Erstmals in der Nachkriegsgeschichte war es 2007 gelungen, links von SPD und Grünen eine gesamtdeutsche sozialistische Partei zu gründen, die seitdem konstant im Bundestag vertreten ist. Es war ein besonderer – und in der linken Geschichte seltener – Prozess, in dem verschiedene linke Strömungen, Bewegungen und Traditionslinien in einer Partei zusammengefunden haben.
Gemeinsam mit Bündnispartner*innen hat sich DIE LINKE gegen Austerität und die Agenda 2010 gestellt, gegen Krieg und die wachsende soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit, für gleiche Rechte für alle, auch alle Geschlechter. Es ist nicht verwunderlich, dass ein solches linkspluralistisches Projekt nicht ohne Richtungsdebatten und innerparteiliche Auseinandersetzungen auf den Weg gebracht werden konnte. Trotz einiger Krisen konnte sich die Partei etablieren, sich erneuern, neue Mitglieder und Wähler*innen gewinnen und ist eine verlässliche Stimme für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Abrüstung, Klimagerechtigkeit, Feminismus und LGBTIQ sowie gegen Rechtsradikalismus und Rassismus.
Nach der Niederlage bei den letzten Bundestagswahlen ist die Partei in eine schwere Krise geraten. Die bitteren Landtagswahlergebnisse im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfahlen, wie auch die Vorwürfe im Zuge der LinkeMeToo-Debatte gegen Mitglieder der Partei drohen an die Substanz zu gehen. DIE LINKE steht vor einem wichtigen Parteitag, auf dem sie Neuwahlen für die Parteiführung abhalten wird und sich inhaltlich für die nächsten Jahre als linke Oppositionskraft im Bundestag und in der Gesellschaft insgesamt gut aufstellen muss.
Nach etwas mehr als einem halben Jahr Ampelregierung wird deutlich, dass Ansprüche an eine Politik der sozialen Gerechtigkeit oder mutiger Schritte zur Abwendung der Klimakatastrophe nicht eingelöst werden. Mit der Einrichtung eines Sondervermögens von 100 Mrd. € für die Aufrüstung der Bundeswehr und mit der Übererfüllung des 2 Prozent Ziels der NATO wurde das größte Aufrüstungsprogramm der letzten Jahrzehnte beschlossen. Damit wird eine neue Runde des Wettrüstens in Gang gesetzt. Und diese Gelder werden fehlen bei den dringenden Investitionen in die soziale Infrastruktur, den Ausbau der sozialen Sicherungssysteme oder den Klimaschutz. Außer der begrüßenswerten Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 € die Stunde gibt es kaum Maßnahmen gegen die Prekarisierung der Arbeitsbeziehungen oder zur Ausdehnung der immer geringer werdenden Tarifbindung. Grundlegende Verbesserungen für dauerhaft höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege, bei den Sozial- und Erziehungsdiensten oder in anderen Bereichen sozialer Dienstleistungen sind nicht in Sicht. Die Armut und Kinderarmut hat während der Pandemie zugenommen, wie auch die Schere zwischen arm und reich größer geworden ist. Die Sätze für die Grundsicherung wurden gerade mal um 3 € auf 449 € erhöht. Das sind 0,76 Prozent, während die Inflationsrate über 7 Prozent steigt. Mit den Folgen werden die Gering- und Normalverdienenden weitgehend alleine gelassen, Inflation und steigende Mieten fressen die Einkommen auf. Bürgergeld und Kindergrundsicherung haben es nicht in die Haushaltsberatungen in diesem Jahr geschafft. Die Gewinne großer Konzerne steigen überdurchschnittlich, die Zahl der Millionäre und Milliardäre hat weiter zugenommen, während auf eine angemessene Besteuerung dieser Superreichen großzügig verzichtet wird.
DIE LINKE wird als wahrnehmbare Opposition dringend gebraucht, als verlässliche Stimme für
Frieden und Abrüstung. Eine LINKE, die sich an der Seite der weltweiten Kämpfe für demokratische Rechte, soziale Menschenrechte und Gleichberechtigung gegen neoimperiale und neokoloniale Herrschaft sieht;
für konsequente Klimagerechtigkeit und Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen;
für bessere Löhne, gute Arbeit und starke Gewerkschaften, gleiche Löhne von Frauen und Männern und eine Aufwertung sozialer Arbeit;
für den Ausbau und Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme;
für hohe Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge und soziale Infrastruktur, bezahlbare Wohnungen, nachhaltige Mobilität, erneuerbare Energien, Kunst und Kultur, Digitalisierung im Interesse von Beschäftigten und Nutzer*innen.
für gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums;
für den Kampf gegen Rassismus und Rechtsradikalismus;
für Queerfeminismus und gegen Sexismus;
für den Ausbau der Demokratie und Selbstbestimmung;
für einen ökologischen Umbau der Wirtschaft, der das Leben für alle, auch die Beschäftigten in der Industrie, besser macht.
Umbruchszeiten erfordern einen politischen Richtungswechsel
Wir leben in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche. Angesichts sich verschärfender Krisen im Kapitalismus (Gerechtigkeits-, Wirtschafts-, Hegemonie- und Klimakrise) ist ein Weiter-so oder eine Rückkehr zu früherer Normalität unmöglich geworden. Ausgelöst durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine ist eine Neujustierung außenpolitischer Positionen gegen jede Form imperialer Politik unter Beibehaltung der friedenspolitischen Ausrichtung erforderlich. Eng damit zusammen hängt, dass eine Fortsetzung der bestehenden Wirtschafts- und Lebensweise unsägliche Verwüstungen der ökologischen und sozialen Lebensgrundlage nach sich ziehen würde. Kapitalismus, Klimakrise und Krieg hängen zusammen. Eine Modernisierung des Kapitalismus, wie von der Ampel-Koalition beabsichtigt, wird keine Lösung sein. Linke Politik auf der Höhe der Zeit benötigt eine Partei, die erkennt, dass die ökologische Krise Klassenkonflikte verschärft und die die ökologische Transformation nicht bremst, sondern als grundlegenden sozialökologischen Systemwechsel vorantreibt. Die Grünen werden genau das nicht leisten.
Es geht um einen Zukunftsentwurf bei dem nicht grenzenloses Wirtschaftswachstum und Profitmaximierung die Haupttriebkräfte der gesellschaftlichen Entwicklung sind, um eine Gesellschaft, in der die soziale Existenzgrundlage für alle Menschen gesichert ist, ein Verhältnis mit der Natur, das die ökologischen Lebensgrundlagen und das Klima schützt und in der eine ausgebaute soziale Infrastruktur mit gleichberechtigtem Zugang aller zu den Gemeingütern ein befriedigendes soziales Zusammenleben ermöglicht. DIE LINKE hat bereits Ansätze für einen solchen Zukunftsentwurf entwickelt, der ausreichende Löhne und gute Arbeitsbedingungen, massiven Ausbau der sozialen Infrastruktur, Ausbau und Modernisierung des Sozialstaates, radikalen Klimaschutz, Demokratisierung der Wirtschaft und Verteilungsgerechtigkeit miteinander verbindet.
Das spiegelt auch die Erwartungen der meisten Wähler*innen wieder. 18 Prozent können sich nach einer Kantar-Erhebung vorstellen, DIE LINKE zu wählen. DIE LINKE hat eine Zukunft, wenn sie es schafft dieses „Potenzial“ besser auszuschöpfen. Wir können in den Zahlen auch einen klaren Weg für DIE LINKE sehen: Ungleichheit, Klimaschutz und Pflegenotstand sind die Top-Themen der LINKEN-Anhänger*innen. Neben dem hohen sozialen Engagement für soziale Gerechtigkeit sind konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz mit einem sozialen Ausgleich wichtige Kriterien für die Wahl der LINKEN. Die Mehrheit der Befragten (61 Prozent) wollen, dass die Partei Beschäftigung, gute Arbeit und Klimaschutz gleichrangig voranbringen soll.
Eine Mehrheit der Befragten spricht sich für Alternativen zum Kapitalismus aus – drei Viertel der Gewerkschafter*innen wollen das. 54 Prozent wollen, dass DIE LINKE für mehr Sozialismus eintreten soll. Offensichtlich gibt es das Bedürfnis, über den Horizont des Kapitalismus hinauszudenken und nicht einfach darauf zu vertrauen, dass Markt und Wettbewerb die richtigen Antworten geben.
Es geht um eine Richtungsentscheidung: Steht DIE LINKE für eine Partei, die sich im Wesentlichen auf Sozialstaat und soziale Kernpunkte beschränkt oder für eine sozialistische Politik, die die ökologische Frage als eine der klassenpolitischen Auseinandersetzung der nächsten Jahre ernst nimmt. Ohne eine starke und geeinte LINKE Kraft in diesen Auseinandersetzungen werde diejenigen die Kosten der Klimakrise zahlen, die auch jetzt schon am wenigsten haben. Dass es nicht die Aktionäre von Erdöl- oder Auto-Konzerne sein werden, zeigt sich aktuell deutlich.
Die Zukunft gewinnen wir nur, wenn wir die gemeinsamen Erfahrungen von Lohnarbeit, Existenzkampf, Armut, Ausgrenzung und Gewalt nach vorne stellen: Die der lesbischen Kassiererin und des türkischstämmigen VW-Beschäftigten, der jungen Klimaaktivistin und der Familie, die in einem unsanierten Plattenbau lebt. Sie alle wollen ihr Leben so führen, wie es ihnen entspricht, ohne Angst vor der Zukunft.
Dafür muss DIE LINKE einstehen – und das verkörpert sie auch angesichts ihrer heterogenen Mitglieder, die aus verschiedenen linken Strömungen und Milieus kommen und doch für eine gemeinsame Orientierung an Freiheit und Gleichheit für alle kämpfen wollen.
Die Chancen für die weitere Existenz und Wiedererstarken des linken Parteiprojektes sind da. Wir wollen dazu beitragen, dass DIE LINKE ihr Potential besser ausschöpft. Wir sind davon überzeugt, dass eine starke linke Partei dringend gebraucht wird und eine wichtige Bedeutung darin hat, die gesellschaftlichen Verhältnisse nach links zu verschieben. Eine sozial-ökologische, feministische, antirassistische demokratisch sozialistische Partei wird in diesem Lande dringend gebraucht.
Quelle: Facebook