Der Öko-Apostel auf dem Domberg – Wie München-Freisings Diözesanmuseum den Heiligen aus Assisi mit der Schutzmantelmadonna zusammenbringt

Das erste Franziskus-Bild, gemalt von Bartolomeo Berlinghieri 9 Jahre nach dem Tod des Heiligen 1235. Es durfte erstmals seine toskanische Heimat Pescia verlassen. Foto: Hans Gärtner
Das erste Franziskus-Bild, gemalt von Bartolomeo Berlinghieri 9 Jahre nach dem Tod des Heiligen 1235. Es durfte erstmals seine toskanische Heimat Pescia verlassen. Foto: Hans Gärtner

Es wurde Zeit, uns den heiligen Franziskus von Assisi ins Bewusstsein zu rufen. Freising tut das prompt und ambitioniert mit einer Doppel-Ausstellung. War Museumsdirektor Christoph Kürzeder Gast beim Evangelischen Kirchentag 2011? 100 Minuten lang wurde da in Dresden das erstaunliche Leben des ersten großen „Aussteigers“ der katholischen Kirche mit einem Rock-Poem in Szene gesetzt. Kürzeders„Inszenierung“ verdient wie die Dresdner eine Auszeichnung. Seine moderne, gehaltvolle Präsentation des Friedens-, Gerechtigkeits- und Öko-Apostels ist eine Attraktion. Wann kommt der Papst, der sich den Namen Franziskus gab, um sie sich anzusehen?

Papst Franziskus – der Poverello unserer Tage? Den „kleinen Armen“, wie San Francesco di Assisi (1181/2 – 1226) liebevoll genannt wurde, nahm sich Jorge Mario Bergoglio zum Vorbild. Die Ausstellung geht nicht direkt darauf ein. Sie setzt Akzente mit überwältigenden Franziskus-Darstellungen, die den Ordensmann und Ordensgründer zeigen. In Verzückung zum Beispiel, wie ihn Caravaggio und Orazio Gentileschi malten. Der Bezug zu unserer Zeit ist damit nicht unmittelbar gegeben. Wir suchen, wir brauchen den ersten „Aussteiger“ der Kirchen-Geschichte, den Schöpfungs-Bewahrer und Tierfreund. Den stellt das älteste Franziskus-Gemälde wundervoll dar. Noch nie durfte es Italien verlassen. Dem gut vernetzten Münchner Kardinal Reinhard Marx ist es zu danken, dass es nun bis Dreikönig `24 aus der Nähe betrachtet werden kann. Es wurde 9 Jahre nach Franziskus` Tod in dem Örtchen Pescia bei Montecatini geschaffen.  

Die Franziskus-Vita wird in der Ausstellung mit zahlreichen Artefakten aus den Bereichen Geografie, Film, Literatur und Volksfrömmigkeit, lebendig. Sie findet vielleicht nur auf den zweiten Blick die stringente Verbindung zu Kiki Smith`s Kapelle, auf dem Domberg errichtet von den Brüdern Brückner, die noch gut in Erinnerung sindmit ihrem spektakulären Bau von Altöttings neuerSchatzkammer. Die dunkle Enge der „Heiligen Kapelle“ mit der Schwarzen Madonna wird von einem Ganztags-Mond im Kapellenbau der 69-jährigen Deutsch-Amerikanerin wiederholt, deren Zentrum die Skulptur „Mary`s Mantle“ – Schutzmantelmadonna – bildet. Die ihr beigegebene Friedenstaube schlägt die Brücke zum Friedens-Heiligen Franziskus, nicht anders alsdas in die Kapelle dringende Sonnenlicht. „Laudato si!“, klingt es im Besucher an, der spontan an den auf besagtem Kirchentag erklungenen „Sonnengesang“ des heiligen Franziskus erinnert wird. Dieses einzigartige Poem gilt nach P. Köhler als eines der ersten Denkmäler der italienischen Literatur.

Die Dunkelheit der neuen Kapelle auf dem Freisinger Domberg lenkt vielleicht den Blick dervon ihr Abschied Nehmenden zurück auf eins der ausgestellten Bilder: Caravaggios finstere „Verzückung des heiligen Franziskus“ von 1595. Eine Nacht-Szene. Im Hintergrund Feuer, vonHirten entfacht. Ausgestreckt liegt der Heilige in den Armen eines halbnackten jungen Engels, um die Stigmata zu empfangen. Für die einen gilt das Gemälde als Beginn des Barocks in der Kunst, für die anderen ist es die erste künstlerische Umsetzung einer menschlichen Ohnmacht. Ganz anders, viel weniger theatralisch: das Tafelbild von Pescia (s. Foto): der Heilige als „Ikone“ der Christenheit: statisch, streng, ernsthaft mahnend, Zurückhaltung fordernd, umstellt von Kern-Szenen seines Lebens.

Die Doppel-Sonderausstellung „San Francesco“ und „Empathy“ von Kiki Smith schließt einen Besuch der von Kardinal Marx gesegneten Kapelle „Mary`s Mantle“ ein. Letzter Ausstellungstag: 7. Januar 2024.  

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Über Hans Gärtner 499 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.