Karfreitag in Österreich – Die unerträgliche Dreistigkeit des Weins

Mariensäule Am Hof in Wien. Links neben der Kirche Am Hof: Das Palais Collalto.

Grundrechte werden verletzt in Wien. Vermögenskonfiskationen wirken wie Berufsverbote. Das aktuelle Österreich gleicht der Tschechoslowakei von Milan Kundera. Ein Ende der bewährten Heurigenstimmung wird erforderlich in der Hauptstadt der einstigen Donaumonarchie. Ein Kommentar.

Im vergangenen Jahr wurde am Karfreitag eine Recherche gestartet. Über gravierende Verletzungen des Eigentumsrechts in Österreich. Angefragt um Stellungnahmen wurden Justizbehörden, Rechtsanwaltskammer, Parlamentsparteien, Interessensvertretungen. Die Ergebnisse waren so erschreckend, dass diese vorerst nicht veröffentlicht wurden. Ein ausführlicher Report wird aber noch vorgelegt.

Milan Kundera erzählte in seinem Roman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ („L’insoutenable légèreté de l’être“) von den Verhältnissen in der Tschechoslowakei, nach dem Versuch des Aufbegehrens gegen die kommunistische Herrschaft im Jahr 1968. Die Hauptfigur ist ein begabter Arzt, der aus politischen Gründen, er protestierte gegen das Regime, seinen Beruf nicht mehr ausüben durfte. Er empfand, nun hätten die „großen Ferien“ für ihn begonnen und wurde als „Fensterputzer“ tätig, fraglos eine gelungene Metapher für den klaren Blick, den er in seinem Umfeld schaffen wollte, die verschmierten Glasscheiben sollten von ihm gereinigt werden, denn er war befähigt, zu exakten Diagnosen.

Auch in Österreich will man jetzt solche Verhältnisse schaffen, wie einst in der Tschechoslowakei von Kundera, der dann nach Frankreich auswanderte. In Wien aber mehr nach dem bewährten Motto: Die unerträgliche Dreistigkeit des Weins.

Politisch motivierte Vermögenskonfiskation

Im Mittelpunkt der Recherche, die in Österreich gestartet wurde, standen willkürliche Vermögenskonfiskationen durch die Justizbehörden, die finanziell und politisch motiviert sind. Diese werden durch eine entwickelte Methode von Sachwalterschaft durchgeführt, die die österreichische Justiz, aufgrund der Kritik, inzwischen mit dem Euphemismus „Erwachsenenschutz“, später auch „Erwachsenenvertretung“ etikettierte.

Das Vermögen wird dabei aus „gesundheitlichen Gründen“ beschlagnahmt, die Enteignung wird damit ausschließlich zivilrechtlich argumentiert. Die österreichischen Behörden können dabei keine Vorfälle nennen, die eine strafrechtliche Vermögenskonfiskation begründen. Es wird bloß auf eine „mangelnde Gesundheit“ des Betroffenen verwiesen, die die Vermögensübernahme erforderlich mache. Da bei Protest, wie die österreichischen Behörden bereits vorführten, Gefängnis oder die Einweisung in die Psychiatrie drohen, bleibt den Betroffenen in der Regel nur die sofortige Flucht ins Ausland.

Es werden richterliche Entscheidungen willkürlich getroffen, ärztliche Befunde mit falschen Diagnosen eingebracht, damit die Reputation der Betroffenen beschädigt werde, Vermögen übernommen und zur persönlichen Bereicherung oder zur Stärkung einer offensichtlich mafiösen Organisation verwendet.

Eleganz der Enteignung

Gerne wurde in den vergangenen Jahren in Österreich auch die „Eleganz der Verfassung“ betont. Tatsächlich sicherte die österreichische Verfassung das Eigentumsrecht nur ungenügend ab, in gewisser Weise blieb es unbestimmt.

Es werden solche Enteignungen brutal durchgesetzt, auch bei Personen, die in bester Verfassung sich befinden und weiter für das Land, oder wie man es in früheren Zeiten nannte, für eine „bessere Welt“ tätig sein wollten.  Die Rede von der „gesundheitlichen Schwäche“, die eine Vermögenskonfiskation angeblich erforderlich mache, dient dann nur als Vorwand.

Aber was bedeutet denn eine solche Konfiskation des gesamten Vermögens aus „gesundheitlichen Gründen“? Wenn Personen gesundheitlich in keiner guten Verfassung wären, dann will ihnen diese  elegante Gesellschaft alles wegnehmen, das ganze Vermögen, ihren Wohnort, mit ihren Memorabilien, die „gestürmt und geräumt“ werden, auch ihre persönlichen Erinnerungen, somit auch alle Möglichkeit zur Regeneration. Ein Zustand der Schwäche wird durch einen solchen Übergriff überhaupt erst ausgelöst und ist keinesfalls die Ursache der Behinderung.

Bruch des Gesellschaftsvertrages

Wir waren nicht in Kenntnis, dass die Gesellschaft, in der wir unser Leben einrichteten, eine solche Orientierung und Ideologie verfolgt. Ansonsten hätte man alle Entscheidungen anders überlegen müssen, nämlich die Entscheidung für ein solches Land, eine solche Kultur, einen Beitrag zu leisten, an den Universitäten und Bildungsinstitutionen, in der hohen Kunst und Wertevermittlung, auch an jedem sonstigen Arbeitsplatz, der dazu dient, die Infrastruktur und Funktionsfähigkeit des Landes zu erhalten.

Ein solcher Bruch des offiziellen Gesellschaftsvertrages war nicht vereinbart. Man hätte dann den gesamten Lebensweg anders konzipieren müssen. Doch durfte man mit solch schamlosen Übergriffen nicht rechnen, in einem Land der Europäischen Union.

Es ist in einer solch eleganten Gesellschaft auch nicht mehr klar, ob all die bedeutenden Forschungsleistungen der vergangenen 75 Jahre, ja sogar der vergangenen 250 Jahre, noch tradiert werden können, all die Erkenntnisse der Soziologie, der Ethnopsychoanalyse, der Kommunikationswissenschaft, wenn jetzt ein solches Barbarentum zur Staatsdoktrin in Europa gemacht werden soll.

Wozu betrieben Forscher ihre schwere Tätigkeit, beispielsweise Herbert Marcuse und Michel Foucault, Claude Lévi-Strauss und Pierre Bourdieu, Paul Watzlawick und Heinz von Foerster? Offenbar damit jetzt einer negativen Dialektik der Tribut gezollt werden soll.

Familiengeschichte wird ausgelöscht

Persönliche Biographien werden in Österreich bewusst beschädigt und zerstört, es wird wild in Erbschaften hineingefahren, Familiengeschichte mit voller Absicht ausgelöscht. Nämlich die Familiengeschichte der „Anderen“, während heftig darauf gepocht wird, dass die eigene Familie bereits vor 1.000 Jahren als Richter in Tirol wirkte, wie es ein Politiker, den man in Österreich gut kennt, gerne erzählt. Da muss allerdings auch die Frage hingenommen werden, angesichts des aktuellen Desasters eines vermeintlichen „Rechtsstaates“, was denn für Richter sie waren, diese schon vor tausend Jahren solche Enteignungen anordneten, zur Bereicherung der eigenen Sippen.

Der Politiker, der auf die tausendjährige Tradition im Richtertum stolz verweist, forderte immerhin drakonische Strafen, sollte aufbegehrt werden, in einem offenen Brief an den damaligen Justizminister Jabloner:
„Treten Sie die Einzelfeuer und die Glutnester aus, suspendieren Sie, soweit Sie es können, die Schuldigen, und schalten Sie die Disziplinarbehörden rasch ein, bevor die ganze Justiz lichterloh brennt“.
(Andreas Khol: „Schaffen Sie Ordnung, Herr Minister!“. In: Der Standard, 13. 6. 2019)“

Offenbar ist aus den reichen Erfahrungen der richterlichen Familiengeschichte doch bekannt, dass Aufstände zu fürchten sind, wenn Ungerechtigkeit und Willkür das Land beherrschen.

Kandare statt Reblaus

Noch immer schätzen die österreichischen Behörden den Leitspruch „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist!“, der aus der beliebten Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauss gerne entnommen wird.

Denken ernsthaft die Justizbeamten, die willkürliche Vermögenskonfiskationen anordnen, indem sie eklatanten Amtsmissbrauch begehen, dass mit diesem Motto des Landes niemand gegen solche Enteignungen aufbegehren werde.  Vielmehr in Heurigenstimmung, mit „einem Glaserl Wein“, wie eine Reblaus absauft.

Es ist an der Zeit, dass die Sitten in Österreich an europäischen Werten sich orientieren. Da die österreichische Justiz in den vergangenen Jahren allerdings diesbezüglich nicht die geringste Bereitschaft zeigte, vielmehr Eigensinn und Selbstsucht bestimmend sind, wird die Europäische Union, will sie Fortschritte in Österreich erzielen, diese deutlich an die Kandare nehmen müssen.

Links:

Recherche am Karfreitag: Grundrechte in Österreich
(Tabula Rasa Magazin, 2. April 2021)
Verletzungen des Eigentumsrechts bleiben Thema in Österreich. Zum vierten Mal wird dazu eine Recherche durchgeführt. Es wird nach Maßnahmen gefragt. Zum Schutz des Rechtsstaates im deutschen Nachbarland.
www.tabularasamagazin.de/recherche-am-karfreitag-grundrechte-in-oesterreich

Regierung wie im Alten Rom
(Tabula Rasa Magazin, 6. Juli 2019)
Die österreichische Justiz könne bald lichterloch brennen. Das befand der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol in einem offenen Schreiben an Justizminister Jabloner.
www.tabularasamagazin.de/regierung-wie-im-alten-rom

 

Über Johannes Schütz 107 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel