Albert empfängt Sie. So groß wie Sie, aber nicht so lebendig. Stumm. Und in Teile aufgegliedert. Die bewegen sich von selbst ein wenig. So wirkt Albert wenigstens nicht tot. Sie gehen, wenn Sie aus dem Lift, der ins dritte Obergeschoss des Münchner Stadtmuseums zur neuen Sonderausstellung „(K)ein Puppenheim“ führt, direkt auf Albert zu, eine Schöpfung des Salzburgers Markus Schinwald aus Holz und Fiberglas und mit Motor ausgestattet. Die Stadtmuseums-Abteilung „Puppentheater“ hat sich Albert aus der Münchner Sammlung Goetz ausgeliehen, der Sie noch oft begegnen werden. In der großen Wand-Vitrine, links von Albert, reiht sich Puppenkopf an Puppenkopf. Jetzt fragen Sie vielleicht: Sind das Halunken oder Helden? Dirnen oder Dienstmägde? Florian Freier fordert Sie auf seinen Foto-Prints auf, selbst zu entscheiden.
Aber: Gehen Sie doch lieber gleich hinein in die mal engen, mal weiten, mit Fotos, kleinen und großen Bühnen, Scherzbildern, Silhouetten-Figuren, Videofilmen und vielen skurrilen Modellen voll gestellten Wunderkammern, die sich Ihnen Schritt für Schritt auftun! Manchmal wird Sie das, was Ihnen begegnet, anmuten, dann wieder abstoßen. Ein bisschen gruselig ist das meiste, was Sie sehen. Seien Sie also vorgewarnt! Jedoch: Keine Angst, es handelt sich nur um Puppen. Und die beißen nicht. Sie schauen Sie an, als ob es sich um Menschen handelte.
Oder um Monster wie „King Kong“. Wenn Sie die Fassadenfigur mit Leuchtschrift sehen, erinnern Sie sich bestimmt sofort an die Geisterbahn auf dem Volksfest. Der „King Kong“ von 1974 stammt aus dem Besitz der Familie Eckl. Die betreibt noch heute eine Nostalgie-Geisterbahn auf dem Münchner Oktoberfest. Horrorgestalten wie diese gibt es in dieser Ausstellung noch viele. Allein im „Panoptikum“, einer der zwölf „Abteilungen“ der Schau, haben Sie genug zu tun, um sich zu fragen: Ist das jetzt ein Objekt für die Anatomie oder soll der nackte Körper einer Frau im Glassarg der erotischen Schaulust entgegenkommen. Männlein und Weiblein mischen sich – das ist jetzt gerade angesagt – in der Abteilung „Moulin Rouge“ mit einem männlichen Geisha-Darsteller von Diane Arbus oder den Ladyboys aus Bangkok von Nan Goldin stehen Sie lange vor der zauberhaften Marionette „Varietétänzerin“ (um 1950) von Hans Schichtl-Rulyans jun., ein hauseigenes Schaustück, das bei Ihnen vielleicht Pariser Nachtleben-Träume auslöst.
Wollen Sie mal stoppen? Dann nehmen Sie auf einem der Stühle vor der Video-Leinwand der „Marionettenbühne München“ Platz. Sie machte der Belgier Hans op de Beeck zur Projektionsfläche für seinen herzzerreißenden Schwarz-Weiß-Film „The Tread“ (2015). „Mit nahezu lebensgroßen Puppen aus der Tradition des japanischen Bunraku-Theaters erzählt er die Geschichte des ersten schüchternen Kennenlernens, des gemeinsamen Älterwerdens bis hin zum Tod.“ So lesen Sie in dem Heft, das Sie nicht vergessen sollten, sich beim Eintritt aus der Box zu greifen. Es erklärt Ihnen – zum Nachlesen zuhause – vieles über diese wunderbare Ausstellung mit nicht weniger als 500 Werken von mehr als 50 Kunsthandwerkenden.
Die Sonder-Schau mit dem sprechenden Untertitel „Alte Rollenspiele und neue Menschenbilder“ ist bis 7. Januar 2024 dienstags bis Sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Das sehr informative Begleitheft (s. o.!) gibt es kostenlos.