Das sagt die Unstatistik des Monats: Frauen in Vorständen verdienen deutlich mehr als Männer

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Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, der sogenannte „Gender Pay Gap“, war schon mehrfach Thema der Unstatistik. Diesmal greifen wir sie wieder auf, aber mit umgekehrten Vorzeichen. Denn eine „Pressemitteilung der Unternehmensberatung“ EY zu den Ergebnissen des „Mixed Compensation Barometer“ der Firma stellt fest, dass Frauen in den Vorständen deutscher Spitzenunternehmen (DAX, MDAX und SDAX) im Schnitt gut 2,4 Millionen Euro und damit 348.000 Euro oder knapp 17 Prozent mehr als ihre männliche Kollegen verdienen. CEOs wurden dabei ausgeklammert.

Mehrere große Medien griffen diese Studie auf. Die Tagesschau berichtete am 14. November mit der Überschrift „Vorstandsfrauen verdienen mehr als Männer“ und zitiert: „Bereits im siebten Jahr lag 2021 die Gesamtdirektvergütung der Frauen oberhalb ihrer männlichen Kollegen in vergleichbaren Positionen.“

Dabei verdienen weibliche Vorstände der DAX-Unternehmen nur geringfügig mehr als ihre männlichen Kollegen (2 Prozent), in den mittelgroßen MDAX-Unternehmen 5 Prozent weniger und in den kleineren SDAX-Unternehmen 18 Prozent mehr. Zur Erklärung dieses Ergebnisses schreibt das Beratungsunternehmen: Wichtigster Grund für den Gehaltsvorsprung seien die verstärkten Bemühungen der Unternehmen, Frauen für ihr oberstes Führungsgremium zu gewinnen. Da geeignete Kandidatinnen knapp seien, erhöhe sich ihr Marktwert und damit auch ihre Vergütung.

Ist die Diskriminierung von Frauen damit überwunden? Die wenigen Frauen, die für eine Vorstandsposition geeignet wären, würden nach dem Ergebnis ja sogar mehr als Männer verdienen?

Studie liefert keinen Erkenntnisgewinnzur Diskriminierung weiblicher Führungskräfte

Das ist ganz sicher nicht der Fall. Hier wird derselbe Fehler wie bei der Gesamtdiskussion zum Gender-Pay-Gap gemacht, auf den wir bereits mehrmals hingewiesen haben: Der Vergleich von Mittelwerten liefert zu Fragen der Diskriminierung keinerlei Erkenntnisgewinn – selbst wenn man eine auf den ersten Blick sehr homogene Gruppe (Vorstände von börsennotierten Unternehmen) betrachtet. So haben Studien in der Vergangenheit gezeigt, dass weibliche Vorstandsmitglieder häufiger als ihre männlichen Kollegen quer einsteigen und häufiger das Personalressort verwalten (siehe  dazu die Unstatistik vom November 2014). Für solche Unterschiede müsste man kontrollieren. Auch wäre denkbar, dass Unternehmen, in deren Vorständen Frauen vertreten sind, im Schnitt etwas höhere Vorstandsvergütungen zahlen – auch ihren männlichen Vorstandsmitgliedern.

Besonders bemerkenswert ist, dass ZEIT online wie auch BILD.de sogar auf diese strukturellen Probleme beim Vergleich der Gehälter von Männern und Frauen hinweisen. Frauen arbeiteten häufiger als Männer in Branchen und Berufen, in denen schlechter bezahlt wird und in denen sie seltener Führungspositionen erreichten. Außerdem hätten Frauen häufiger als Männer Teilzeitstellen oder Minijobs, heißt es im Artikel, doch wenige Sätze zuvor schreibt das Medium: „Frauen sind zwar deutlich seltener in den Vorständen vertreten, sie verdienten in vergleichbaren Positionen aber das siebte Jahr in Folge mehr als ihre männlichen Kollegen.“ Dass auch Vorstandspositionen keinesfalls ohne weiteres miteinander vergleichbar sind und dort ebenfalls auf weitere, das Gehalt beeinflussende Faktoren kontrolliert werden muss, kommt den Verfassern allerdings offenbar nicht in den Sinn.

Zum zweiten kann selbst bei gleichen Gehältern Diskriminierung vorliegen, wenn entsprechend qualifizierte Frauen erst gar nicht in den Vorstand berufen werden. So lag der Frauenanteil in den betrachteten börsennotierten Unternehmen lediglich bei 14 Prozent (52 Frauen und 314 Männer). Darauf weist auch EY hin und konstatiert, dass der Frauenanteil in den Vorstandsgremien nur langsam wachsen würde. Schließlich sagen die Zahlen nichts über die Gesamtsituation von weiblichen Führungskräften in deutschen Unternehmen aus. Es könnte sein, dass die börsennotierten Unternehmen ihre Mitarbeiter grundsätzlich besser entlohnen und in Fragen der Gleichstellung sehr viel weiter sind als Unternehmen, die nicht im DAX, MDax oder SDAX vertreten sind.

Die Zahlen von EY sprechen zwar dafür, dass wir nicht  „noch 170 Jahre bis zur Gleichberechtigung“ warten müssen, wie es in der Unstatistik  vom November 2016 hieß. Hinsichtlich der Diskriminierung von weiblichen Führungskräften liefert die Studie jedoch keinerlei Erkenntnisgewinn.

Neu erschienen: „Grüne fahren SUV und Joggen macht unsterblich – Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“, das zweite Unstatistik-Buch (ISBN 9783593516080), erhältlich im Buchhandel zum Preis von 22 Euro.

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de und unter dem Twitter-Account @unstatistik. Unstatistik-Autorin Katharina Schüller ist zudem Mit-Initiatorin der „Data Literacy Charta“, die sich für eine umfassende Vermittlung von Datenkompetenzen einsetzt. Die Charta ist unter www.data-literacy-charta.de abrufbar.

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