Die Ampel in Berlin weiß seit Anfang Juni von der schwarzen Liste der ukrainischen Regierungsbehörde „Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation“, in der rund 80 Personen mit Namen, Funktionsbezeichnung und Foto aufgeführt sind, darunter der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer und die Politikwissenschaftler Johannes Warwick und Christian Hacke. Ihr „Verbrechen“: Sie sprechen sich für eine Verhandlungslösung im Ukraine-Konflikt aus. In Kiew wirft man ihnen vor, „russische Narrative“ zu bedienen und dadurch der Ukraine zu schaden. Behördenchef Shapovalov spricht von „Informationsterroristen“, die als „Kriegsverbrecher“ vor Gericht gestellt gehören. Am 24. Juli wurde die Fahndungsliste ins Internet gestellt, wo sie weiterhin leicht abrufbar ist, wenn auch mittlerweile nicht mehr direkt von der Behördenseite selbst.
Wie die Bundesregierung auf meine Anfrage erklärt, hat die deutsche Botschaft in Kiew die ukrainische Führung von Präsident Selenski „wiederholt aufgefordert, die öffentliche Listung von Persönlichkeiten als Gegner der Ukraine zu unterbinden“. Berlin hat die Brisanz der Liste offensichtlich erkannt, die von Kiew faktisch zu Vogelfreien erklärten aber nicht gewarnt. Man habe „keine Erkenntnisse“, ob diese einer erhöhten Gefahr durch ukrainische Nationalisten ausgesetzt seien, so die Bundesregierung. Das ist nicht nur naiv, das ist verantwortungslos.
Erschreckend sind die Reaktionen, nachdem mein Abgeordnetenkollege Mützenich nun über den Vorgang und seine Sorgen auf einem SPD-Treffen berichtet hatte. Statt Hilfe und Solidarität gibt es Häme, selbst aus der eigenen Partei. Es zeugt von der politischen Verwahrlosung, wie die SPD, die Ampel-Regierung und die großen Medien in Deutschland die dreiste Einschüchterung aus der Ukraine einfach abtun statt sie als faschistoide Praxis zu verurteilen und sich schützend vor Betroffene zu stellen. Im Freitag ist dazu ein sehr lesenswerter Beitrag erschienen (https://www.freitag.de/…/terrorliste-der-ukraine-sie…). 2016 war übrigens eine solche Solidarität fraktionsübergreifend noch eine Selbstverständlichkeit, als der türkische Autokrat Erdogan mehrere missliebige Bundestagsabgeordnete, darunter auch mich, als „Feinde der Türkei“ markiert und öffentlich an den Pranger gestellt hatte, so dass Polizeischutz notwendig war. – Wer einen Waffenstillstand fordert und diplomatischen Einsatz für einen Verhandlungsfrieden anmahnt – wie übrigens die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland – ist kein Terrorist. Verbrecherisch handelt, wer sich dem verweigert und weiter auf Krieg setzt.