Ich habe den amerikanischen Germanisten Guy Stern im Spätsommer 1969 in Stockholm kennen gelernt. Er hielt dort, auf der ersten Tagung über deutsche Exilliteratur, das Einleitungsreferat. Dass diese Tagung zur deutschen Exilliteratur überhaupt stattfinden konnte, ist der schwedischen Germanistik, insbesondere den Professoren Walther A. Berendsohn (1884-1984), der selbst Emigrant aus dem „Dritten Reich“ war, und dem Stockholmer Ordinarius Gustaf Korlén (1915-2014) zu verdanken. Von der Auslandsgermanistik wurde die deutsche Exilliteratur zum Forschungsgegenstand erhoben. In der Bundesrepublik Deutschland interessierte sich damals, fast ein Vierteljahrhundert nach Kriegsende 1945, kaum ein Hochschulgermanist für dieses Thema.
Die Folgetagung fand im Sommer 1972 in Kopenhagen statt, an der Guy Stern nicht teilnahm. Ich hatte ihn aber schon im April 1972 auf einer Tagung über deutsche Exilliteratur der Universität von St. Louis/Missouri und 1975 auf der dritten und letzten, von Stockholm angeregten Tagung zur deutschen Exilliteratur in Wien getroffen Hier sprach Guy Stern auch mit einem ehemaligen Soldaten der „Wehrmacht“, den er als Nachrichtenoffizier der US-Army während des Krieges verhört hatte. Von Wien aus kam er nach Mainz, wo ich meine Dissertation über das Frühwerk von Anna Seghers schrieb, und übernachtete bei mir. Ihm und seinem Kollegen John Spalek (1928-2021) an der Universität von Albany/New York, kommt das Verdienst zu, dass die deutsche Exilliteratur an den Universitäten der Vereinigten Staaten eine hohe Aufmerksamkeit erfuhr, wie zahlreiche Dissertationen erweisen.