Politische Leitkultur an den Festtagen

Festtagsreden sollte nicht ins Detail gehen

kerzen dochte wachs weihnachten advent, Quelle: FelixMittermeier, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig
Die Inhalte der TV-Festtagsreden von Bundespräsident Steinmeier bzw. Bundeskanzler Scholz sind vorhersehbar. Falls der Bundespräsident am Weihnachtstag mit mahnenden Worten das Thema „Integration“ ansprechen sollte, dürfte er – nicht nur aus Zeitgründen – vermeiden, ins lebenswirkliche Detail zu gehen, schreibt Herbert Ammon in einem Kommentar zu den Riten der deutschen Leitkultur. Zwei Episoden illustrieren seine politische Festtagskritik. 

I.

Mit distanziertem Interesse sehen wir den anstehenden Veranstaltungen zur Pflege der deutschen Leitkultur entgegen. Auf dem Programm stehen die –  bereits auf Konserve aufgenommene – Weihnachtsbotschaft des Bundespräsidenten Steinmeier sowie die entsprechende TV-Ansprache des Bundeskanzlers Scholz zu Neujahr.

Die von den Festtagsredenschreibern verfassten Texte fürs Volk  umfassen vorhersehbar folgende Themen: 1) unser aller Erschütterung über den Horror des 7. Oktober und den Krieg in Gaza 2) die Erinnerung an die von Putin ausgelöste Zeitenwende und die demokratische Pflicht zur unzweideutigen Unterstützung für die Ukraine, dazu die Hoffnung auf baldigen Frieden 3) der Dank an unsere Soldatinnen und Soldaten, die fast siegreich aus Mali zurückgekehrt sind. Denn 3a): Frieden und Freiheit sind ein Geschenk, das demokratische Opferbereitschaft voraussetzt 4) die Verpflichtung zu Toleranz und allseitigem Respekt in unserer vielfältigen Gesellschaft auf der Basis unserer grundgesetzlichen Werteordnung  5) die Warnung vor den Versuchungen des Populismus und den Gefahren des Extremismus als Lehre aus der deutschen Geschichte.

Womöglich steht noch die Klimakrise im Themenkatalog. Denkbar ist ein besänftigendes Wort bezüglich der – nunmehr in Brüssel noch vor dem Fest beschlossenen restriktiven Kontrolle vermeintlich behobenen –  Asylkrise, verknüpft mit dem  Hinweis auf die für unsere wirtschaftliche Zukunft unseres Landes unerlässliche Einwanderung – nicht etwa „Zuwanderung“ – von Fachkäften. Ermahnende Worte zum Bildungsstand des Volkes im Zeichen von PISA 2023 gilt es zu vermeiden. Auch der – von CDU-Chef Friedrich Merz mit „Leitkultur“ assoziierte –  Begriff „Integration“ sollte als Textbaustein keine Verwendung finden. Er könnte Fragen aufwerfen und die Feiertagsstimmung der postchristlichen Deutschen trüben.

II.

Die schon zeitlosen Themen „Fachkräftemangel“ und „Integration“ erhellen zwei jüngst erfahrene Episoden. In Parenthese: Anekdoten („Einzelfälle“) ergeben noch keinen aussagestarken Datensatz. Gleichwohl, sie erhellen des sozial-kulturellen Zustands unseres Landes.

Erste Episode: Im Büro meiner stets – Stichwort „Wintercheck“ – zuverlässigen Autowerkstatt (Familienbetrieb) werde ich Zeuge einer eindringlichen Rede, die der Chef an einen etwa zwanzigjährigen Mann –  mit zwanzig Jahren standen ehedem die meisten Jungen längst im Beruf –  adressiert. Es geht um die Voraussetzungen einer Ausbildung zum Mechatroniker, um Lern-, Leistungs- und Gewissenhaftigkeit. Die Vermutung, der junge Mann habe sich soeben um eine Lehrstelle beworben, erweist sich als irrig. Er ist soeben gefeuert worden. Trotz mehrfacher Ermahnung/Abmahnung, zuletzt am Vortag, hat der Azubi, gebürtiger Deutscher, nach progressiver Terminologie POC, erneut „verschlafen“. Wegen ähnlicher Versäumnisse ist ihm bereits an zwei früheren Lehrstellen gekündigt worden. Er habe dies mit „Ausländerfeindlichkeit“ begründet, was ihm wohl auch für diese verpasste Chance in einer Werkstatt, in der hauptsächlich Mechaniker mit Migrationshintergrund arbeiten, als Ausrede dienen dürfte. Der junge Mann, soeben noch mit betretener Miene, verlässt den Raum, setzt sich in einen angejahrten, voluminösen BMW und rast wutentbrannt mit quietschenden Reifen über eine Linkskurve davon. Eine Fachkkraft weniger…

Zweite Episode: An der Theke zum Zuschneiden von Holzplatten in einem Baumarkt bin ich einem kräftigen, bärtigen Mann mit Migrationshintergrund beim Lösen einer Wartemarke aus einem Automaten behilflich. Er bedankt sich mit verlegenem Lächeln. Während sich das Warten auf das elektronische Signal über der Theke hinzieht, fällt mir auf der Brust des Mannes dessen kulturelles Markenzeichen ins Auge: am Halsband das Schwert des Islam.

III.

Ist der Gedanke erlaubt, dass derlei Insignien zwar kulturelle „Vielfalt“ demonstrieren, der „Integration“ in unsere Wertegemeinschaft leider entgegenstehen? Ob es sich bei dem bärtigen Mann um eine Fachkraft handelte, war am Erscheinungsbild nicht zu erkennen. Falls der Bundespräsident wider Erwarten am Weihnachtstag das Thema „Integration“  ansprechen sollte, dürfte er – nicht nur aus Zeitgründen – darauf verzichten, ins politisch reale Detail zu gehen.

Über Herbert Ammon 101 Artikel
Herbert Ammon (Studienrat a.D.) ist Historiker und Publizist. Bis 2003 lehrte er Geschichte und Soziologie am Studienkolleg für ausländische Studierende der FU Berlin. Seine Publikationen erscheinen hauptsächlich auf GlobKult (dort auch sein Blog https://herbert-ammon.blogspot.com/), auf Die Achse des Guten sowie Tichys Einblick.