HANS VON MARÉES ZWEI MAL IM KUNSTAREAL

Was den für seine „raumgreifenden Installationen„ bekannten Künstler Olaf Metzel an dem Maler Hans von Marées fasziniert, ist sein „Kampf um die eigene Malerei“ , seine „Suche nach dem Ideal“ , gleichzeitig aber auch nach seinem persönlichen „Platz in der Gesellschaft“. Die Konsequenz in der Art, mit der er seine Arbeit durchgezogen hat, macht ihn in seinen Augen zum Modell für künftige Generationen. Mit seinen ein halbes Zentimeter starken Farbschichten, mit seinen „zermalten“ Bildern ist der „grüblerische Künstler„ – wie er Marées salopp nennt – zum Vorreiter der zeitgenössischen Kunst avanciert, die sich eher an das Problematische als an die Perfektion orientiert.

In seinem Werk erkennt Metzel eine frühe Form der Abstraktion, die ihn dazu verhilft, aus der Zeit zu entfliehen, in der er lebte. Eine Zeit des Umbruchs und einer auseinander klaffenden Kluft zwischen immer wenigen Reichen und sich stets vermehrenden Armen wie in dem heute dominierenden „Manchester-Kapitalismus“.

„Olaf Metzel – Hans von Marées. Eine Annäherung“ nennt sich die Ausstellung, in der Olaf Metzel eine Reihe klassischer Köpfe in Marées eigenen Saal in der Neuen Pinakothek stellt, um eine andere Sicht des von den Zeitgenossen missverstandenen Malers zu erzeugen, die ihn in seiner wieder gewonnen Aktualität neu erleben lassen soll.

Als hochaktuellen Pendant zu den Marées Gemälden zeigt er andere Werke, die – wie oft bei ihm der Fall – auch in diesem Kontext das Zeitgeschehen in den Mittelpunkt rücken lassen. Allen voran den zierlichen Akt mit Kopftuch aus schwarzem Marmor und zwei alle Blicke katalysierende Wandinstallationen aus Metall, die – ermahnend – dramatische Ereignisse unserer Tage aufgreifen: eine verehrende Explosion in „Maidan II – 2015“ und das „migrant desaster of Sicily“ in „Lampedusa 2015“. Die Gegenüberstellung setzt sich weiter fort in dem benachbarten Kabinett, wo einige Marées-Zeichnungen aus der Staatlichen Graphischen Sammlung präsentiert werden.

Ganz anders die Bilder von Hans von Marées, die bei einem – rein zufällig – wenige Tage nach Eröffnung der Ausstellung in der Neuen Pinakothek anberaumten Vortrag einem interessierten und kompetenten Publikum im Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke (MFA) geboten wurden.

Keine Übermalungen sind in diesem Fall zu sehen – , kein Zögern und keine „Grübelei“ beim Schaffen der Figuren, die der feuchte Hintergrund nicht hätte dulden können. Es sind nämlich die in den 1870er Jahren entstandenen, heute beinah vergessenen Fresken, die der deutsche Maler in Neapel realisierte und zu den schönsten seiner Epoche zählen. Zu bewundern sind sie immer noch in der Bibliothek der 1872 von dem Stettiner Meeresbiologen Felix Anton Dohrn ( (Stettin 1840- München 1909) gegründeten ersten Zoologischen Station Europas in der Villa Comunale mit Blick auf den Golf von Neapel. Der Zoologe internationalen Rufes, der auch Unternehmer und Mäzen war, hatte sie mit eigenen Mitteln und mit Spenden – u.a. von Charles Darwin – auf einem ihm von der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellten Prestige-Grundstück innerhalb des ehemaligen „Hofgartens“ errichten lassen. Die Station diente als Modell für weitere Gründungen – etwa 40 an der Zahl – internationaler Institutionen, die sich um die Hälfte des XIX. Jahrhunderts in Neapel angesiedelt hatten, als die Stadt am Fuße vom Vesuv zu den bedeutendsten und kulturell lebendigsten Europas zählte. Neapel war damals Treffpunkt bekannter Wissenschaftler und zog gleichzeitig auch bedeutende Künstler und Kunstförderer auf der Suche nach Überresten vergangener Jahrhunderte und nach Kunstschätzen jeder Art in seinen Bann. Das heute „Stazione Zoologica Anton Dohrn“ genannte Forschungsinstitut wurde zur Begegnungsstätte internationalen Ranges, in dem ein reger Kulturaustausch herrschte. Sie behielt ihren kosmopolitischen Charakter auch in späteren Jahren und durfte auf die Unterstützung von bekannten Persönlichkeiten rechnen, allen voran von dem mit der Famile Dohrn befreundeten neo-hegelschen Philosophen und liberalen Politiker Benedetto Croce, der sich 1920 mit einer vehementen Rede im italienischen Parlament der geplanten „Italianisierung“ der Einrichtung widersetzte.

Die in den 1980ern mit Unterstützung des Volkswagen Werks prächtig restaurierten und perfekt erhaltenen Fresken mit den kongenialen Stuckarbeiten des Bildhauers Adolf von Hildebrand als „gemalte Architektur des Saales“ mit rahmenden Friesen und Stillleben versinnbildlichen den zauberhaften Einfluss, den der Aufenthalt in Neapel, der nahe Kontakt zur Natur und zu den Menschen auf beide Künstler ausübte, die zuvor lange in München gelebt hatten. Unter dem nachwirkenden Eindruck italienischer Fresken unterschiedlicher Zeiten und insbesondere der pompejanischen Wandmalerei entstanden einmalige Szenen mit nackten Menschen bei der landwirtschaftlichen Arbeit, beim Rudern oder Fischen, die wie eingetaucht in einem wiedergefundenen Arkadien voller klassischer Reminiszenzen wirken. Kräftige, plastische Körper in einem „Tanz der Muskeln“(Julius Meier-Graefe) begriffen, die die Moderne ankündigen.

“ Hier – schrieb Theodeor Heuss – “begann das von jedem Historismus ferne und im primären Naturbild sich nicht erschöpfende Komponieren Marées um der großen Bildform wegen, für die er in seiner Zeit keine Vorgänger hatte, höchstens eine Anregung in der klassischen und antiken Kunst Italiens.”.

Die Fresken waren das Resultat einer produktiven Wechselwirkung, die sich in ein Europa der Jahrhundertwende weiter entfalten sollte, das für Kreative keine Barrieren kannte. Über diesen fruchtbaren Austausch sprach mit großem Elan die Münchner Filmemacherin und Historikerin Angelika Weber in ihrem Impulsreferat im Kunstareal anlässlich des 175. Geburtstags von Anton Dohrn und im Beisein seiner Nachfahren, darunter dem Enkel Dr. Peter Dohrn aus Tegernsee.

Eine Fortsetzung wird es – wie viele Beteiligten wünschen – in Form einer filmischen Dokumentation und einer Ausstellung im Foyer des MFA geben. Die von Angelika Weber initiierte Veranstaltung wurde von der engagierten Museumsleiterin Frau Dr. Ingeborg Kadern gefördert, die sich auch mit Events dieser Art für eine innovative und zeitgemäßere Bestimmung des Kunstareals nach Kräften einsetzt.

Als Einstieg in die komplexe, aber hochinteressante Materie dient vorerst Angelika Webers Art-Doku-Film Geschichte atmen mit Theodor Heuss (2014), in dem die Filmemacherin auch auf die Monographie Anton Dohrns eingeht, die der künftige Bundespräsident in geistiger Abgeschiedenheit in der dunklen Zeit der NS-Diktatur verfasste.

Zu finden unter www.viacom-media.de

Ideen und Vorschläge bitte direkt an Frau Dr. Ingeborg Kader (mfa@lrz.uni-muenchen.de) .

Über Anna Zanco-Prestel 178 Artikel
Dr. Anna Zanco-Prestel, hat Literaturwissenschaften (Deutsch, Französisch und Italienisch) und Kunstgeschichte in Venedig, Heidelberg und München studiert. Publizistin und Herausgeberin mit Schwerpunkt Exilforschung. U.d. Publikationen: Erika Mann, Briefe und Antworten 1922 – 69 (Ellermann/DTV/Mondadori). Seit 1990 auch als Kulturkoordinatorin tätig und ab 2000 Vorsitzende des von ihr in München gegründeten Kulturvereins Pro Arte e.V.

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