Eine Zierde Südostbayerns: Die Sammlung Schmidt

Friedrich von Keller: „Der Maler in der Wirtsstube“, 1876, Öl auf Leinwand – Peter Schmidts Sammlungs-Erstling, in Wien erstanden (Foto: Hans Gärtner)

Ob der aus Hannover stammende, 1946 14jährig in die oberbayerische „Stadt im Grünen“, Waldkraiburg, geflüchtete spätere Unternehmer Peter Schmidt eine Vorliebe für bayerische Wirtshäuser hegte? Die Szene des Bildes, das ihn zum Sammeln sogenannter Genremalerei des späten 19. Jahrhunderts anregte, spielt jedenfalls in einem Wirtshaus. Ein junger Maler porträtiert einen dösenden alten Haudegen und lässt sich dabei gerne zuschauen. Die „ ganze G`schicht“ brachte der Württemberger Friedrich von Keller in Öl auf die Leinwand, im Jahr 1876. 78 Jahre später hat Peter Schmidt das Bild in Wien erstanden. Seither konnte er seine mit der Liebe zu diesem Bild entfachte Sammelleidenschaft nicht mehr zügeln. Er bevorzugte nach eigenem Geschmack Gemälde, die eine Geschichte erzählen. Eine, die jeder versteht. Eine, die in die Volksseele leuchtet.

 

An die 250 Gemälde brachte Peter Schmidt, freundliche geduldet von seiner Gattin Waltraud, unters Dach seines Anwesens unweit Waldkraiburg. „Meine Sammlung heißt `Bilder erzählen`“, hat er gesagt. Und: „Die Bilder sollen gezeigt werden und ans Tageslicht kommen“. Dieser Wunsch ist nun, fünf Jahre nach seinem Tod, in Erfüllung gegangen. Seit Ende Juli 2020 hat die „Stadt im Grünen“ mit der „Sammlung Peter Schmidt“ sein siebtes Museum. Es erhielt bei der emotionsgeladenen Eröffnung den Segen von Pater Jacek Styrczula und des evangelischen Pfarrers, der den Namen des Museumsgründers trägt. Gleich neben dem „Haus der Kultur“ steht der feine Neubau, dessen Errichtung und Betrieb Peter Schmidt über eine von ihm gegründete Stiftung finanzierte. Museumsleiter ist der Mühldorfer Musiker,  Magazin-Herausgeber und Stadtrat Andreas Seifinger. Seine Kuratoren: Dr. Helmut Hess und Julie Kennedy.

Fürs Erste zeigt Seifinger im lichten, apart segmentierten, modern designten Ambiente 115 nach Themen gruppierte Bilder – in einer Hängung, die anmutiger und geschmackvoller nicht gestaltet werden konnte. Es geht bei den kostbaren Exponaten nicht nur um ländlich-idyllische Szenen aus Wirtshäusern, auch wenn diese mit Blick auf das „Erstbild“ des Sammlers einen besonderen Platz einnehmen.

Da wird, meisterhaft inszeniert und mit Humor und Augenzwinkern gewürzt, auch lustig gelebt, gestritten, gespielt, musiziert, gerauft, geerntet, gemütlich beisammen gesessen, über den See gerudert, ausgetrickst, der Obrigkeit die kalte Schulter gezeigt, opulent oder ganz bescheiden Hochzeit gehalten, die Kellnerin zu einem Flirt zu überreden versucht, sich zum Kirchgang fein gemacht, mit dem Dorfpfarrer geschwätzt – und auch gestorben. Mal mit, mal ohne Empfang der heiligen Sterbesakramente.

Und es wird Kindern vorgelesen. Das lässt auf ihrer plüschigen Studie die Münchnerin Hedwig Oehring (1855 bis 1907) eine Bilderbuch-Großmutter aus der „guten alten Zeit“ besorgen. Johann Caspar Herterich, einst Direktor der Münchner Kunstakademie, bleibt fraglos mit der Szene „Früh übt sich!“ jedem Besucher unvergessen: Eine junge Mutter muss es aushalten, dass ihr Vater dem Baby, seinem Enkelkind, einen Schluck aus dem Maßkrug gewährt.

Zierde Ostbayerns

Die einzigartige „Sammlung Peter Schmidt“ ist eine Zierde Südostbayerns. Sie enthält keineswegs nur etwa Münchner, Schweizer oder Tiroler Meisterwerke der gemalten Erzählkunst – da sind auch Maler aus Belgien, Irland, Frankreich und Übersee mit ihren Werken vertreten. Freilich dominieren die deutschen „Südländer“. Wopfner, Defregger, Knabl, der Nürnberger Johann Sperl, der bekanntlich ein Lebensjahr in Kraiburg verbrachte, Hugo Kauffmann, der erklärte Liebling des Sammlers, Eberle, der Dingolfinger Franz Friedbichler, der schon mit 30 starb, na und dann Carl Theodor von Piloty mit einer einprägsamen volkstümlichen Memento-Mori-Szene in Öl auf Holz, entstanden um 1880. Pilotys Urenkel – wer weiß denn so was? –  wohnt in der Kreisstadt Mühldorf am Inn.

Das neue Museum wird, so will es sein Leiter, ausgiebig gefeiert, den ganzen  Herbst: mit Harfen-Konzert, Ferienprogramm für Kinder, Impuls- und Fachvortrag, Gesprächsrunde, Matinee und einer Lesung des Schauspielers Gerd Anthoff aus Ludwig Thomas „Heiliger Nacht“.

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Die erste Ausstellung im Museum „Bilder erzählen“, Waldkraiburg, ist bis auf weiteres Donnerstag bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen, auch für Schulklassen und Gruppen, jederzeit gerne nach Voranmeldung (Tel. 08638 / 98 40 760)

Über Hans Gärtner 499 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.