Sie stammten aus München und errangen alpinistischen Weltruhm: drei der Söhne des bedeutenden Münchner Augenarztes Joseph Schlagintweit: Herman (1826 – 1882), Adolph (1829 – 1857) und Robert (1833 – 1885). Ob ihr ägyptophiler Hauslehrer in den Buben schon das Feuer für nahe Berg-Erkundungen (Zugspitze, Wildspitze, Großglockner) und ferne hochgelegene Frühkulturen entfachte? Ob es erst die Begegnung mit dem 80-jährigen Forscher-Genie Alexander von Humboldt in Berlin war, dem sie Abenteuer und Lebenswerk verdanken sollten? Jedenfalls kontaktierte Humboldt sie mit dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. und der East-India-Kompanie, die das Schlagintweit-Trio – Alter: 28, 25 und 20 Jahre – 1854 bis 1858 von Southampton aus auf Forschungsreise nach Indien und Zentralasien entsandte.
Dass die promovierten Geologen (Adolph) und Geografen (Hermann) neben ihrem Auftrag, Daten über den Erdmagnetismus zu erheben, viel lieber Natur und Ethnologie des Himalaya und des Karakorum sowie die Beschaffenheit von Pässen und Gletschern in Kashmir, Ladakh, Sikkim und Kumaon in ihr Naturforscher-Blickfeld rückten – davon zeugt der einzigartige Schatz ihrer Mitbringsel. Das Alpine Museum präsentiert einen Teil der auch künstlerisch nicht hoch genug zu preisenden 700 Aquarelle und Zeichnungen der Schlagintweits, die in freier Natur entstanden, und rund zahlreiche volkskundlich aufschlussreiche Objekte aus rund 500 nach Europa mitgebrachten Kisten in der Ausstellung „Über den Himalaya. Die Expedition der Brüder Schlagintweit nach Indien und Zentralasien 1854 bis 1858“.
Abenteuerlust und Gelehrsamkeit, die die Brüder Schlagintweit auszeichnen – Robert und Hermann wurden 1859 in den Adelsstand erhoben – verbinden sich zu einem einzigartigen Fundus des frühen exotischen Alpinismus und seiner wissenschaftlichen Erkundung. Die Sammlungsbestände visualisieren stückweise die damals noch kaum bekannten Regionen, auch des seinerzeit noch mit Reise-Tabu belegten Tibet. Ehrgeiz kennzeichnete die Unternehmungen der Brüder. Adolph und Robert Schlagintweit gelang es, bis auf 6785 Meter des Berges Kamet hoch zu steigen. Sie stellten einen Höhenrekord auf, der über Jahrzehnte nicht übertroffen wurde. In Luis Trenkers Buch „Helden der Berge“ (1935) ist von der Enthauptung Adolph Schlagintweits zu lesen, der von einem Warlord in Kashgar als vermeintlicher Spion gefangen genommen wurde.
So umstritten die Expeditions-Ergebnisse des Schlagintweit-Dreigestirns auch waren – sie und ihre gewagten Unternehmungen stehen derzeit regelrecht in den Kultur-Schlagzeilen. Im Böhlau Verlag erschien soeben ein umfangreiches Begleitbuch zur Münchner Museums-Schau, das die Expedition in mancher Hinsicht in ein neues Licht taucht. Wie das Alpine Museum, München (bis 10. Januar 2016), so zeigt auch das Olaf Gulbransson Museum, Tegernsee (bis 21. Juni) unter dem Titel „Reisebilder vom Himalaya“ eine Auswahl der die Expedition dokumentierenden Aquarelle (aus der Staatlichen Graphischen Sammlung), wovon ein Großteil erstmals seit gut 80 Jahren öffentlich zu bewundern ist.
Die herrlichen Schlagintweit-Aquarelle und die Objekte-Sammlung zum Tibet-Buddhismus stehen diesen Frühling und Sommer im Fokus von Experten-Runden (Alpines Museum, 15. April, 6. Mai, 7. Oktober, jeweils 18 Uhr). Die Bayerische Akademie der Wissenschaften lädt zu einer Tagung über die besagte Schlagintweit-Expedition zu einer hochkarätig besetzten Tagung ein: 23. April, 10 – 17 Uhr, bei freiem Eintritt. Kosten in Höhe von 81 Euro entstehen Teilnehmern an dem wissenschaftlich-literarischen Seminar „Vor dem Himalaya. Die Brüder Schlagintweit als Alpenforscher“, die der ÖAVim Hohe-Tauern-Nationalpark vom 18. bis 20. September durchführt. „Auf den Spuren der Brüder Schlagintweit in Ladakh, Changtang und Nubra“ ist schließlich eine Themenreise benannt, für die der DAV Summit Club kürzlich in Berlin eine „Goldene Palme“ verliehen bekam. Zwei Reisen, geleitet von Himalaya-Kennern wie Joachim Chwaszcza und Kadi Fuchsberger, stehen auf dem Programm des DAV Summit Clubs (Termine: 16. 7. Bis 2. 8. sowie 3. bis 20. 9.).
FOTOS
1.Die Brüder Robert, Hermann und Adolph Schlagintweit in der „Illustrierten Zeitung“ Nr. 804, Ausgabe vom 27. November 1858
Fotos: Hans Gärtner
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