem hatte, dann ging man zum Franz, der ist zum Schwan gegangen und hat sich für uns eingesetzt. Das war eine seiner wichtigsten Eigenschaften: Sich um andere zu kümmern.

Franz war großzügig, das Schlimmste für einen Menschen war, mit ihm in ein Restaurant zu gehen und ein Trinkgeld zu geben. Du hast dich immer blamiert. Weil Franz war immer großzügig Dohne Ende. Als es Gerd Müller nach seiner Amerika-Tour etwas schlechter ging, kam er sofort zu mir und hat gesagt: Uli, wir müssen uns um den Gerd kümmern.

Er war immer da für andere, er hat immer nicht nach oben gebuckelt und nach unten getreten, sondern umgekehrt. Als er dann nach Amerika ging, um bei Kosmos Fußball zu spielen, da ist er ein Weltbürger geworden. Er der kleine Bub aus Giesing in der 5th Avenue. Aber er hat auch diese Herausforderung wie alles im Leben wunderbar bestritten. Alles was er gemacht hat, da hieß es immer: Nee, den Schmarrn mach ich nicht. Ob er Vize-Präsident, Präsident bei Bayern wurde, Bundestrainer oder auch Trainer bei Bayern wurde: Erst hieß es immer, das mach ich nicht. Aber wenn er es gemacht hat, dann mit einer Akribie und mit einem Fleiß, wie man es einem Menschen mit so vielen Talenten niemals zugetraut hätte.

Aber sein Meisterstück hat er eigentlich gemacht, als die WM zu uns nach Deutschland geholt hat. Er hat sich jahrelang den Hintern aufgerissen und in den hintersten Fleck der Welt gereist, um die Stimmen für ein Votum für Deutschland zu sammeln. Ich kann mich erinnern, wir sind 2000 glücklicherweise Deutscher Meister geworden, weil uns die Unterhachinger gegen Leverkusen so unglaublich unterstützt haben. An diesem Tag, es war bei ihm nachts auf den Fidschi-Inseln, da ist der Franz morgens in Unterhosen im Hotelgang rumgelaufen und hat vor dem Zimmer von Sepp Blatter gesungen: Steht auf, wenn ihr für Bayern seid!

Und als die WM dann endgültig bei uns war, da hab ich ein besonderes Erlebnis mit ihm gehabt. Wir sind hier ja alle in einem der schönsten Stadien der Welt: der Allianz Arena. Die wäre nie gebaut worden, wenn der Franz damals nicht die WM nach Deutschland geholt hätte. Und wir in Deutschland können alle stolz sein, dass wir im Schnitt die schönsten und modernsten Stadien der Welt haben. Und das nur, weil wir die WM 2006 in Deutschland spielen durften.
Hoeneß über Treffen mit Allianz-Vorstand: „Ich wollte unterm Tisch versinken“

Damals mussten wir uns einen Namensgeber suchen. Und ich hatte einen Termin beim Vorstandsvorsitzenden der Allianz, Dr. Schulte-Noelle. Da hab ich mir gedacht, der wird sehr nett sein. Der wird sich das anhören, der wird wenig Zeit haben. Und wahrscheinlich wird er nach zwei bis drei Wochen höflich absagen. Dann hab ich den Franz gebeten: Kannst du mit mir in die Königinnenstraße zur Allianz fahren? Ja klar war er dabei. Wir kommen dahin in den vierten Stock.

Und da war nicht nur Schulte-Noelle, sondern der gesamte Vorstand der Allianz versammelt. Wir haben nicht nur 20 Minuten gesprochen, sondern zwei Stunden. Und kurz vor Ende sagt Franz: ‚Darf ich auch noch was sagen? Sie alle können froh sein, dass ich als Lehrling bei der Allianz aufgehört habe, sonst wär ich heute hier und sie vielleicht nicht.‘ Ich wollte unterm Tisch versinken, weil ich gedacht habe, jetzt ist alles vorbei. Es hat etwa zehn Sekunden gedauert, dann gab es schallendes Gelächter, das Eis war gebrochen. Herr Schulte-Noelle brachte uns zum Aufzug und das war ein kleiner Aufzug, in den nur drei Leute reinpassen. Und er hat uns zur Tür begleitet. Damals wusste ich: Dieses Ding ist gelaufen. Und was wir erleben, ist diese wunderschöne Allianz Arena.

Als die WM dann begann, das Sommermärchen, hätte Herbert Grönemeyer gesungen: Franz, du hast unserem Land die Soley gebracht. Franz, du hast mit dazu beigetragen, dass viele ausländische Mitbürger einen anderen Blick auf unser Land bekommen haben. Wie offen, wie freundlich unser Land sein kann, hat die WM 2006 eindrucksvoll bewiesen. Und wer weiß noch, wie viele Tausende in unserem Land mit der schwarz-rot-goldenen Fahne durch die Straßen gefahren sind, weil sie stolz waren auf unser Land. Und meine sehr verehrten Damen und Herren: Da müssen wir wieder hinkommen in unserem Land: Dass alle stolz sind. Aber ich möchte ganz deutlich betonen, dass ich bei diesem Prozess die AfD nicht dabei haben möchte.
Hoeneß trauert um Beckenbauer: „Du fehlst mir sehr“

Als die WM dann zu Ende war, hatte man das Gefühl, dass das Glückshaferl, das Franz oft begleitet hat, ziemlich leer war. Dann begannen schwierige Jahre für ihn. Ich erinnere an den Tod von Stephan, seinen Sohn, der bei uns Jugendspieler war und dann Jugendtrainer. Ich erinnere mich, eine unsägliche Medienkampagne, die der ein oder andere Kleingeistige bis zu seinem Tod fortgeführt hat. Ich habe dem Franz zu Lebzeiten immer gewünscht, dass er noch mehr Anerkennung, noch mehr Respekt bekommt und nach seinem Tod keine Scheinheiligkeit. Das ist leider nicht hundertprozentig aufgegangen.

Ich glaube, lieber Franz, jetzt bist du zwölf Tage tot und um ehrlich zu sein: Du fehlst mir sehr. Ruhe in Frieden, einen Frieden, den du leider in den letzten Jahren nicht in der Form genießen konntest, wie du ihn verdient hast. Vielen Dank.“

Quelle: Mitschrift der Rede

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