Todesstrafe: Zustimmung in den USA sinkt

elektrischer stuhl todestrakt hinrichtung verbrechen, Quelle: PublicDomainPictures, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

Im Jahr 2022 wurden in den USA 18 Todesurteile vollstreckt. Der Anteil der US-Bevölkerung, der die Todesstrafe befürwortet, ist seit den 90er Jahre konstant rückläufig.  Doch die Politik will auch weiterhin nicht auf die Todesstrafe verzichten. Von Helmut Ortner.

In diesem Jahr wurden in den USA  18 Menschen hingerichtet, ausschließlich Männer, die wegen Tötungsdelikten verurteilt worden waren. Sie wurden mittels Giftspritze in den Tod befördert. Laut dem Bericht des Death Penalty Information Center (DPIC), des Todesstrafen-Informationszentrums, seien bei einem Drittel der Hinrichtungen Komplikationen und Probleme aufgetreten, sieben der 20 Hinrichtungsversuche seien „sichtlich problematisch“ gewesen. Als Gründe hierfür werden „die Inkompetenz der Hinrichtenden, die Nichteinhaltung von Protokollen oder Mängel an den Protokollen selbst“ genannt. So habe es im Juli bei einer Exekution in Alabama drei Stunden gebraucht, um einen Infusionsschlauch zu legen. Dies sei die längste verpfuschte Hinrichtung per Giftspritze in der Geschichte der USA gewesen.

Das Recht des Staates, ein schweres Verbrechen mit der Hinrichtung des Täters zu sühnen – daran scheidet sich schon immer das liberale vom konservativen Amerika. Der republikanische Trump-Regierung hatte die Wiedereinführung von Hinrichtungen auf Bundesebene durchgesetzt, nachdem es dort seit 2003 keine Hinrichtung mehr gab. Die Todesstrafe war zwar weiter verhängt, aber nicht vollstreckt worden. Der Rechtsstreit um die Wiederaufnahme der Hinrichtungen hatte sich bis vor das oberste Gericht in Washington gezogen, bis sich die Trump-Regierung schließlich durchsetze. Es folgte eine der tödlichsten Perioden in der Geschichte der Todesstrafe auf Bundesebene seit mindestens 1927: 13 Hinrichtungen – sind Zeugnis eines traurigen Rekords. Sechs Hinrichtungen entfielen zudem auf die Zeit nach Trumps Wahlniederlage gegen Joe Biden. Der selbst ernannte „Law and Order“-Präsident hatte auch hier Konventionen gebrochen. Zum Vergleich: Grover Cleveland war der letzte US-Präsident, der zwischen Wahl und Übergabe der Amtsgeschäfte Todesurteile vollstrecken ließ. Das war im Jahr 1889.

Nach seinem Wahlsieg hatte US-Präsident Biden die Hinrichtungen auf Bundesebene wieder ausgesetzt und ein Moratorium für Hinrichtungen auf Bundesebene beschlossen. Sein Justizminister Merrick Garland ließ mitteilen, es werde in den Bundesgefängnissen so lange keine Todesurteile zur Vollstreckung kommen, bis eine Überprüfung seines Ministeriums abgeschlossen sei.  Er ordnete an, die von der Trump-Regierung durchgesetzten Veränderungen der Richtlinien für Hinrichtungen zu überprüfen und rückgängig zu machen.

Die Todesstrafe verstößt gegen Artikel 3 und 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Das einzige Industrieland neben den USA, dass die Todesstrafe noch vollstreckt, ist Japan. Laut Amnesty International führt die Todesstrafe nicht dazu, Verbrechen zu verhindern: „Wissenschaftliche Studien haben keinen Beweis für die angeblich abschreckende Wirkung der Todesstrafe erbringen können. Das gilt auch für die USA. Die Frage bleibt, wie lange noch wird an der archaischen Todesstrafe festgehalten?

Tatsache ist: der Anteil der US-Bevölkerung, der die Todesstrafe befürwortet, ist seit Mitte der 90er Jahre konstant rückläufig. Derzeit sind laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup 55 Prozent für staatliche Hinrichtungen und 42 Prozent dagegen. 1994 befürworteten noch 80 Prozent die Todesstrafe und nur 16 Prozent lehnten sie ab. Auch Biden ist ein Gegner der Todesstrafe. Noch im Wahlkampf 2020 hieß es auf seiner Website: „Bei über 160 Personen, die in diesem Land seit 1973 zum Tode verurteilt wurden, wurde später ihre Unschuld festgestellt. Da wir nicht sicherstellen können, dass wir die Todesstrafe jedes Mal richtig anwenden, werde ich darauf hinarbeiten, Gesetze zur Abschaffung der Todesstrafe auf Bundesebene zu verabschieden und die Bundesstaaten dazu anregen, dem Beispiel der Bundesregierung zu folgen.“ Seinen Worten hat Biden bisher keine Taten folgen lassen. Vielmehr stimmten die USA Mitte Dezember bei einer Uno-Resolution zur Abschaffung der Todesstrafe gegen diese Maßnahme. Unter den Ländern, die ebenfalls mit Nein votierten, waren Iran, Irak und Nordkorea. Keine gute Gesellschaft.

Buchhinweis: 

Helmut Ortner, Ohne Gnade – Eine Geschichte der Todesstrafe,

Mit einem Nachwort von Bundesrichter a.D. Thomas Fischer,

Nomen Verlag, 228 Seiten, 22 Euro

 

 

 

 

 

 

Über Helmut Ortner 96 Artikel
Geboren 1950 in Gendorf/Oberbayern und aufgewachsen in Frankfurt am Main. Schriftsetzerlehre, anschließend Studium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main, Schwerpunkt Grafik-Design. Es folgt Wehrdienstverweigerung – und Zivildienst. Danach journalistische Lehrjahre: Redakteur, Chefredakteur (u.a. Journal Frankfurt, Prinz). Ab 1998 selbständiger Printmedien-Entwickler mit Büro in Frankfurt. Konzepte und Relaunchs für mehr als 100 nationale und internationale Zeitschriften und Zeitungen, darunter Magazine wie Focus, chrismon, The European und Cicero, sowie Tages- und Wochenzeitungen, u.a. Das Parlament, Jüdische Allgemeine, Frankfurter Rundschau, Allgemeine Zeitung, Wiesbadener Kurier, Darmstädter Echo, De Lloyd Antwerpen, NT Rotterdam sowie Relaunchs in London, Wien, Sofia, Warschau und Dubai. Zahlreiche Auszeichnungen (u.a. European Newspaper Award, Hall of Fame, CP Award Gold). Daneben journalistische Beiträge zu politischen und gesellschaftlichen Themen, veröffentlicht in div. Tageszeitungen und Magazinen. Erste Buchveröffentlichung 1975, seither mehr als vierzig Veröffentlichungen. Übersetzungen in bislang 14 Sprachen (2018). Zahlreiche Preise und Einladungen: Stadtschreiberpreis der Stadt Kelsterbach, Lesereise Goethe-Institut Südamerika, Teilnahme an Buchmessen in Havanna, Istanbul und Buenos Aires sowie Lit.Col. Köln 2017. Zuletzt Lesereisen nach Lissabon, Turin, Tokyo. Helmut Ortner lebt und arbeitet in Frankfurt am Main und in Darmstadt. Er ist passionierter Radrennfahrer, Eintracht Frankfurt-Fan und Pat Metheny-Liebhaber.