Buchrezension: Nicht Kanonen, Menschen siegen

Adania Shibli wird 1974 in einem arabischen Dorf in Israel geboren. Somit ist sie israelische Staatsbürgerin, was sie leugnet. Sie erwirbt ein MA an der Hebräischen Universität in Jerusalem, der Hauptstadt Israels. Ihr bisher erstes herausgegebenes Buch – viele weitere mögen folgen – heißt: „Eine Nebensache“. Die gebundene Ausgabe auf deutsch erscheint im März 2022 beim Berenberg Verlag. Das Buch wird im Fernsehen im „Literarischen Quartett“ am 18.05.2022  von Eva Menasse bei einer intensiven Diskussion sehr lobend vorgestellt.

Somit ist die begnadete Schriftstellerin nicht in Palästina geboren, sondern in Israel. Auch ihr Studium in der israelischen Hauptstadt Jerusalem spricht für die israelische Staatsbürgerschaft. Adania Shibli gibt an, zusätzlich neben der deutschen, auch über die palästinensische Staatsbürgerschaft zu verfügen. Sie lebe in Palästina und in Deutschland.

 

1. Hälfte des Buches: Eine Nebensache

Der Negev soll von Arabern gesäubert werden!“ So soll der Befehl an die Armeeeinheit (an alle Einheiten?) im Sommer 1949 gelautet haben: Sowohl in Adanias Buch, als auch in der Realität. Da es sich um eine „erfundene“ Geschichte handelt – Beweise liegen nicht vor – soll der interessierte Leser seine Gedanken ordnen bevor er sich eine Meinung bildet und diese gar verbreitet. Die uneingeschränkte Übernahme des Satzes „Der Negev soll von Arabern gesäubert werden!“ kann in Deutschland in seltenen (?) Fällen zu unangenehmen Nachfragen und Folgen führen. Gewöhnlich jedoch bleiben im heutigen Deutschland solche Sätze juristisch unwidersprochen und konsequenzenlos.

Einen derartigen Befehl mag es gegeben haben. Wahrscheinlich ist das Vorhandensein eines solchen Befehls nicht, da er der jüdischen Ethik widerspricht. Letztendlich kann es der Schriftstellerin und dem Verlag gleichgültig sein, was der (deutsche) Leser eventuell für bare Münze nimmt. In der öffentlichen Diskussion (z.B. Rezensionen) könnten solche Sätze staatlich und rechtlich anders bewertet werden als bestimmte Sätze, die im Buch stehen.

Zurück zum Negev. Der israelische Offizier wird nachts von einem Insekt am Oberschenkel gestochen. Die anfänglich geringen Beschwerden breiten sich bald auf seinen gesamten Körper aus. Eine adäquate Medikation mit einem Sanitäter scheint es in der kleinen Militärabteilung nicht gegeben zu haben, was realiter für alle Kriege ungewöhnlich ist, die der Judenstaat seit seiner Gründung gegen seine Feinde führen muss und somit auch in Zukunft führen wird (s. Iran).

Bald kommt es im Buch zu einer begrenzten militärischen Auseinandersetzung mit arabischen Beduinen. Eine junge Beduinin wird gefangen genommen. Der kranke halluzinierende Offizier fordert seine kleine Mahnschaft auf, die beduinische Araberin zu töten und zuvor zu vergewaltigen. Seine Mannschaft ist einverstanden, es regt sich kein offener Widerstand.

Der Offizier hält seiner Mannschaft eine eindringliche Rede, warum Araber eliminiert werden müssen (s. 37-38). Wenn Juden über Araber solches schreiben sollten, würde sie schnell und zu Recht der Vorwurf des Rassismus nicht nur unter Judenhassern verbreiten. Wenn Araber solche Dinge über Juden schreiben, erhalten sie einen angesehenen Buchpreis.

Der Offizier findet, dass das Mädchen stinkt. Kurze Zeit später erkennt er, dass die eiternde Oberschenkelwunde der Grund des Gestankes ist.

 

2. Hälfte des Buches: Eine Nebensache, 50 Jahre später

Die zweite Hälfte des kurzen spannenden Buchen, welches in einem Durchgang ganz gelesen werden kann, ja muss, beinhaltet die Geschichte einer Palästinenserin aus Ramallah im nicht-israelischen „freien“ Westjordanland, die die begnadete Dichterin Adania Shibli selber sein kann. Die gesamte Geschichte wird phantastisch aufgelöst. Das Verhalten der Araberin ist gleichzeitig typisch israelisch, wie typisch arabisch. Die inneren und äußeren Erlebnisse, die die Araberin in Israel erfährt, lassen sich kaum niederschreiben und reizen die Lachmuskeln. Die Erlebnisse entsprechen den politischen Realitäten im Nahen Osten. Juden und Araber ähneln sich! Die Geschichte gleitet folgerichtig ins Phantastische, d.h. sie wird im Nahen Osten als real betrachtet .

So ist die Araberin aus Palästina überglücklich. dass in Israel der Dusche warmes Wasser entströmt. Ganz am Ende der Geschichte hört der Leser Bombendetonationen aus dem nahen Gazastreifen. Während weit über 10% die Bewohner Israels Araber mit gleichen Rechten, nicht Pflichten sind: Araber, männlich und weiblich, brauchen aus ethischen und religiösem Gründen keinen israelischen Militärdienst zu leisten! Mit Ausnahme von Marokko, wo noch einige Tausend Juden leben, sind alle arabischen Staaten judenfrei, inklusive des gesamten Palästina: Westbank, Gazastreifen und Jordanien! Der Roman erzählt nicht eine wahre, sondern eine erwartete, gar erhoffte Begebenheit. Es geht nicht um Gerechtigkeit. Es geht um die militärischen Siege, die bisher die Juden alle errungen haben. Selbst in Deutschland, wo Juden sicher sein sollen, gibt es doppelt so viele Palästinenser (200.000) wie Juden.

Die Juden Israels können in Zeiten der Not nur auf sich selber vertrauen. Die meisten mit Israel befreundeten Staaten verlangen weltweit von den Juden, den nicht-israelischen Arabern Land und Rechte abzutreten, was das Ende des Judenstaates bedeuten würde. Wäre es nicht an der Zeit, den Juden ein Stück Sicherheit im Nahen Osten zu garantieren? Stattdessen wird im Buchcover behauptet, dass der Roman nach einer wahren und offiziellen Begebenheit geschrieben ist. Vom Verlag wird die Frage nach Gerechtigkeit im Erzählen erhoben. Damit ist der Angriff auf alle Juden gemeint, insbesondere denjenigen, die in Israel zu leben.

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Berenberg Verlag am 15. März 2022
Gebundene Ausgabe: 128 Seiten

ISBN-13: 978-3949203213

22 €

Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.