„Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo. Reformer in neuem Licht – 1772 – 1803/1812“, hrsg. Von Reinhard Gratz und Thomas Mitterecker, 288 Seiten, 34,90 €, zahlreiche Illustrationen. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im DomQuartier und in der Residenzgalerie, 26. Januar bis 29. Mai 2023, Dommuseum Salzburg, ISBN 978-3-901162-30-5
Der Inhalt:
In fünf Kapiteln (Mensch & Familie, Staat & Verwaltung, Wissenschaft & Kunst, Glaube & Kirche, Alltag & Lebensbedingungen) würdigen, begleitet von hervorragend wiedergegebenen Abbildungen, Expertinnen und Experten in einzelnen Abschnitten die Persönlichkeit des letzten Salzburger geistlichen Landes- und Stadtherrn Hieronymus Graf Colloredo von Waldsee-Mels und dessen Verdienste und Versagen.
Die Bedeutung:
Über die Rolle hinaus, die dieses schwerwiegende Buch als Begleiter der 44. Sonderausstellung des Dommuseums Salzburg spielte, liefert es einen von Historikerinnen und Historikern erarbeitetes einmaliges Kompendium zu einer umstrittenen Herrscherfigur zu Beginn der Aufklärung in Europa. Manch bisher Bekanntes wurde neu hinterfragt und den laufenden Forschungen angepasst. Das „Bild“ eines verehrungswürdigen Landes- und Stadtherrn erweist sich brüchiger als es bereits erschien.
Hieronymus Graf Colloredo wurde 1732 als fünftes von 18 Kindern in Wien geboren und 1772 zum Fürsterzbischof von Salzburg gewählt. Er regierte bis 1803. Er machte Salzburg „zu einem Musterland … der süddeutschen Aufklärung“. Am 10. Dezember 1800 verließ er Salzburg für immer. Keiner weinte ihm eine Träne nach, W. A. Mozart inklusive. 1803 verzichtete er von seiner Geburtsstadt aus auf die weltliche Herrschaft. Er starb dort mit knapp 80 Jahren. Seine Überreste ruhen seit der Überführung 2003 in der Salzburger Dom-Krypta.
Als ehrgeiziger, aber kränkelnder Reformer griff Colloredo in althergebrachte Usancen so hart ein, dass er in der Bevölkerung, zumal der auf dem Land, auf Widerstand stieß; wandte er sich doch strikt gegen die Gepflogenheiten seines Vorgängers Sigismund Graf von Schrattenbach. Dieser hatte das Wallfahrts- und Bruderschaftswesen, die Marien- und Heiligenverehrung gefördert und Gottesdienste wie Prozessionen gelten lassen. Er schränkte derartiges Brauchtum wie geistliche Spiele, Weihanchtskrippen und das Wetterläuten ein, bis er manches völlig verbot. Wer wie er die Feiertage – von damals 95 auf nurmehr 20 – kürzte, wurde bald, vor allem bei der bäuerlichen Bevölkerung, unbeliebt. Kein Wunder, dass der Mann, auch um den heranrückenden Truppen Napoleons zu entkommen, nach Wien floh. Den Titel „Erzbischof“ ließ er sich nicht nehmen.
Wer sich mit dem Leben des berühmtesten Salzburger Komponisten Wolfgang Amadé Mozart beschäftigt, kommt an dessen Brötchengeber Graf Colloredo nicht vorbei. Eva Neumayr widmet diesem Aspekt einen ihrer Beiträge. Sie geht „Stationen einer schwierigen Beziehung“ nach. In den 1770-er Jahren erhielt W. A. Mozart „die meisten Aufträge von allen zu dieser Zeit in Salzburg tätigen Komponisten für den Salzburger Dom“, darunter z. B. die `Spatzenmesse`“. Er schrieb die Opern „Il sogna di Scipone“ und „Il Re pastore“ und zahlreiche weitere weltliche Werke. Die sich oft Reisen begebenden Mozarts fühlten sich vom Fürsterzbischof zunehmend schlecht behandelt. Am 1. August 1777 baten Vater und Sohn aufgrund der Zurückweisung ihres Urlaubsgesuchs um dienstliche Entlassung. Colloredo unterstellte dem jungen Mozart Nichtwissen und empfahl ihm Weiterbildung in Neapel. 1779 wurde „Wolferl“ Hoforganist und komponierte u. a die „Krönungsmesse“ und die „Posthorn-Serenade“. Zunehmend verärgert über das Verhalten seines Dieners kam es schließlich zu dem berühmt gewordenen `Fußtritt` des Grafen Arco – und W. A. Mozart quittierte den Dienst und beschloss, nach Wien zu gehen. Ausgerechnet Wien, die Geburtsstadt Colloredos, hielt das Genie für sein Metier als „besten Ort von der Welt“.