Grosny, Aleppo, Mariupol – die Blutspur Putins

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Seit dem 24. Februar 2022 führt die russische Armee auf Befehl von Wladimir Putin einen außergewöhnlich grausamen und blutigen Vernichtungskrieg gegen die von ihm angegriffene Ukraine. Deutliche Hinweise auf Völkermord und Kriegsverbrechen sind jetzt Gegenstand intensiver Untersuchungen. Das Massaker von Butscha, einem Vorort von Kiew, ist an Brutalität kaum zu überbieten. Opfer sind wehrlose Zivilisten. Leider hat diese barbarische Kriegsführung unter der Befehlsgewalt von Putin eine lange Tradition – jetzt schon 22 Jahre. Die Blutspur begann in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny und führte über Aleppo nach Mariupol. Das Zerstörungswerk ist seit dem Tschetschenienkrieg sehr ähnlich: lange Vernichtungskriege, in denen vor allem die Zivilbevölkerung gezielt bombardiert, erschossen oder ermordet wird. Diese jahrelange brutale Vernichtung unschuldiger Zivilisten soll Angst, Schrecken und Terror verbreiten. Die bestialische Logik dieser Kriegsführung soll den Gegner zermürben und demoralisieren. Putin demonstriert seine Macht und beweist dem Gegner seine Ohnmacht. Er lässt grausam bombardieren und morden – weil er es kann und weil ihn keiner stoppt. Seit 22 Jahren wütet „des Teufels General“ und konnte dies bisher, weil er mit einer Eskalation durch Atomwaffen droht. Die Angst vor einem Atomkrieg ist sehr wirksam. Der Mut und der Kampfeswille der ukrainischen Armee haben ihm jedoch bisher einen Widerstand geleistet, mit dem er wohl nicht gerechnet hat.

Kriege gegen Tschetschenien, Georgien, Syrien und die Ukraine – Putin als kriegslüsterner Wiederholungstäter

Putin hat in den 22 Jahren seiner Amtszeit vier Angriffskriege geführt. Bereits im ersten Jahr seiner Präsidentschaft begann er den Tschetschenienkrieg im Jahr 2000. Es folgten die Kriege gegen Georgien und Syrien. Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und dem verdeckten Krieg im Donbass schwelte von 2014 bis 2022 ein Dauerkonflikt, der in den offenen Angriffskrieg gegen die Ukraine mündete. Die Vernichtung der Zivilbevölkerung und die Zerstörung symbolträchtiger Städte sind dabei wesentliche Elemente seiner brutalen und bestialischen Kriegsführung. Kriegsverbrechen und Völkermord gehören ebenso dazu wie der Einsatz international verbotener Waffen, wie z.B. Streubomben oder Giftgas. Die tschetschenische Hauptstadt Grosny, das Kulturerbe Aleppo und die ukrainische Stadt Mariupol wurden zum Symbol der vollkommenen Vernichtung und Verwüstung durch Bombardierungen und Raketenbeschuss. Aus glanzvollen Städten wurden Trümmerwüsten. In seinem Werk „Vom ewigen Frieden“ schreibt der Philosoph Immanuel Kant im Jahr 1795, dass es kriegslüsterne Staatsmänner gibt, „die des Krieges nie satt werden“. Sie wiederholen „Ausrottungskriege“, um ihre Macht zu vergrößern und unterworfene Staaten zu beherrschen. Diese Worte hat Kant vor mehr als 200 Jahren in Königsberg geschrieben. Diese Stadt heißt heute Kaliningrad und gehört zu Russland. Putin hat dort Atomraketen stationiert, die offensichtlich gegen den Westen gerichtet sind.

Zunahme der zivilen Opfer seit dem Zweiten Weltkrieg

Bis zum Zweiten Weltkrieg waren die Kriegstoten überwiegend Soldaten. Die militärischen Opfer waren bis dahin viel größer als die zivilen. Der bekannte britisch-australische Historiker Christopher Clark hat kürzlich aufgewiesen, dass vor allem die Vernichtung der Zivilbevölkerung ein erschreckendes neues Merkmal der Kriege sei (Clark 2020). Zu Zeiten von Napoleon Bonaparte und dem preußischen Militärstrategen Carl von Clausewitz geschah die brutale Gewalt des Krieges überwiegend auf den Schlachtfeldern zwischen den sich bekämpfenden Soldaten. Die Schlachtfelder von Verdun oder an der Marne waren bekannte Schauplätze des Ersten Weltkrieges. Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges zeigten die höchsten Opfer bei der Zivilbevölkerung – der Genozid an den Juden, mehr als sechs Millionen Opfer in Konzentrationslagern, Millionen Opfer durch Stalin, Bombardierungen von Städten – etwa 60 Millionen Menschen kostete dieser brutale Krieg das Leben. Die Getöteten waren überwiegend Zivilisten, unschuldige Frauen, Kinder und alte Menschen, die gar nicht in die kriegerischen Kampfhandlungen einbezogen waren. Der Historiker Christopher Clark spricht von einem „überproportionalen Anstieg der zivilen Todesopfer“, der offensichtlich immer erschreckender wird. „Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag das Verhältnis militärischer Opfer zu zivilen bei rund 8 : 1; in den Kriegen der 1990er Jahre betrug es 1 : 8 .“ (Clark 2020, S.258). Es kam also zu einer kompletten Umkehr der Proportionen. Im Zweiten Golfkrieg bereits noch extremer: mehreren zehntausend militärischen Opfern standen etwa 460.000 zivile Todesopfer gegenüber – also eine rechnerische Relation von etwa eins zu zwanzig! (Clark 2020, S. 258). Der renommierte deutsche Historiker Herfried Münkler, der lange die deutsche Bundesregierung beraten hat, schrieb mehrere Bücher über moderne Kriege. Er betonte ebenfalls die überproportionale Vernichtung der zivilen Bevölkerung (Münkler 2002, 2015). Der Kriegsführer Putin trieb in seinen vier Kriegen die Vernichtung der Zivilisten auf die Spitze. Er setzt diese perfide Kriegsstrategie gezielt ein, um das Gefühl von Angst, Schrecken und Terror beim Gegner zu erzeugen.

Das Massaker von Butscha

 Anfang April 2022, also nach etwa sechs Wochen Krieg, wurden die ersten Massaker an der Zivilbevölkerung bekannt. Die ersten umfassenden Kriegsverbrechen an zivilen Opfern wurden in Butscha, einem Vorort von Kiew, entdeckt und dokumentiert. Mehrere hundert zivile Opfer lagen am Straßenrand oder waren in Massengräbern verscharrt. Viele wurden mit den Händen auf dem Rücken gefesselt und durch einen Schuss in den Hinterkopf hingerichtet. Zivile Ukrainer, überwiegend Frauen und Kinder, wurden auf der Flucht gezielt von Streubomben zerfetzt. Immer mehr Berichte von Vergewaltigungen an Frauen und Kindern werden berichtet. Es laufen umfangreiche Ermittlungen durch den Internationalen Strafgerichtshof und durch Menschenrechtsorganisationen. Die Last der Beweise ist erdrückend: Satellitenaufnehmen, Video-Aufnahmen von gezielten Tötungen von Zivilisten, zahlreiche Augenzeugenberichte, Aufzeichnungen von Funksprüchen der Täter, Aufnahmen von hingerichteten oder geschändeten Leichen. Selbst der Einsatz von Giftgas steht als Verdacht im Raum. Der Krieg wird offensichtlich von Woche zu Woche grausamer, brutaler und blutiger.

Literatur

Clark, Christopher, Gefangene der Zeit. Geschichte und Zeitlichkeit von Nebukadnezar bis Donald Trump. Deutsche Verlagsanstalt, München 2020

Clausewitz, Carl von, Vom Kriege. Band 1 – 3. Ferdinand Dümmler, Berlin 1832 – 1834

Münkler, Herfried, Die neuen Kriege. Rowohlt, Reinbek 2002

Münkler, Herfried, Kriegssplitter. Die Evolution der Gewalt im 20. Und 21. Jahrhundert. Rowohlt, Berlin 2015

 

Korrespondenzadresse:

Professor Dr. med. Herbert Csef, An den Röthen 100, 97080 Würzburg

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Prof. Dr. Herbert Csef, geb. 1951, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker. Studium der Psychologie und Humanmedizin an der Universität Würzburg, 1987 Habilitation. Seit 1988 Professor für Psychosomatik an der Universität Würzburg und Leiter des Schwerpunktes Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums. Seit 2009 zusätzlich Leiter der Interdisziplinären Psychosomatischen Tagesklinik des Universitätsklinikums. Seit 2013 Vorstandsmitglied der Dr.-Gerhardt-Nissen-Stiftung und Vorsitzender im Kuratorium für den Forschungspreis „Psychotherapie in der Medizin“. Viele Texte zur Literatur.