Parteien in der Opposition sind stets der Gefahr ausgesetzt, sich selbst zu radikalisieren und erst Recht nach langen Jahren der Koalitionskompromisse endlich wieder ihre Politik pur zu betreiben. Das ist gerade für die Union gefährlich, weil ihre politische DNA anders als die der Ideologie getriebenen Sozialdemokraten auf Pragmatismus und Regieren ausgerichtet ist.
Trotzdem ist der Vorwurf des SPD Chefs Lars Klingbeil, die CDU begäbe sich mit ihrer Kritik am Bürgergeld auf die Spuren von Tump, völlig unangemessen und überzogen (https://www.spiegel.de/…/buergergeld-spd-chef-klingbeil…).
Die SPD sollte sich freuen, dass die Union – anders als konservative Parteien weltweit – durchaus staatspolitische Verantwortung zeigt, und ihren Teil dazu beitragen, dass das auch so bleibt. Denn damit bietet sich eine gewisse Stabilität für Deutschland. In der Frage des Bürgergelds betreibt die CDU geschickte Oppositionspolitik, wie es ihre Pflicht ist. Über Schonvermögen und eigene Verantwortung zu streiten, ist sinnvoll, auch wenn solche Themen naturgemäß nie frei von populistischen Einfällen sind.
Aber in ihrer Oppositionspolitik ist die Union immer noch weit entfernt von der Radikalität, mit der einst SPD-Chef Oskar Lafontaine die Kohl Regierung in ihren letzten Jahren im Bundesrat blockierte. Parteichef Friedrich Merz ist zwar immer auf raschen Beifall aus, aber er steht ohne wenn und aber für diese Republik.
Die Gefahren, sich zu radikalisieren, lauern für die Union eher anderswo: In Sachsen scheint der CDU-Landeschef und stellvertretende Bundesvorsitzende Michael Kretschmer einen Seperatfrieden mit Russland anzustreben. In Thüringen spielt der irrlichternde Mike Mohring damit, die scharfe Abgrenzung zur AFD aufzuweichen und sich damit zum radikalsten und gefährlichsten Flügels der rechtsradikalen Partei hin zu wenden. In beiden Fällen öffnet sich die Union gegenüber Stimmungen und Strömungen, die die demokratische Ordnung Deutschlands offen bekämpfen. In diesen Bundesländern fällt die CDU als politische Kraft aus, die die Feinde der Republik zurück drängt.
Statt dessen versucht sich die Union in der Auseinandersetzung mit Klima-Aktivisten zu profilieren. Alexander Dobrindt warnt vor einer Klima-RAF. Nun ähneln sich „letzte Generation“ und RAF durchaus in ihrer Anmassung, die Welt mit und nach ihren Vorstellungen zu retten. Und selbstverständlich müssen Straftaten verfolgt werden; das geschieht ja auch, selbst in Berlin. Doch das reicht eben nicht.
Bei allen Umfragen ist sind die Themen Umwelt und Klima für die Jugend zentral. Wer wie die Union glaubt, Klima-Extremisten nur mit Strafbefehlen und -verfahren bekämpfen zu können, darf dann nicht überrascht sein, wenn es zu Solidarisierung und Radikalisierung weiterer Teile der Aktiven kommt. Das spielt den Radikalen in die Hände und weitet ihren Einfluss aus.
Notwendig ist der politische und gesellschaftliche Streit um den richtigen Weg. Sicher fehlen den Parteien heute Köpfe wie Peter Glotz, Heiner Geißler oder gar Ralf Dahrendorf; gerade die beide gegenwärtigen Generalsekretäre der Union sind nun keine intellektuellen Leuchten.
Wenn den Unionsparteien wichtige Teile einer Generation verloren gehen, ist das ärgerlich, aber kein Weltuntergang, wenn sie für die Gesellschaft ausfallen, wäre es ein schwerer und vermeidbarer Verlust.
Quelle: Franz Sommerfeld