Antisemitismus in Deutschland: „Schon wieder!“

Das Buch: Michael Wolffsohn, Nie wieder? Schon wieder! Alter und neuer Antisemitismus, Freiburg im Breisgau 2024, gebunden, 96 Seiten, ISBN: 978-3-451-07239-0, 12 Euro.

 

Antisemitismus? Der Chor der scheinbar Aufgeklärten schallt laut und immer lauter im heutigen Deutschland, im ehemaligen Land der Täter: „Nie wieder!“ Und warum so ein Lärm? Weil eine abstoßende Wirklichkeit weggebrüllt werden soll. Zwar verkünden die derzeitigen politische Verantwortungsträger inbrünstig: „Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz!“ Doch Michael Wolffsohn blickt mit uns nach Frankfurt am Main, nach Neukölln, ins Stadtzentrum Berlins – und wir erschauern: „Schon wieder!“

Ja, der Antisemitismus ist auch rechtsextrem, nach wie vor. Aber Michael Wolffsohn deckt auf: „Der Antisemitismus hat hässliche Geschwister bekommen!“ Sie finden sich ganz offen und brutal im Linksextremismus, klandestin und Harmlosigkeit vortäuschend im linksliberalen Unterstützerfeld der frech lächelnden Extremisten sowie vor allem bei einer ganz bestimmten, stark wachsenden Gruppe: Bei denjenigen unter den Moslems hierzulande, die Juden hassen und dies teils auch ganz ungeniert zugeben. Das ist die abstoßende deutsche Wirklichkeit des Jahres 2024. Eine Streitschrift, in der dies unbeschönigt festgestellt wird, war mehr als überfällig!

Am 7. Oktober verübten Hamas-Kämpfer ein Jahrhundertverbrechen an wehrlosen und friedfertigen Israelis. Im Blutrausch überfielen diese Moslems, von einigen medinischen Suren des Koran scharfgemacht, vom Gaza-Streifen aus ein Musikfest in der Wüste. Sie töteten wahllos, verschleppten dutzende Menschen. Sie zerstörten ein Kibbbuz fast völlig, auch hier geht die Zahl der Toten und der Verschleppten in Summe in die Hunderte. Ihr Ruf: „Allah hu’akbar“ – „Allah ist größer!“ Dies alles wurde flankiert von Tausenden von Raketen, abgefeuert auf Wehrlose. – Mord im Namen einer Gottheit. Im Christentum und im Judentum in dieser Form völlig undenkbar.

Die Reaktionen auf diese Mordorgie der Hamas am 7. Oktober 2023 hat Michael Wolffsohn in mehreren sehr persönlichen Texten verarbeitet. Darunter auch in seiner aufsehenerregenden Rede vor dem Berliner Abgeordnetenhaus zum 85. Jahrestag des 9. November 1938. Diese Rede hat Wolffsohn zwei Mal geschrieben, die zweite Rede wurde schließlich gehalten. Einmal vor und einmal nach dem 7. Oktober 2023. Beide sehr unterschiedliche Fassungen enthält dieses Buch. Sie machen deutlich, wie stark der Bruch ist, den das Massaker der Hamas bedeutet. So beschreibt es der Herder-Verlag, in dem dieses mutige und engagierte Buch jetzt erschienen ist.

Dieses Buch ist eine scharfe Abrechnung des großen Historikers und Publizisten und ein leidenschaftlicher Aufruf, nicht billige Empörung zu inszenieren, sondern hinzuschauen, auch wenn es unendlich wehtut. Wir hatten gedacht, ein friedliches Zusammenleben der drei Buchreligionen sei möglich. Wir hatten es gehofft, darum gerungen, dafür Opfer gebracht, ja, wir hatten dafür gebetet. Doch nun ist eine Linie überschritten. Nun ist es Zeit, politische und gesellschaftliche Konsequenzen aus dem alten und neuen Antisemitismus zu ziehen, ohne in Aktionismus, ohne in Hass zu verfallen. Michael Wolffsohn zeigt uns, wie das geschehen kann.

Das Buch: Michael Wolffsohn, Nie wieder? Schon wieder! Alter und neuer Antisemitismus, Freiburg im Breisgau 2024, gebunden, 96 Seiten, ISBN: 978-3-451-07239-0, 12 Euro.

Über Sebastian Sigler 105 Artikel
Der Journalist Dr. Sebastian Sigler studierte Geschichte, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Bielefeld, München und Köln. Seit seiner Zeit als Student arbeitet er journalistisch; einige wichtige Stationen sind das ZDF, „Report aus München“ (ARD) sowie Sat.1, ARD aktuell und „Die Welt“. Für „Cicero“, „Focus“ und „Focus Money“ war er als Autor tätig. Er hat mehrere Bücher zu historischen Themen vorgelegt, zuletzt eine Reihe von Studien zum Widerstand im Dritten Reich.