Interview mit Sylvia Pantel: Neue Insa-Studie gibt Hoffnung für die Familie

Sylvia Pantel, Rechte. Pantel

Eine zentrale Aufgabe einer guten Familienpolitik ist, unsere Familien zu stärken, so  Sylvia Pantel im Interview. Die CDU-Politikerin war acht Jahre lang Mitglied des Deutschen Bundestages und gehörte in diesen Jahren durchgehend dem Familienausschuss an. Jetzt ist sie Geschäftsführerin der Stiftung für Familienwerte.

Wie steht es um die Familie beziehungsweise Familienpolitik in Deutschland?

Die Familie ist ein Erfolgsmodell. Sie ist ein Grundpfeiler unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Sie ist da – mal mehr und mal weniger, auch wenn die klassische Familie in der öffentlichen Meinung häufig als Reparaturbetrieb dargestellt wird und nur die Probleme hervorgehoben werden. Die Wirklichkeit ist zum Glück eine andere. In der Realität bestehen rund 70 Prozent aller Familienhaushalte aus Mutter, Vater, Kind oder Kindern. Nach der aktuellen größten, repräsentativen Insa Studie verbinden 61 Prozent der Befragten etwas Positives mit dem traditionellen Familienbild. Die Befragten mit Kindern äußerten sich sogar zu 70 Prozent positiv zu ihrer selbst erlebten Familiensituation.

Man hat oft das Gefühl, dass es sich hier um ein Auslaufmodell handelt?

Unabhängig davon, wie man den Familienbegriff definiert, welche Modelle man favorisiert – die Familie ist kein Auslaufmodell, sondern ein Wunschmodell. Auch unsere Jugend wünscht sich mit überwältigender Mehrheit eine Familie mit Kindern. Entgegen der veröffentlichten Meinung zeigen die letzten Studien eindeutig, wie wichtig unseren Bürgern ihre Familie ist.

Warum ist die Familie der wichtigste Grundbaustein unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens?

Die Familie beweist in den unterschiedlichsten Situationen ihre Stärke und ihre Unersetzlichkeit. Ihre herausragende Bedeutung hat sie gerade während der Coronazeit bewiesen.

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wussten, warum sie Ehe und Familie unter den Schutz der staatlichen Ordnung gestellt haben. Die Familie prägt, versorgt und schützt vor äußeren Einflüssen. Sie ist ein Bollwerk gegen äußere Angriffe. Wir sehen ja auch, dass der Erfolg der staatlichen Jugendhilfe nur sehr begrenzt ist, und die moderne Jugendhilfe immer die leiblichen Eltern, selbst bei noch so großen Verwerfungen mit einbezieht. Wie unersetzbar die Mutter für die Betreuung und Sorge, gerade in den ersten drei Jahren für Kleinkinder ist, ist hoffentlich mittlerweile unbestritten. In manchen Familien übernimmt der Vater die Betreuungsrolle und das ist auch prima. Trotzdem kümmern sich aktuell, trotz aller Bemühungen immer noch die Mütter mehrheitlich um die Betreuung der Kinder. Wer diese wichtige Aufnahme übernimmt, sollte nicht ideologisch von der Politik bestimmt werden, sondern diese Entscheidung muss den Familien überlassen werden. Die Politik sollte die Rahmenbedingungen für die Familien anpassen und verbessern. Dabei muss beachtet werden, dass in den ersten Jahren die Grundlagen für die Bindungsfähigkeit eines Kindes geschaffen werden.  Eine gute Bindungsfähigkeit ist die Voraussetzung für gute Bildung. Das schlechte Abschneiden unserer Grundschulkinder im europäischen Vergleich sollte dringend auch vor dem Hintergrund einer frühen Fremdbetreuung untersucht werden. Hier sollte eine wissenschaftliche Arbeit untersuchen, ob unser schlechtes Abschneiden im Grundschulvergleich damit in einem Zusammenhang stehen.

Auch im Bereich der Pflege werden 80 Prozent der älteren Menschen noch zu Hause gepflegt. Der Staat wird es nicht schaffen, die Betreuung- und Sorgearbeit durch die Familien zu ersetzen.

Aber wie passt es dazu, dass acht Millionen Familien in Deutschland von strukturellen Benachteiligungen im Sozialstaat betroffen sind?

Die Familienpolitik ist derzeit eine Politik für Randgruppen. Sie macht keine Politik für Familien, die diese wertschätzt, entlastet oder unterstützt. Das Elterngeld war damals von der CDU ein Beginn in die richtige Richtung, um die Wertschätzung von Elternarbeit und die finanzielle Entlastung für Familien zu beginnen. Leider wurde eine Verbesserung der Rahmenbedingungen nicht weiter in den Blick genommen und die Familienpolitik beschränkt sich auf die Erhöhung des Kindergeldes. Die Berechnung des Elterngeldes ist zu kompliziert und in den meisten Fällen ist die Zahlung zu gering. Die Betreuung -und Erziehungsleistungen seitens der Eltern werden nach wie vor nicht wertgeschätzt. Aber der Staat investiert monatlich mehr als 1.500 Euro in einen Kitaplatz. Ein großer Teil der Familien kann es sich nicht leisten, gerade auch in den ersten drei Lebensjahren die Betreuung seiner Kinder selber zu übernehmen. Es ist politisch offensichtlich nicht gewünscht, gute Entwicklungsmöglichkeiten für starke Familien zu schaffen. Vielmehr richtet sich der Blick immer auf die Arbeitsleistung, die durch die Erziehungsarbeit verloren geht. Eine kurzsichtige Betrachtungsweise, der dringend innovative und kreative neue Konzepte entgegengesetzt werden müssen.

Die Bertelsmann Studie hat aufgezeigt, dass gerade bei den Mehrkindfamilien gut ausgebildete Frauen ihre Kinder selbst erziehen, sie kommen meist aus dem Mittelstand. Das erfreuliche hierbei ist, dass diese Familien zwar finanzielle Schwierigkeiten zu bewältigen haben und benachteiligt werden, aber trotzdem glücklicher sind.

Wenn die Ampel-Regierung ernst mit ihren familienpolitischen Vorhaben macht, wird der besondere Schutz von Ehe und Familie, den das Grundgesetz einfordert, bald der Vergangenheit angehören. Warum?

Derzeit fordert die DGB Vorsitzende Fahimi (SPD) mal wieder die Abschaffung des Ehegattensplittings, damit die Frauen höhere Erwerbsquoten erfüllen. Damit entfernt sich die SPD immer weiter davon, den im Grundgesetz garantierten Schutz von Ehe und Familie ernst zu nehmen. Durch die derzeitigen, über viele Jahre hinweg entwickelten und gesetzlich festgelegten Grundlagen für die heutige Form der Ehe profitiert der Staat enorm. Eheleute bilden eine Verantwortungsgemeinschaft von zwei Menschen und gehen damit eine Versorgungs- und Sorgeverpflichtung ein, die auf ein ganzes Leben ausgerichtet ist. Die Abschaffung des Ehegattensplittings würde das Wirtschaftsmodell Ehe, bei dem die Einnahmen auf die Eheleute zu zwei Teilen geteilt werden, steuerlich schlechter stellen, als Unternehmen und ist ein weiterer Versuch, die Ehe noch mehr zu schwächen und für den Staat zusätzliche Gelder zu generieren. Eine Abschaffung ist familienunfreundlich, genau wie die derzeitig diskutierten Vorschläge nicht vernünftig durchdacht und ausdiskutiert sind.

Auch im Jahr 2022 befürwortet der weitaus größere Teil der Bevölkerung das traditionelle Familienbild. Laut der aktuellen „Shell-Jugendstudie“ wünschen sich 90 Prozent ein gutes Familienleben. Wie eine Bertelsmann-Studie verrät, ist auch die Zahl der hochgebildeten Mütter mit vielen Kindern stark gestiegen. Dennoch setzt die Ampel-Regierung auf „Mit-Mutterschaft“ oder die „Mit-Elternschaft“ oder auf „Verantwortungsgemeinschaften“. Die SPD formuliert das so: „Mit der Verantwortungsgemeinschaft schaffen wir (…) eine Möglichkeit des füreinander Einstehens für alle, zu deren Lebenssituation das klassische Ehe-Modell nicht passt.“ Als Alternative zu Ehe und Familie soll es die sogenannten Verantwortungsgemeinschaften geben.

Die biologischen Eltern sollen nun durch eine soziale Elternschaft ersetzt und durch künstliche Konstruktionen wie die Mitmutterschaft oder die Mitelternschaft ergänzt werden.  Bei einem gleichgeschlechtlichen Paar soll das Kind zwei eingetragene Mütter oder Väter haben können. Diese geplanten, rechtlichen Veränderungen sind gravierende Veränderungen unseres Abstammungsrechts. Die zahlreichen Gender Professoren an den Universitäten haben sich viele bunte Dinge ausgedacht und wollen nun ihre auf abstrusen Vorstellungen mit Hilfe der Ampel in die Tat umsetzen. Die Wünsche einer großen Mehrheit unserer Gesellschaft scheinen unerheblich zu sein. Die geplanten Änderungen zerstören subtil die Grundlage unsere Gesellschaft – die Familie. Dies wird – wie viele andere Ideologien der Vergangenheit – in die Irre führen und die kommenden Generationen unabschätzbar destabilisieren.

Die Grünen nennen ihre Alternative zur Ehe den „Pakt für das Zusammenleben“, kurz: PaZ. Dies sei eine „neue Rechtsform“ „unabhängig von der Ehe“. Was will man damit ändern?

 Soweit ich das gelesen habe, möchten die Grünen damit den Familienzuzug außerhalb der EU weiter erleichtern und die Zahl der Erziehungsberechtigten auf bis zu vier Personen erweitern. Mit solchen künstlichen Konstrukten mit bis zu vier Partnern soll der Ehe zusätzliche Konkurrenz gemacht werden. Ich bezweifle, dass irgendwer sich Gedanken über die langfristigen Auswirkungen für die betroffenen Kinder gemacht hat.

Wie können die Kirchen und kirchlichen Institutionen das Familienbild stärken?

Die Kirchen haben sehr viel zu bieten. Mit ihren Unterorganisationen, wie der Caritas, dem SKFM, der ASG, den Schulen und den Gemeinden hilft sie uneigennützig Menschen, die Hilfe brauchen. Die Kirche ist, wenn sie will, eine starke Stimme für die Familien. In Düsseldorf hatte ich als Ratsfrau die Idee, die Kompetenzen der Kirche zu bündeln und das erste katholische Familienzentrum entstand. Ich würde mich sehr freuen, wenn die katholische Kirche das Thema Familie und Lebensschutz ernsthaft verteidigt und schützt. Sie sollte sich offensiv bei jeder Gelegenheit vor die Familie als Grundpfeiler unserer Gesellschaft stellen.

Im Mai 2022 hat die größte repräsentative Familienstudie Deutschlands von Ins-Consulere klar belegt, dass zwei Drittel der Befragten die klassische Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, für sich anstreben. Das gibt Hoffnung in einer so dekadenten Zeit.

Die Fragen stellte Stefan Groß-Lobkowicz

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Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".