In der Schweiz führen zwei mächtige Verleger einen Kampf um die Ukraine. Roger Köppel startete einen Angriffskrieg für Russland in der Weltwoche. Verteidigt wird die Ukraine von Peter Wanner, dem Verleger von CH Media.
In der Schweiz setzte die Weltwoche die Kampagne gegen Unterstützer der Ukraine fort. Eine Cover-Story mit dem Titel „Die Kriegstreiber“ erschien am 19. Mai. Darin werden Politiker und Publizisten aus der Schweiz als „Muskelspieler, Kraftmeier und Grossmäuler“ bezeichnet, denn sie wollen es „mit der Gross- und Nuklearmacht Russland aufnehmen„.
Tatsächlich forderten Schweizer Politiker, „einer europäischen Demokratie zu helfen, sich zu verteidigen“. Dies will die Weltwoche offensichtlich nicht akzeptieren.
Die Weltwoche nahm auch die Schweizer Justizministerin Karin Keller-Sutter in die Kritik. Es wird ihr der Vorwurf gemacht, sie hätte den Verdacht vorgebracht, im Zusammenhang mit dem Massaker von Butscha, „dass es sich um Kriegsverbrechen handeln könnte„. Obwohl die Justizministerin deutlich eine vorsichtige Formulierung wählte, wird sie dafür angegriffen, denn sie vertrete diese Ansicht, so die Weltwoche, „im Namen der Schweiz, ohne Anklageerhebung, ohne Prozess, ohne Tribunal„.
Ein erstes Tribunal gab es inzwischen allerdings in Kiew. Ein russischer Panzerkommandant wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er einen Zivilisten, einen alten Mann, mit einem Kopfschuss tötete. Die Weltwoche verschweigt dies in ihren Tagesnachrichten. Im Unterschied zu relevanten Medien, die davon berichteten.
Kampf der Verleger
Es sind zwei mächtige Verleger, die in der Schweiz den Kampf um die Ukraine führen. Auf der einen Seite der Front steht Roger Köppel, der Herausgeber der Weltwoche. Er startete in der Schweiz einen Informationskrieg und marschiert mit den Argumenten der russischen Führung ins Land.
Verteidigt wird die Ukraine von Peter Wanner, dem Verleger von CH Media. Er verfügt über einen starke Armada von rund 80 Medien in der Schweiz, dazu zählen Tagblatt, Schweiz am Wochenende, Regionalzeitungen, Fernsehsender, Radiostationen. Er erreicht wöchentlich 900.000 Zeitungsleser, mit seinen Fernsehsendern 1,1 Millionen Zuschauer und mit seinem Radioprogramm 1 Million Hörer.
Die Weltwoche hingegen kann nur noch eine verbreitete Auflage von rund 38.000 Exemplaren ausweisen und will damit in der Deutschschweiz 131.000 Leser erreichen. Doch wird die Weltwoche international beachtet und von guten Kiosken auch in anderen Ländern angeboten. Während Wanner mit CH Media der Meinungsmacher in der Schweiz ist, prägt Köppel mit der Weltwoche wesentlich das Image der Schweiz im Ausland.
Wanner verteidigt die Ukraine
Der Konflikt um die Ukraine begann in der Schweiz mit einem aufrechten Leitartikel von Peter Wanner. Er erklärte: „Der Westen muss seine Feigheit überwinden – und Putin endlich in die Schranken weisen“.
(Peter Wanner: Leitartikel des Verlegers, Tagblatt, 19. 3. 2022. Erschienen auch in den weiteren Medien von CH Media)
Wanner forcierte ein wirtschaftliches Embargo, es dürfen aus Russland keine Rohstoffe mehr bezogen werden, Energielieferungen lehnte er entschieden ab. Auch die Vermögenswerte von Russen, insbesondere der Oligarchen, seien einzufrieren. Wanner erklärte: „Die Schweiz ist militärisch neutral, sie darf aber politisch, ökonomisch und moralisch nicht neutral sein. Sie sollte sich solidarisch zeigen, Flüchtlinge aufnehmen“.
Angriffskrieg der Weltwoche
Roger Köppel startete dann in der Weltwoche eine Kampagne, mit der jegliche Unterstützung für die Ukraine abgeleht wird. Entsprechend geriet auch Peter Wanner ins Visier von Roger Köppel. Er wurde in der Weltwoche als „Säbelrassler“ und „Eisenfresser“ diffamiert, weil er deutlich Unterstützung für die Ukraine einforderte. Zuletzt wurde Wanner in der Cover-Story vom 19. Mai attackiert, als „Kriegstreiber„.
Offensichtlich gilt in der Weltwoche als Kriegstreiber, wer den Überfall nicht akzeptiert, den die russischen Führung kommandierte, gegen demokratische Länder. So wird auch der amerikanische Präsident gescholten, allerdings mit seltsam anmutenden Argumenten, demnach wäre er „ein reicher Onkel„, der der Ukraine ein Hilfspaket in Milliardenhöhe geben möchte. In der Cover-Story der Weltwoche wird dies nochmals empört mitgeteilt: „Die USA alleine bewilligten vergangene Woche 39,8 Milliarden Dollar„.
Keinesfalls möchte die Weltwoche, dass Kriegsvertriebene aus der Ukraine in der Schweiz eine Zuflucht finden. Es wird befürchtet, dies könne solche Kosten verursachen, dass der „Bundeshaushalt ins Schleudern“ gerate, in der wohlhabenden Schweiz. Roger Köppel setzte diese Polemik am 20. Mai fort, indem er warnte, dass Flüchtlinge aus der Ukraine zu viele Privilegien erhalten.
In der Schweiz tobt damit ein erbitterter Kampf. Die Frontlinien werden deutlich gezogen. Auf der einen Seite wird Unterstützung für die Ukraine gefordert, auf der anderen Seite wird schamlose Propaganda für den Krieg der Russen getrieben. Dafür wurde von Roger Köppel auch der deutsche Politiker Oskar Lafontaine, als eine Art von Söldner, eingekauft. Dazu erschien im Tabula Rasa Magazin der Beitrag: Bemerkungen zu Oskar Lafontaines Text: „Amerika treibt Europa in einen Atomkrieg“ (Tabula Rasa Magazin, 13. 5. 2022):
www.tabularasamagazin.de/bemerkungen-zu-oskar-lafontaines-text-amerika-treibt-europa-in-einen-atomkrieg
Image der Schweiz beschädigt
Durch die Kampagne der Weltwoche entstand im Ausland bereits der Eindruck, dass die Schweiz nur an ihre eigenen Vorteile denke. Generalleutnant Ben Hodges, der ehemalige Kommandant der US Army in Europa, erklärte am 18. Mai in einem Interview mit der ZEIT, dass Deutschland mehr militärischen Einsatz zeigen solle, für die Ukraine. Dabei nahm Hodges die Schweiz deutllich in die Kritik: „Manche Deutsche vermitteln den Eindruck, man wolle eigentlich nur so etwas wie eine große Schweiz sein, also sich schön raushalten“.
Aber wie kam es zu dem falschen Eindruck. Bei der Entschiedenheit, die Peter Wanner zeigte, darf man der Schweiz nicht vorwerfen, dass keine Unterstützung für die Ukraine gegeben wird. Tatsächlich sind es seine beiden Antagonisten, die die Schweiz in Verruf brachten. Roger Köppel mit Oskar Lafontaine, der die russische Flagge am Dach der Schweiz hissen sollte.
China zahlt
Die Weltwoche war in den neunziger Jahren eher liberal ausgerichtet. 2001 wurde Roger Köppel als Chefredakteur bestellt und verwirklichte ein neues Konzept. Die Weltwoche galt seit der Übernahme durch Köppel als rechtskonservativ und positionierte sich als Gegner der Grünen und Linken. Roger Köppel gilt als der alleinige Eigentümer der Weltwoche. Doch unterstützte er offen die SVP (Schweizerische Volkspartei) des Milliardärs Christoph Blocher. 2015 ging Köppel selbst als Abgeordneter der SVP in den Nationalrat.
Die NZZ zeigte allerdings schon im Dezember 2019, dass Köppel chinesische Interessen propagiert: Roger Köppels seltsame Nähe zu den chinesischen Kommunisten (NZZ, 17. 12. 2019)
Chinesische Firmen schalteten demnach Inserate in der Weltwoche, im Gegenzug wurde Propaganda der Volksrepublik China gebracht. Der chinesische Botschafter in der Schweiz konnte „auf Einladung der Weltwoche 12 Kolumnen mit freier Themenwahl“ veröffentlichen. Er nutzte die Gelegenheit, um die Situation der Tibeter und Uiguren falsch darzustellen.
Köppel zeigte damit, schon vor dem Einsatz von Oskar Lafontaine, dass er Agitprop in die Schweiz bringt. Die Gefahr falscher Berichterstattung wurde in der Europäischen Union bereits erkannt. Eine erste Reaktion der EU-Kommission erfolgte Anfang März, russische Propagandasender wurden verboten, davon betroffen war insbesondere Sputnik.
In seinem Haus in Küsnacht bei Zürich stellte Roger Köppel auf seinen Bücherschrank die Büsten von Karl Marx und Mao Tse Tung. Köppel präsentiert ein Rätsel, das man noch entschlüsseln muss.
Links:
Bemerkungen zu Oskar Lafontaines Text: „Amerika treibt Europa in einen Atomkrieg“, Tabula Rasa Magazin, 13. 5. 2022, Oskar Lafontaine veröffentlichte einen Beitrag in der Weltwoche. Er verurteilte die amerikanische Politik und manipulierte dafür die Fakten. Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. www.tabularasamagazin.de/bemerkungen-zu-oskar-lafontaines-text-amerika-treibt-europa-in-einen-atomkrieg
Die Ukraine ist ein Juwel der Europäischen Kultur, Tabula Rasa Magazin, 30. 4. 2022, Europa braucht die Kultur der Ukraine. Traditionelle Werte zeichnen das Land aus. Eine starke EU muss jetzt deutliche Zeichen setzen. www.tabularasamagazin.de/die-ukraine-ist-ein-juwel-der-europaeischen-kultur
Zum Autor:
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Homepage: www.journalist.tel