In dieser Woche ist die „Ampel“-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ein Jahr im Amt. Wie sieht die Bilanz dieser Koalition nach einem Jahr aus?
Sie nannte sich „Fortschrittskoalition“ und wollte natürlich vieles anders und vor allem alles besser machen. Aber dann kam der Krieg, und die Welt war über Nacht vor ganz neue Herausforderungen gestellt und mit der Welt die Ampel. Auch jede andere Regierung hätte auf diese neue Lage reagieren müssen, und auch jede andere Regierung hätte Fehler gemacht. Gleichwohl muss man nach einem Jahr Ampel sagen: Deutschland kann es – eigentlich – besser!
Der Bundeskanzler hat den russischen Überfall auf die Ukraine eine „Zeitenwende“ genannt. Es ist in der Tat eine Zeitenwende, wenn nicht gar ein Epochenbruch, wie der Bundespräsident sagt. Aber was folgt daraus für das Land und auch für die Bundesregierung? Die Zeitenwende scheint für große Teile der Bundesregierung im Wesentlichen daraus zu bestehen, jede Menge Geld auszugeben. Fast 550 Milliarden Euro neue Schulden und Kreditermächtigungen für die Folgejahre werden allein in diesem Jahr aufgenommen. Darunter sind 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, die sogar in einem „Sondervermögen“ in das Grundgesetz aufgenommen worden sind. Ein halbes Jahr nach dieser Grundgesetzänderung müssen wir feststellen: Bis heute ist davon kein einziger Euro ausgegeben, nicht eine Bestellung erfolgt, nicht eine Ausschreibung gemacht. Das sei alles so kompliziert, hören wir von der Bundesregierung. Ja, das stimmt, das Beschaffungswesen der Bundeswehr ist viel zu kompliziert. Aber hatten wir nicht auch verabredet, dass daran schnell etwas geändert wird? Hatten wir nicht verabredet, dass auch und vor allem gemeinsame europäische Rüstungsprojekte daraus finanziert werden sollen? Nicht nur die Franzosen sind tief frustriert über diese deutsche Verteidigungs- und Rüstungspolitik.
Aber auch in der Wirtschaftspolitik läuft es nicht rund für die Regierung. Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland bei den Wachstumserwartungen für das nächste Jahr besonders schlecht ab. Jetzt sollen „Klimaverträge“ mit den Zweigen der Industrie abgeschlossen werden, die einen besonders hohen Energieverbrauch haben. Agora Energiewende, der Lobbyverband, der die Bundesregierung berät und den zuständigen beamteten Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium stellt, hat das Konzept über Monate weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit entwickelt, der Bundeswirtschaftsminister hat es sich in diesen Tagen zu eigen gemacht. Wichtige Industriezweige wie die chemische Industrie, die Stahlindustrie und die Zementbranche sollen hohe Subventionen bekommen für die Umstellung ihrer Produktion auf klimafreundliche Erzeugung und klimafreundliche Produkte. Damit verlässt der Staat aber den Pfad der Marktwirtschaft und seine notwendige Rolle als derjenige, der einen für alle geltenden Ordnungsrahmen setzt. Er wird zum Akteur, der definiert, welche Unternehmen in den Genuss der milliardenschweren Zuwendungen kommen und welche nicht. An die Zahlungen werden vermutlich einige Auflagen gebunden sein, im Zweifel auch im Hinblick auf Managergehälter und Dividendenzahlungen. So betritt der Staat den Weg einer lenkenden und ordnenden Industriepolitik, die nach politischen Maßstäben belohnt und bestraft, denn bestraft werden all diejenigen, die nicht zu den politisch identifizierten Industriezweigen und Subventionsempfängern gehören. Diese Art von Staatswirtschaft kann nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen, im Gegenteil, sie wird Industrien päppeln, die ansonsten nicht überleben, und andere vernachlässigen, die nicht mehr und nicht weniger brauchen, als einen verlässlichen Ordnungsrahmen, heute ganz besonders unter den Bedingungen der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovation hin zu klimafreundlichen Prozessen und Produkten.
So sind es nicht die korrekturfähigen Entscheidungen wie die Gasumlage, die die Zukunft unseres Landes bestimmen, sondern die ganz grundsätzlichen Weichenstellungen vor allem in der Wirtschaftspolitik, die die Ampel jetzt vornimmt, deren Auswirkungen aber erst Jahre später zu bemerken sein werden. Die Grundsatzdiskussion über die Wirtschafts-, Energie- und Klimapolitik muss daher jetzt geführt werden, nicht erst wenn die Folgen der Fehler von heute so richtig sichtbar werden.
Quelle: MerzMail