Markus Blume zu Lockdowns: „Wenn es noch einmal so käme, würden wir anders handeln“

Markus Blume, CSU-Generalsekretaer, Foto: Dr. Dr. Stefan Groß

Es war das erste Mal nach der Corona-Pandemie, dass der Künstlerempfang des Bistums in der Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik (HfKM) wieder stattfinden konnte. Dementsprechend ging es hochkarätig zu. Bayerns Minister für Wissenschaft und Kunst, Markus Blume, der Regensburger Bischof Dr. Voderholzer, der Regierungspräsident der Oberpfalz Walter Jonas sowie die SPD-Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer, die CSU-Bürgermeisterin Dr. Astrid Freudenstein und der Theater-Finanzchef Matthias Schloderer waren unter den fast 100 geladenen Gästen. HfKM-Rektor Stefan Baier und Stefan Arzberger untermalten den eineinhalb stündigen Festakt unter anderem mit Musik von Bach. Der Künstler-Seelsorger Werner Schrüfer moderierte das Gespräch.

Die Pandemie hatte das gesellschaftliche Leben in den vergangenen zweieinhalb Jahren buchstäblich aus den Fugen gerissen. Die gute alte Präsenzveranstaltung war tot, die Bretter, die die Welt bedeuteten, menschenleer – die Künstler von der Bühne getreten. Ein Stück Kulturgeschichte drohte der Kollaps. Einzig im virtuellen Raum, im Fernsehen oder Internet gab es sie noch, die Konzerte, Opern und Schauspiele – oft und nicht zuletzt als Hilfs- und Spendenveranstaltungen zur Unterstützung für finanziell angeschlagene Künstler. Diese Kunst-Highlights in gespenstigen Zeiten, wo die Straßen leergefegt und die Menschen in ihren Wohnungen eingeschlossen waren, hatten viele damals als einziges Zeichen der Hoffnung verstanden. Für sie war das Fernsehen das schmale Fenster zur Welt, wurde zum kleinen Rettungsanker, der in Zeiten von Corona-Isolation und Pessimismus ein wenig Hoffnung gab.

Corona war prekäre Zeit für Künstler

Für die Kunstschaffenden, die Solokünstler und die vielen Selbständigen war die Pandemie nicht nur eine prekäre Zeit, sondern sie zeigte auch die Instabilität und die Brüchigkeit einer Welt, die vor einem fast unsichtbaren Virus kollabierte. Buchstäblich hatte sich der todbringende Erreger in die Zeit gefressen und die künstlerische Hochkultur quasi in den Stillstand verschoben. Finanzielle Belastungen und die Angst, endgültig den Beruf zu verlieren, dominierten gerade bei den Menschen, die mit ihrer Kunst nicht nur ihr eigenes Leben finanzierten, sondern anderen Freude schenkten, Inspiration verliehen und Lebensglück spendeten.

Gerade für diese Menschen war der Empfang des Bistums Regensburg am 19. September ein Zeichen der Hoffnung, endlich wieder im Leben anzukommen zu sein, es gestaltend nun erneut in die Hände zu nehmen.

Wie Dr. Maria Baumann, die Leiterin der Abteilung Kunst und Denkmalpflege, Museumsleiterin und Diözesankonservatorin, bei ihrer Begrüßung betonte, dürfte in der Zukunft nicht mehr an der Kunst gespart werden, ein kulturfeindliches Szenario wie in der Pandemie sich nicht mehr wiederholen. Kultur sei kein Luxus, sondern der geistige Boden einer Gesellschaft. Sie ihrer finanziellen Wurzeln zu berauben sowie die Künstler im Prekariat abzuspeisen, schade dem gemeinschaftlichen Gefüge immens. Immerhin sei der Applaus das Brot der Kreativen – und wenn dieser verstummt, hat das nicht nur negative Auswirkungen auf die Künstlerexistenz, auf ihre Seelen- und Gemütslagen, sondern auch auf den Freistaat Bayern, der es sich auf Fahnen geschrieben habe, ein Kunst- und Kulturland zu sein.

Hochschule ist „Perle“ für ganz Bayern

Dass es sich bei der „Hochschule für katholische Kirchenmusik“ um eine ganze besondere „Perle“ handle, hob einst der ehemalige Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Hans Zehetmair, hervor. Die Besonderheit des Genius loci hatte auch der neue Kulturminister Markus Blume gewürdigt, der das erste Mal die Hochschule besuchte. In seinem Vortrag „Neue Perspektiven?! – An- und Aussichten zu Kunst und Kultur in schwierigen Zeiten“ gab der Minister ein bedingt hoffnungsvolles Stimmungsbild.

Die Krisen, so Markus Blume, sind nicht weniger geworden, sondern reihen sich zyklisch aneinander. Auf die Pandemie folgten unvorhersehbar der unsägliche Ukrainekrieg, der Europa und die europäische Friedensidee destabilisiere sowie eine Gas- und Energiekrise, die die Menschen erneut vor große und schwierige Herausforderungen stellen werde. Zeitenwende ist daher das Stichwort der Stunde. Nicht nur Bayern, sondern auch Europa und die ganze Welt präge derzeit eine epochale Veränderung mit bislang offenem Ausgang. Mit Blick auf den kommenden Winter samt Depression, Inflation und der Explosion der Energiekosten, sagte Blume, die „Zeiten sind sehr ernst.“

Trotz des Pessimismus in Angesicht der Krisen verbreitete der CSU-Mann leichte Hoffnung. Dies aber nur vor dem Hintergrund, dass es in der sich rasant veränderten Welt erneut darum gehe, für die freie- und liberale offene Gesellschaft mehr denn je einzutreten, um die Errungenschaften des liberalen Rechtsstaates zu verteidigen. In der Ukraine werden schließlich die europäischen Werte samt Demokratie und Freiheit verteidigt.

Auch der durch die Corona-Pandemie arg gebeutelten Kunst machte Blume eine zarte Hoffnung. Ihre gesellschaftliche Aufgabe sei es, Brücken zu bauen, und diese dürfen nicht wieder – wie in der Pandemie – abgerissen oder ihrer Fundamente beraubt werden. Daher dürfe es auch keinen Lockdown für die Kunst mehr geben, die Kultur diesmal nicht an den inflationär nach oben katapultierenden Energiepreisen leiden, die letztendlich Theater, Bühnen und Ateliers wieder ins Off manövrieren, wodurch die Kunst wieder an realer Präsenz verliere und in der öffentlichen Wahrnehmung erneut einen Bedeutungsverlust kassiere. Mit Blick auf den Bund gerichtet, kritisierte Blume dann auch, dass dieser am Kulturaustausch schon wieder spare – eine Idiotie, die er nicht nachvollziehen könne.

Wir haben während der Lockdowns Fehler gemacht

Dass im Zuge der Pandemie der Freistaat seine Kulturhäuser schlechter behandelte als Fußballclubs, so Blume, sei ein Zeichen von schlecht gemanagter Corona-Politik und resultiere letztendlich aus einem bürokratischen Wahnsinn, der das Land während der Lockdowns dirigierte. „Wenn es noch einmal so käme, würden wir anders handeln.“ Wie der ehemalige CSU-Generalsekretär, der in seiner Jugend einer der talentiertesten Eiskunstläufer in Deutschland und bayerischer Landesmeister war und im Paartanz mit seiner Schwester Sandra 1994 sogar an den Juniorenweltmeisterschaften in den USA teilnahm, betonte zudem, dass die Kultur systemrelevant sei. Dieser in Zeiten eines möglichen Energie-Lockdown wieder den Schwarzen Peter zuzuschieben, gilt es zu vermeiden. Immerhin soll ein Sondertopf des Bundes mit einer Milliarde Euro aus nicht abgerufenen Corona-Mitteln nun öffentliche und private Träger unterstützen.

Niederbayern und Oberpfalz sind Quellen der Inspiration

Wie Blume betonte, seien Niederbayern und die Oberplatz die großen Kulturräume, ohne die die Landeshauptstadt München in ihrer kulturellen Vielfalt überhaupt nicht denkbar wäre. Ohne diese Quellen der Inspiration, wie sie gerade aus dem ostbayerischen Raum mit seiner Vielzahl von Künstlern komme, wäre der ganze Freistaat ein Stück weit ärmer. Und an die vielen Kulturschaffenden im Raum sendete er das Signal, dass provinzielle Bescheidenheit zwar ein schöner Charakterzug sei, aber man sich auf keinen Fall hinter seinen kulturellen Leistungen verstecken dürfe. Die Kulturschaffenden haben Wunderbares geleistet.

Der Besuch des Ministers beim Künstlerempfang kann daher auch als ein Dankeschön und eine Wertschätzung für alle Kulturschaffenden in der Region gesehen werden. Und er darf zugleich als Versprechen verstanden werden, dass sich der Staat auch seiner Verantwortung gegenüber der Kunst bewusster werden muss, damit sich die kunstfernen Pandemie-Zeiten nicht mehr wiederholen.

 

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Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".