Wenn die Grünen in Deutschland etwas erreicht haben, dann die Konditionierung weiter Teile der deutschen Bevölkerung

auto verbot verbotsschild diesel dieselmotor, Quelle: geralt, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

Und wieder grüßt das Atomgespenst. Wenn die Grünen in Deutschland etwas erreicht haben, dann die Konditionierung weiter Teile der deutschen Bevölkerung, die automatisch bei dem Wort „Atom“ in Panik verfallend den Verstand ausschalten.

Den Verstand auszuschalten ist auch grundlegende Voraussetzung, um die Politik der Grünen zu goutieren. Gerade hat ihre Glaubenskongregation getagt und sehr deutlich gemacht, dass ihre Heilsverkündung unangetastet bleibt. Keine Atomkraft, höchsten noch ein paar Monate als Reserve. Dass AKW nicht zur Reserve taugen, ist zwar bekannt, ihnen aber egal. Die Grünen meinen in der Lage zu sein, Naturgesetze bestimmen zu können und auch im Bereich Technik gehen sie völlig neue, innovative Wege. So hat uns der Grünen – Parteivorsitzende Omid Nouripour die Erkenntnis beschert, dass Strom aus AKW die Stromnetze verstopft. Was ich noch nicht ganz verstanden habe: Warum ist das eigentlich schlimm? Immerhin dienen die Netze doch als Speicher, das ist ja alles ausgerechnet. Dann müsste es doch grandios sein, wenn die Netze vollgestopft bis obenhin sind! Offenbar bin ich intellektuell zu schlicht gestrickt, um die genialen Gedankengänge der Grünen zu verstehen.

Demgegenüber haben sie ihre pazifistische Ader aufgegeben, jedenfalls teilweise. Die Ukraine soll weiter Waffen bekommen, denn die Grünen stehen für alles, „was Putin und seine deutschen Trolle hassen“.

Genau damit hat Wirtschaftsminister Habeck das Problem benannt, welches gerade Deutschland spaltet. Viele denken sich, dass die Grünen bescheuert sind und einmal bescheuert ist immer bescheuert. Wenn sie also gegen Atomkraft und gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sind, sogar der Ukraine mit Waffen helfen wollen, muss letzteres genauso verkehrt sein wie ersteres. Dieser Gedankengang ist sehr gut nachvollziehbar.

Wenn nun auch einige derjenigen, die stets den rot – grünen Kurs kritisierten und denen daher Vertrauen entgegengebracht wird, behaupten, die Grünen wollten uns in ihrer Dummheit und Gewissenlosigkeit in einen Krieg verstricken, sogar einen Atomschlag auf Deutschland riskieren, dann wird mit derselben Logik diesen Stimmen gefolgt. Denn wer bei dem einen Recht hat, hat es auch bei dem anderen.

Ein in sich logischer Gedankengang, aber dennoch falsch. Dass vernünftige Menschen den Grünen nahezu jedes Urteilsvermögen absprechen, ist selbsterklärend. Nur lässt sich daraus nicht schließen, dass alles falsch ist, was sie sagen, sondern nur, dass man sich ein eigenes Urteil bilden muss. Es ist wie bei Loriots bekanntem Sketch „Das Frühstücksei“, bei dem die Hausfrau das Ei nach Gefühl kocht. Manchmal ist es weich, manchmal auch nicht. “Wenn ein Ei nach Gefühl kocht, dann kocht es eben nur zufällig genau viereinhalb Minuten.“

Es liegt also ein methodischer Fehler vor, wenn man sich nach dem Gefühl statt einer Uhr richtet. Das ist ein praktischer Anwendungsfall des logischen Grundsatzes „Ex falso quodlibet“, also aus Falschem folgt Beliebiges. Wer Sachfragen zu Glaubensfragen macht, erhält beliebige Antworten. Es ist Zufall, ob sie richtig oder falsch sind. Die Grünen taugen also nicht einmal als Kontraindikator, weil sie nicht ZUVERLÄSSIG falsch sind.

Im Falle Russlands ist die vermeintlich rätselhafte Einstellung der Grünen allerdings vollkommen logisch. Wie Wirtschaftsminister Habeck zutreffend feststellte, sind sie das Gegenteil von Putin. Sozusagen die andere Seite der Medaille. Das ist kein Zufall, denn Putin hat sich sehr gezielt als Gegenspieler der Glaubensgemeinschaft aller Erwachten und Klimaapokalyptiker inszeniert. Daher haben die rechten Parteien in Europa eine große Nähe zu Putin gezeigt, was sich in vielen Staaten mittlerweile geändert hat. Nicht so bei uns in Deutschland. Natürlich kommt niemand umhin, die Rechtswidrigkeit des Krieges, den Russland in der Ukraine führt sowie die Rechtswidrigkeit der Annexionen anzuerkennen. Nur wird dies von manchen entschuldigt oder relativiert, es erfolgt eine Täter – Opfer – Umkehr oder die Unterstützung der Ukraine wird generell in Frage gestellt.

Die Grünen sind allerdings nur so lange pazifistisch, wie es nicht um ihr eigenes Überleben geht. Eben weil Putin für all das steht, was sie ablehnen, wollen sie ihn bekämpfen. Außerdem nutzen sie diese Krise wie jede andere auch zu eigenen Zwecken aus. Auch jetzt wieder werden „Erneuerbare“ Energien als Lösung propagiert. Zudem wird versucht, die FDP zu entsorgen.

Gerade letzteres ist ein wichtiger Punkt, denn eigentlich sind die Liberalen der Widersacher der autoritären Grünen. Oder sie wären es – übrigens ebenso wie Christen, weil diese einer ganz anderen Religion anhängen – wenn sie Rückgrat hätten. So stehen die Bürger, die Politik als Feld sachlich fundierter Lösungsansätze sehen und nicht als Schauplatz von Glaubenskriegen, allein da. Es scheint für sie keine Partei zu geben, die ihre Interessen und die Fundamente des westlichen Abendlandes überhaupt noch vertritt. Aber auch diese Gruppe möchte sich mitnichten einem autokratischen Regime wie dem von Putin beugen und vom Regen in die Traufe kommen. Dies erklärt die Spaltung des als liberal – konservativ bezeichneten Lagers.

Apokalypse now

Genau diese Schwäche der gespaltenen, westlichen Gesellschaften verbunden mit der Atomangst ist das, was Putin gezielt ausnutzt. In noch nie zuvor dagewesener Weise droht er mit dem Einsatz von Atomwaffen und facht damit gezielt die Debatte um die Unterstützung der Ukraine an. Wird Putin Atomwaffen einsetzen und wenn ja, welche und wie?

Apokalypse als Mittel der Politik wurde durch die frühere Kanzlerin Angela Merkel hoffähig gemacht. Sie entwarf das Bild eines neuen Weltkrieges in Europa, um ihre (Nicht –) Rettung des Euros in der Finanzkrise durchzusetzen. „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“ Es sei eine existentielle Krise, die Rettung sei alternativlos. Als nächstes kam dann die Energiewende, um die „Hochrisikotechnologie“ Kernkraft, deren angeblich unkalkulierbaren Risken die Erde unbewohnbar machen könnten, abzuschalten. Dann kam die Klimaapokalypse, anschließend folgte die verheerendste aller verheerenden Seuchen – eine Politik ohne drohenden Weltuntergang scheint fast undenkbar. Nun hört man von anderer Seite, dass das Ende naht, weil Putin Atombomben zünden wird, wahrscheinlich sogar in Deutschland, vorzugsweise im Rhein – Main – Gebiet. Viele Ängste werden derzeit geschürt und es ist eine Ironie der Geschichte, dass Teile der AfD, ursprünglich ja als Alternative zu Merkels apokalyptischem Politikansatz gegründet, hier mitmachen. Bezeichnenderweise wurde oft übersehen, dass die AfD in einem Punkt immer Mainstream war, nämlich ihre Einstellung zu Russland. In diesem Punkt befand sie sich stets in Gesellschaft mit allen linken Parteien, aber auch Vertretern anderer Parteien und der Mehrheit der Journalisten.

Fachleute schätzen die Gefahr, dass Putin Atomwaffen einsetzt, als gering ein. Der Diplomat und bisherige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat darauf hingewiesen, dass Russland Mittel und Möglichkeiten weit unterhalb der Schwelle des nuklearen Angriffs – in welcher Form auch immer – zur Verfügung habe. Konkret erwähnte er bereits am 06.10.2022 genau das Vorgehen, welches Russland in den letzten Tagen in der Ukraine an den Tag legte, nämlich Bombardements ziviler Ziele, kulturelle Einrichtungen und kritischer Infrastruktur.

Der politische Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Moskau und die GUS, Friedrich Schmidt, wies auf folgendes hin:

„Die nukleare Drohkulisse ist für Moskau ein zwiespältiges Instrument. Einerseits trägt sie dazu bei, im Westen Angst vor weiterer Eskalation zu schüren und die Gegner davon abzuschrecken, Kiew reichweitenstärkere Raketen, Kampflugzeuge, Panzer zu liefern. Andererseits will Russland weiter als verantwortungsvolle „Supermacht“ wahrgenommen werden. „In einem Atomkrieg kann es keine Sieger geben“, sagte Putin zum Beispiel im Sommer in einem Grußwort an Teilnehmer einer Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag. (Dass Russlands 2014 begonnene Aggression gegen die Ukraine, die sowjetische Kernwaffen gegen Sicherheitsgarantien abgab, Anreize setzt, nuklear aufzurüsten, ist in Moskau ein Tabuthema.)

Eine weitere Negativseite der Drohkulisse wird in dem Maße deutlicher, in dem sich die Lage für Russland in der Ukraine eintrübt: Ein allzu heftig drohender, erratisch wirkender Putin könnte auch dem eigenen Umfeld als Gefahr für die eigene Sicherheit erscheinen und dessen Nervosität steigern.“ 

Auf einen weiteren Punkt wies der Politikwissenschaftler Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften der Universität der Bundeswehr München, in der kürzlich erschienenen Neuauflage seines Buches „Welt-Unordnung. Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens“ hin. Er führt aus, dass bei allen Unterschieden Einigkeit der Großmächte darüber bestand, dass an einer nuklearen Konfrontation niemand Interesse hat. Positiv sei, dass dieses mäßigend wirke; negativ, dass es Staaten wir Russland und China, die sich in direkter machtpolitischer Konkurrenz zu den USA befänden, ermögliche, „in ihrem unmittelbaren Umfeld militärisch aggressiver aufzutreten. Anders liessen sich die russische Invasion im Osten der Ukraine, die Krimbesetzung, die beständige militärischen Provokationen Russlands gegenüber der NATO, aber auch die chinesische Politik im Südchinesischen Meer nicht erklären. Und der russische Angriffskrieg von 2022 war u. a. nur deshalb möglich, weil es Russland klar kommuniziert wurde, dass die NATO nicht aktiv in diesen Krieg einzutreten gedenke.“ (S. 150).

Das war in der Tat eine fatale Fehlentscheidung. Gegen die NATO hat Russland keine Chance. Masala zeigt dieses anhand des entscheidenden „M score“ auf, der die Qualität des Militärgeräts und die Fähigkeit der Soldaten bewertet, dieses zu nutzen. Danach sind die USA sowohl Russland wie auch China noch deutlich überlegen. Die übrigen NATO – Staaten haben nicht annähernd dieses Gewicht, würden aber als Verstärkung der USA effektiv jede Möglichkeit Russlands, auf europäischem Boden Krieg zu führen, im Keim ersticken können.

Daher sind die Szenarien, die einen Atomwaffenangriff auf deutsches Gebiet beinhalten, eher Angstphantasien als ernstzunehmende Bedrohungsszenarien, denn dann würde Putin genau das herbeiführen, was er um jeden Preis vermeiden möchte, nämlich ein Eingreifen der NATO. Würde das Rhein – Main – Gebiet angegriffen, also ein Bereich, in dem US – Truppen stationiert sind, käme die Antwort sofort. Es wäre keine, die Putin wünscht.

Es ist also bei allen Mängeln und Schwächen nicht das Fehlen des Könnens, welches den Westen schwach macht. Es ist das Fehlen des Wollens. Diese grundlegende Schwäche macht umgekehrt denjenigen, der zum Kampf bereit ist, stark. Die Einstellung, nicht kämpfen zu wollen, führt mit tödlicher Sicherheit zum Krieg, umgekehrt führt Kampfbereitschaft zum Frieden. Klingt paradox, ist es aber nicht.

So lange Putin den Westen als kampfunwillig ansieht, so lange rechnet er sich realistische Chancen aus, auf lange Sicht zu siegen. Eskalation in einem gewissen Rahmen ist aus seiner Sicht also zielführend. Aus diesem Kalkül wächst die Gefahr eines mehr oder minder begrenzten Einsatzes von nuklearen Gefechtsfeldwaffen in der Ukraine. Dies ist eine in sich völlig logische und nachvollziehbare Überlegung.

Daher hat die Ukraine erneut die Aufnahme in die NATO beantragt, wird dabei erneut von den Balten unterstützt, die wie bereits bewiesen die Gedankengänge von Putin deutlich realistischer einschätzen können als die westlichen Politiker. Wenig überraschend lehnt unsere Außenministerin Annalena Baerbock dies ab.

Es wird nicht einmal die Möglichkeit ins Spiel gebracht, Friedenstruppen in die Ukraine zu senden. Ein echter Blauhelm – Einsatz würde am Veto der Russen scheitern, aber ein analoger Einsatz von Friedenstruppen wäre möglich. Immerhin hat die UNO das Verhalten Russlands mit überwältigender Mehrheit verurteilt. Derartige Friedenstruppen müssten außerhalb des eigentlichen Kampfgebietes stationiert werden, hätten auch keinen Kampfauftrag. Dies müsste klar kommuniziert werden. Wenn Putin einen Konflikt mit diesen Truppen vermeiden will, muss er diese Bereiche von Kampfhandlungen verschonen, der Krieg wäre auf die umkämpften Gebiete im Osten und Süden der Ukraine eingegrenzt. Damit wären weite Teile der Ukraine befriedet, der Wiederaufbau könnte beginnen und die Flüchtlinge könnten zurückkehren. So wäre allen geholfen. Und ganz wichtig: Die Eskalationsspirale wäre durchbrochen.

Fraglich ist, ob Staaten zu Entsendung von Friedenstruppen bereit wären. Für unsere Regierung gilt wohl, was der Welt – Herausgeber Stefan Aust so treffend sagte: „Für ernsthafte Krisenzeiten ist diese Regierung nicht geeignet.“

Autorin: Annette Heinisch

Quelle: Weissgerber – Freiheit

 

Über Autor kein 3263 Artikel
Hier finden Sie viele Texte, die unsere Redaktion für Sie ausgewählt hat. Manche Autoren genießen die Freiheit, ohne Nennung ihres eigenen Namens Debatten anzustoßen.